Als ich Ferdinand Piëch vor fast zwei Jahrzehnten das erste Mal traf, stand er alleine an einem Stehtisch in Genf. Gerade hatte er sich neue Volkswagen- und Audi-Modelle angeschaut, die dort in einer Halle präsentiert wurden. Nun war die Show vorbei und seine Manager strömten auf die Bühne. Er, der Konzernchef, blieb zurück, mit einem Glas Wasser. Piëch war niemand für Geselligkeiten, keiner, der das Getümmel liebte. Er ertrug es. Und er war auch keiner, dessen Nähe man suchte.
Gespräche mit ihm waren zäh, aber nicht, weil er nichts zu sagen gehabt hätte. Er überlegte nur sehr genau, was er sagen wollte und tat das dann auch ganz präzise. Oft musste man minutenlange Sprechpausen einfach aushalten, bis die Antwort auf eine Frage kam. Er selbst empfand das dabei offenkundig nicht als ungewöhnlich.
Ferdinand Piëch sprach nicht ein Wort zu viel
Was er sagte, war oft scharf, manchmal gar eisig. Vorgetragen zwar mit einem eher freundlich klingenden, leicht österreichischen Akzent, aber stets hart in der Sache. Sätze wie gemeißelt, ohne ein Wort zu viel.
Interviews mit Ferdinand Piëch waren druckreif und es gab selten Fälle, in denen er sich korrigierte. Einer davon – Piëch war damals nach neun Jahren an der Volkswagen-Konzernspitze schon Vorsitzender des Aufsichtsrates, betraf einen seiner Nachfolger. Der sei "ein bisserl weich", hatte er gesagt. Man hätte meinen können, das sei ihm in einem Moment der Unachtsamkeit herausgerutscht. Aber der Nachfolger saß beim Interview daneben. Und auch wenn der Satz von ihm später gestrichen wurde, so bedeutete er doch das Karriereende des Managers. Er hielt sich nur noch wenige Monate im Amt.
Es hieß bei VW, Piëch wisse alles
Seinen Umgang mit untergebenen prägte vor allen Dingen Misstrauen: Piëch kontrollierte ihre Leistungen auch mal unangekündigt, installierte ehemalige Vorzeige-Polizisten als Sicherheitschefs, die interne Ermittlertruppen aufbauten. Es hieß im Konzern, Piëch wisse alles. Und wer etwas falsch mache und dabei erwischt werde, sei weg.
Als zuletzt bei Volkswagen von einer jahrzehntelangen Kultur der Angst gesprochen wurde, die den Diesel-Skandal erst ermöglicht habe, dachten viele an Ferdinand Piëch und seine Art, Entwickler an den Rand des Nervenzusammenbruchs zu führen, etwa, wenn er einen handgefertigten Motor-Prototypen so lange bei Vollgas quälte, bis er kaputt ging – einfach weil er wissen wollte, wann das passierte.
Er blieb bei allen Skandalen Zeuge
Trotzdem blieb er bei allen Katastrophen, die Volkswagen in seiner Zeit als Konzernchef und Aufsichtsratsvorsitzender erlebte, merkwürdig außen vor: Nie gab es eine belastbare Verbindung zu ihm, weder beim Rotlichtskandal, bei dem Betriebsräte und Manager auf Firmenkosten Bordelle besuchten, noch beim Diesel. Vorstände landeten im Knast, er selbst blieb in der Rolle des Zeugen, der in seinen Aussagen stets betonte, hintergangen worden zu sein. Und niemand widersprach.
Als Miteigentümer des Volkswagen-Konzerns war er einer der mächtigsten Auto-Magnaten. Doch er zerstritt sich mit seiner Familie, stieg ab 2015 aus dem Unternehmen aus und brach den Kontakt so nachhaltig ab, dass sich engste Verwandte noch am Montag vergeblich um die Bestätigung des Todes bemühten, von dem sie durch Journalistenanrufe gehört hatten.
Bedeutender Automann mit unvollendetem Werk
Mit Ferdinand Piëch geht einer der bedeutendsten Automänner der deutschen Geschichte. Ohne ihn würde der Volkswagen-Konzern in seiner heutigen Form nicht existieren. Und auch der Diesel hätte wohl nie einen solchen Siegeszug erlebt, wäre Piëch nicht so sehr vom TDI überzeugt gewesen. Allradantrieb, Aluminiumbauweise, Ein-Liter-Autos und Antriebe mit 1001 PS – all das setzte er durch.
Und trotzdem bleibt sein Werk merkwürdig unvollendet. Wegen all der Streitereien, aber auch wegen seiner starken Verbindung zum Verbrennungsmotor, der in Zeiten von E-Mobilität und Carsharing schon merkwürdig gestrig wirkt.