Pro Tag und pro Person maximal drei Packungen", prangt auf dem Schild. Und: "Abgabe nur in haushaltsüblichen Mengen". Die Regale darunter sind vollkommen leer. Eine Verkäuferin steht vor den grauen Metallborden und räumt die letzten drei Pakete ein. "Mehr gibt es nicht", sagt sie. Deutschland im Jahr 2016, aber in den Drogerieketten DM, Rossmann und Budnikowsky geht es zu wie einst in der DDR – bei Babymilchpulver. Hier wird rationiert, als gelte sozialistische Planwirtschaft.
Alle drei großen Händler haben ihr Angebot an Säuglingsnahrung beschränkt. Sebastian Bayer, Mitglied der Geschäftsleitung bei DM, bestätigt, dass die Gesamtnachfrage nach Milchpulver nach wie vor nicht gedeckt werden kann. "Wir können die Warenpräsenz nicht in allen Märkten gewährleisten", sagt er. Und auch bei Rossmann spricht man von einer "Verknappung bei Babymilch".
Chinas Durst auf deutsches Milchpulver
Es sind keine kurzfristigen Maßnahmen der Händler, weil es gerade mal einen Lieferengpass gibt. Nein, der Mangel erweist sich als Dauerproblem.
Die Ursache für die leeren Regale findet sich in Asien. Der Durst der Chinesen nach deutscher Erstlingsmilch ist gigantisch. Babynahrungsprodukte im Wert von mehr als 200 Millionen Euro werden laut Recherchen der "Lebensmittelzeitung" jedes Jahr von Deutschland nach China exportiert. Im Internet hat sich mittlerweile ein riesiger Graumarkt etabliert. Auf der E-Commerce-Plattform Taobao, dem chinesischen Gegenstück zu Ebay, werden deutsche Originalprodukte für den doppelten Preis angeboten. Die 800-Gramm Dose Aptamil Pre von Milupa kostet dort zwischen 160 und 200 Yuan, umgerechnet ca. 22 bis 28 Euro, hier ist sie für 14,95 Euro zu haben. Und wer auf deutschen Ebay-Seiten sucht, findet mehr als 200 Treffer mit Trockenmilchprodukten, die auch nach China geliefert werden. Versandkosten pro Packung ab etwa 35 Euro.
Babymilch als Mitbringsel
Gerade jetzt, kurz vor dem chinesischen Neujahrsfest am 8. Februar 2016, ist die Nachfrage besonders hoch. Milch ist für die Asiaten ein Luxusgut, ein Statussymbol, für das sie viel Geld ausgeben. Und Babymilch ein gern gesehenes Mitbringsel bei Familienfeiern – vor allem, wenn es sich dabei um Pulver "made in Germany" handelt.
Das Phänomen der leer gekauften Regale zeigte sich erstmals Anfang 2013. Davor war gepanschtes Milchpulver in Metropolen wie Peking und Shanghai aufgetaucht, Hunderttausende Babys erkrankten, sechs starben. Seitdem ist das Vertrauen der Chinesen in die heimische Produktion zerstört. Mütter und Väter versuchten sich über Klein- und Zwischenhändler ausländische Ware zu verschaffen. Deutsche Drogisten berichteten von Asiaten, die mit Kleinbussen vorfuhren. "Vier oder fünf Leute" , erzählt ein Marktleiter: "Die gingen dreimal durch den Laden, anschließend waren die Regale leer."
Gilt noch das Prinzip von Angebot und Nachfrage?
Aber warum ist seitdem scheinbar nichts passiert? Warum gibt es fast drei Jahre später immer noch das gleiche Problem? In einer Marktwirtschaft müsste nach dem Lehrbuch eigentlich die Produktion oder der Preis steigen. Stefan Stohl, Unternehmenssprecher bei Milupa, dem Marktführer für Babymilch, beteuert denn auch: "Wir haben die Produktion seit 2013 verdreifacht." Brigitte Engel, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei Hipp, der Nummer zwei am Markt, spricht von einer "Verdopplung der Produktionsmenge". Offenbar reicht das nicht.
Bedarf an Babymilch wird ansteigen
Ab dem Frühsommer aber könnte der Mangel langsam behoben werden, wenn Milupa die Produktion in seinem neuen, zweiten Werk in Fulda hochfährt. Noch herrscht dort Testbetrieb. Von April an sollen im Drei-Schicht-System 24 Stunden am Tag, 360 Tage im Jahr die Babymilchpackungen vom Band rollen – rund 280 Tonnen täglich. Firmensprecher Stohl sagt: "Durch das Ende der Ein-Kind-Politik in China dürfte der Durst auf Babymilch noch weiter ansteigen." Der direkte Export nach Fernost ist für das Unternehmen allerdings kein Thema. Zu kompliziert sind die chinesischen Regularien.
Damit deutsche Babys nicht leer ausgehen, bietet Milupa in Kooperation mit DM einen Reservierungsservice an. Mütter und Väter können vorab ihren Bedarf an Milch ordern und dann im Geschäft abholen. Aber auch hier ist es ein bisschen wie in der DDR. Bei der Registrierung ist die Geburtsurkunde des Kindes vorzulegen.
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