Wenn der Gasversorger die Preise erhöht, fühlen sich wahrscheinlich die meisten Kunden spontan ungerecht behandelt. Schon wieder? Muss das sein? Und die mitgelieferte Begründung kann man meist auch nicht nachvollziehen. Eine höchstrichterliche Entscheidung könnte nun tatsächlich bestätigen, dass viele Erhöhungen der letzten Jahre nicht rechtmäßig waren.
Denn eine Sammelklage der Verbraucherzentrale NRW gegen den Energiekonzern RWE hat es bis vor den Europäischen Gerichtshof geschafft. In Luxemburg entscheiden die Richter am Donnerstag, ob die Preisanpassungsklauseln in deutschen Gasverträgen gegen europäisches Recht verstoßen. Die Verbraucherschützer halten die Klauseln in hunderttausenden Verträgen für zu intransparent und damit unwirksam - und fordern daher Geld zurück. Bereits seit 2006 treiben sie eine exemplarische Sammelklage durch die Instanzen, vor dem Oberlandesgericht Hamm waren sie bereits erfolgreich. Nun liegt der Fall beim Bundesgerichtshof, der den EuGH um grundsätzliche Klärung bat.
Die Generalanwältin des EuGH hat sich in ihrem Schlussantrag weitgehend auf die Seite der Kläger gestellt. Beobachter erwarten daher, dass die Richter der Argumentation der Generalanwältin folgen. RWE wollte sich zu den möglichen Folgen vorab nicht äußern, doch klar ist, dass es für die gesamte Branche richtig teuer werden könnte. "Als vorsichtige Kaufleute haben wir für solche Verfahren Rückstellungen gebildet, die Höhe kommentieren wir aber nicht", sagte eine RWE-Sprecherin auf Anfrage von stern.de. Der Spiegel hatte berichtet, RWE habe für mögliche Rückzahlungen Millionen zurückgelegt.
Wer könnte alles Geld zurückfordern?
Das Verfahren bezieht sich auf Verträge von sogenannten Sonderkunden. Das sind alle, die nicht in der Grundversorgung des lokalen Stammanbieters sind, weil sie in der Vergangenheit den Tarif oder gleich den Anbieter gewechselt haben. Allein RWE hat nach eigenen Angaben 125.000 Sonderkunden.
Die Verbraucherzentrale geht davon aus, dass das Grundsatzurteil auch auf andere Versorger übertragbar ist. E.on Hanse hat in einem parallelen Verfahren vor dem Oberlandesgericht Hamburg bereits eine ähnliche Sammelklage verloren. Der Fall liegt seit vergangener Woche ebenfalls beim Bundesgerichtshof.
Um wie viel Geld geht es?
In der NRW-Klage fordern 25 Verbraucher 16.000 Euro aus den Jahren 2003 bis 2006 zurück. Das sind durchschnittlich 640 Euro pro Person. Ist die Musterklage erfolgreich, könnten auch andere Kunden für Preiserhöhungen, die bis zu drei Jahre zurückreichen, auf Rückzahlungen hoffen. Insgesamt geht es somit um Millionenbeträge.
Was sollten Kunden tun?
Wer sich unsicher ist, sollte zunächst prüfen, ob er Sonderkunde ist oder nicht. Indizien hierfür sind Bezeichnungen wie "Sondervertrag", "Sondertarif" oder "Sonderpreise". Die Verbraucherzentrale NRW empfiehlt, die Preisänderungsklauseln von einem Experten prüfen zu lassen. Gibt es in dem Vertrag gar keine Preisanpassungsklausel, fehle auch die Rechtsgrundlage für eine Preiserhöhung.
Die Verbraucherzentrale empfiehlt, "gegen jede Jahresrechnung und jede angekündigte Preiserhöhung Widerspruch einzulegen". Ansonsten wird es schwieriger, später Geld zurück zu bekommen. Verschiedene Musterbriefe gibt es hier. Ob Kunden auch Geld zurückfordern können, wenn sie nicht widersprochen haben und in welchem Umfang, wird das EuGH aber noch nicht entscheiden. Mit solchen Fragen müssen sich dann wiederum deutsche Gerichte beschäftigen.