ARBEITSAMT-SKANDAL Gelbe Karte für Jagoda

Als Konsequenz aus Missständen bei der Arbeitsvermittlung wurden Behördenchef Jagoda Kompetenzen entzogen. Er dementierte aber Rücktrittsgerüchte.

Als Konsequenz aus Missständen bei der Arbeitsvermittlung hat der Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit (BfA) dem in die Kritik geratenen Behördenchef Bernhard Jagoda Kompetenzen entzogen. Die für die Aufklärung der Vorwürfe des Bundesrechnungshofes zuständige Innenrevision der Bundesanstalt wird nicht mehr allein Jagoda, sondern auch dem Vorstand berichten, sagte BfA-Vorstandschef Christoph Kannengießer nach einer Sondersitzung des Gremiums in Nürnberg. Zudem sollen die Kontrollen der Vermittlungen stark ausgeweitet werden. Politiker der FDP und der Union forderten den Rücktritt Jagodas und von Arbeitsminister Walter Riester.

Vorwürfe wahrscheinlich zutreffend

Der Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, Werner Tegtmeier, sagte in Nürnberg: »Wir haben deutliche Anhaltspunkte dafür, dass an den Vorwürfen mehr als eine Indikation als zutreffend bezeichnet werden muss.« Eine Arbeitsgruppe soll Vorschläge für eine Reform der Behörde machen.

Missstände länger bekannt

Der Bundesrechnungshof war bei einer Kontrolle von fünf Arbeitsämtern zu dem Ergebnis gekommen, dass diese nicht wie behauptet jeden zweiten, sondern nur jeden fünften Arbeitslosen vermittelt hatten. Der Behördenchef geriet außerdem in die Kritik , weil die BfA-Spitze nach Angaben von Arbeitsminister Riester über die Missstände länger informiert war - jedoch ohne zu handeln.

Jagoda bleibt noch

Der Vorstand der Bundesanstalt stellt sich trotz der Vorwürfe vor Jagoda, der einen Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen hat. »Ich habe nicht den Eindruck, dass Jagoda seine Verantwortung nicht wahrnimmt«, sagte Kannengießer, der als Geschäftsführer bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände derzeit Vorstandschef der BfA ist.

Mehrere Verantwortliche

Auch die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer betonte, dass mehrere Personen für die Missstände verantwortlich sind. Eine Rücktrittsforderung an Jagoda oder ein Rücktrittsangebot des BfA-Präsidenten gab es nicht. »Das ist überhaupt nicht zur Sprache gekommen. Man sollte das Kind auch nicht mit dem Bade ausschütten«, so Engelen-Kefer. Der Vorstand hat allerdings seine Verärgerung ausgedrückt »über den Mangel an Kommunikation« zwischen Jagoda und dem Vorstand.

Grundlegende Reform gefordert

Der je zu einem Drittel aus Vertretern von Arbeitgebern, Gewerkschaften und der öffentlichen Hand besetzte Vorstand der Behörde forderte eine rückhaltlose Aufklärung und sprach sich für eine Reform der Behörde aus. Künftig muss der Vorstand sofort aufgeklärt werden, sagte Kannengießer, der nach eigenen Worten erst vor drei Tagen von den Vorwürfen erfahren hatte. Fünf Prozent der monatlichen Vermittlungen der Landesarbeitsämter sollten künftig kontrolliert werden, beschloss der Vorstand weiter. Eine Arbeitsgruppe mit externen Experten soll Vorschläge machen, wie die Behörde reformiert und die Stellenvermittlung verbessert werden kann.

Jetzt kommen weitere Kontrollen

Im April will der Rechnungshof weitere 20 Arbeitsämter überprüfen. Die BfA hat ihre Revisionsabteilung ebenfalls mit Nachforschungen in zehn Arbeitsämtern beauftragt. Riester sagte am Mittwoch Nachmittag, dass das ARD-Fernsehmagazin 'Panorama' bereits im September 1998 auf umfangreiche Missstände bei der Arbeitsvermittlung hingewiesen hat. Die BfA hatte damals nicht im von ihm gewünschten Ausmaß auf die Vorwürfe reagiert. Ein Mitarbeiter der BfA befasst sich zudem unabhängig vom Rechnungshof mit der Frage der Zuverlässigkeit der Vermittlungsstatistik und hatte sich direkt an Riester gewandt. Jagoda lehnte bei der Vorlage der Arbeitslosenzahlen für Januar einen Rücktritt ab: »Ein Kapitän geht nicht, wenn Sturm ist, von der Brücke.«

Den Rücktritt von Jagoda und Riester forderte der FDP-Sozialexperte Otto Solms. »Als logische Konsequenz sollten Riester und Jagoda zurücktreten«, sagte er der 'Bild'-Zeitung. Den Rücktritt des Arbeitsministers verlangte auch der CSU-Sozialexperte Johannes Singhammer. »Riester kann sich nicht länger aus der Verantwortung stehlen«.

Mehr zum Thema