Bahnpreise Tiefensee pfeift Mehdorn zurück

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee hat Bahnchef Hartmut Mehdorf aufgefordert, auf den umstrittenen Schalter-Zuschlag zu verzichten. Die zuvor vom Bahnchef angekündigten Ausnahmen bei der Service-Pauschale hält der Minister für nicht ausreichend.

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) verlangt von der Deutschen Bahn, auf den neuen Service-Zuschlag gänzlich zu verzichten. Die Ankündigung des bundeseigenen Konzerns, einen Teil der Fahrgäste von den 2,50 Euro Gebühr beim Fahrscheinkauf am Schalter auszunehmen, sei "noch nicht ausreichend und deshalb so nicht akzeptabel", sagte Tiefensee am Mittwoch in Berlin laut einer Ministeriumsmitteilung.

Für die Bahn als "bürgerorientierte Einrichtung" sei es falsch, die Beratung vor allem älterer Menschen am Schalter zu erschweren. Diese Kritik habe er, Tiefensee, auch in mehreren Gesprächen mit Bahnchef Hartmut Mehdorn deutlich gemacht.

Nach massiven Protesten der Bahn-Kunden hatte der Konzern zuvor angekündigt, weitere Kundengruppen von der Gebühr zu befreien. Bahnchef Hartmut Mehdorn erklärte, wer eine Senioren-Bahncard mit 50 Prozent Rabatt besitze, brauche den Zuschlag künftig nicht zu zahlen. Vorgesehen sei eine solche Ausnahme auch für eine neue Senioren-Bahncard mit 25 Prozent Ermäßigung, deren Konditionen aber noch festgelegt werden müssen.

Verschont bleiben sollen zudem Menschen mit einem Behinderungsgrad ab 50 Prozent. Bisher war dies erst von 70 Prozent an vorgesehen. Eingeführt wird der sogenannte Bedienzuschlag, der beim Kauf von Fahrscheinen für ICE und Intercity kassiert wird, am 14. Dezember.

Mehdorn hatte den Zuschlag grundsätzlich als unvermeidlich verteidigt, um den Schalterdienst in den Reisezentren auf dem jetzigen Niveau aufrechtzuerhalten. Viele ältere Menschen seien durchaus in der Lage, ihre Fahrscheine ohne Zuschlag im Internet zu erwerben oder an den neuen Automaten, die leichter zu bedienen seien als früher. "Ich glaube, wir grenzen da niemanden aus", so der Bahn-Chef. Auch Kunden, die Tickets wollen, die es ohnehin nicht am Automaten gibt, wie Monatskarten, müssten keinen Bedienzuschlag zahlen, ergänzte Personenverkehrsvorstand Karl-Friedrich Rausch. Verkehrs- und Fahrgastverbände sowie Politiker hatten den Zuschlag als kundenfeindlich kritisiert und seine Rücknahme gefordert.

Darüber hinaus kündigte Mehdorn an, trotz der turbulenten Finanzmärkte am Termin für den Börsengang der Bahn im Herbst festhalten. Nach Gesprächen mit potenziellen Investoren habe er nicht den Eindruck, dass eine Verschiebung der Erstnotiz nötig werde, sagte Mehdorn. Wegen der Immobilienkrise sei nicht weniger Geld am Markt, die Anleger prüften ihre Investments lediglich genauer. Bisher wird am 27. Oktober die Erstnotiz erwartet, einen offiziellen Termin gibt es aber noch nicht. Das Unternehmen registriert weltweites Interesse von institutionellen und privaten Anlegern.

Der Verkauf von knapp 25 Prozent der Verkehrssparte des letzten großen Staatskonzerns könnte Schätzungen zufolge fünf bis sechs Milliarden Euro bringen. Dies wäre der größte Börsenstart in Deutschland seit 2000.

Zum Fahrplanwechsel erhöht die Bahn auch ihre Preise um durchschnittlich 3,9 Prozent. Zur Begründung wurden stark gestiegene Kosten für Energie und Personal genannt. Die Bahn hatte im ersten Halbjahr einen Rekordgewinn eingefahren. Das Betriebsergebnis (Ebit) stieg vor Sondereffekten um 6,8 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro.

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