Atomausstieg Schützenhilfe aus Großbritannien

Die deutsche Atomindustrie wittert Morgenluft. Die Entscheidung Großbritanniens, die Kernenergie im eigenen Land massiv auszubauen, sei eine "Trendwende". Auch in Deutschland müsse umgedacht werden, fordert das Deutsche Atomforum.

Das Deutsche Atomforum hat die britische Entscheidung für den Ausbau der Kernenergie als "Trendwende" in der europäischen Energiepolitik bewertet. "Fakt ist, dass sich Deutschland in der Atomfrage immer stärker isoliert", sagte ein Sprecher der "Berliner Zeitung". In anderen Ländern werde erkannt, dass Klimaschutz nur mit Kernenergie gelinge. Der Spitzenverband der Atomindustrie erwartet aber nicht, "dass vor der Bundestagswahl 2009 der Atomausstieg revidiert wird".

Doch spätestens nach der Überprüfung der Klimaschutzmaßnahmen im Jahr 2010 werde deutlich sein, dass ohne Kernkraft die Ziele nicht erreicht würden, sagte der Sprecher weiter. "In der Bevölkerung gibt es einen Stimmungsumschwung. Vor einem Jahr lehnte eine Mehrheit den Ausstieg aus dem Ausstieg ab. Das ist nicht mehr so."

Großbritannien will im großen Stil neue Kernkraftwerke bauen. Noch vor 2020 soll das erste Atomkraftwerk der neuen Generation stehen, sagte Wirtschaftsminister John Hutton am Donnerstag. In Großbritannien laufen derzeit 19 Reaktoren, die aber alle bis 2035 abgeschaltet werden sollen, weil sie zu alt sind. Hutton betonte, dass Atomkraft nur ein Teil des Energie-Mix sei.

Eon und RWE in den Startlöchern

Die beiden Energiekonzerne Eon und RWE kündigten bereits an, sich am Bau neuer Atomkraftwerke zu beteiligen. In welcher Form dies geschehe, ob alleine oder mit Partnern, sei noch offen, hieß es.. Während den beiden Unternehmen nach dem Ausstiegsbeschluss in Deutschland die Stilllegung ihrer Reaktoren droht, haben sie bereits seit längerem den Bau von Atomkraftwerken im Ausland ins Visier genommen. Eon sei sehr interessiert, an den Projekten in Großbritannien mitzuwirken, sagte eine Sprecherin. Die britische Eon-Tochter hatte sich seit langem für den Bau neuer AKW auf der Insel starkgemacht. Eon hatte bereits Gespräche mit British Energy geführt, dem Betreiber der jetzigen Anlagen. Wegen des zu erwarteten Widerstand der Anwohner gilt als unwahrscheinlich, dass in Großbritannien Atomkraftwerke an neuen Standorten errichtet werden.

"Wir sprechen mit allen beteiligten Parteien", sagte eine Sprecherin von RWE in Essen. Hierzu gehöre neben Verbänden und Behörden auch British Energy. Nähere Angaben zum Stand der Gespräche machte die Sprecherin nicht. Großbritannien gehört sowohl für RWE als auch für Eon zu den Kernmärkten. Neue Kraftwerksprojekte sind daher per se für die Unternehmen interessant. "Neben Projekten im Bereich erneuerbarer Energie, Gaskraftwerken und modernen Kohlekraftwerken prüfen wir auch den Bau neuer Atomkraftwerke", betonte RWE.

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DPA/Reuters