Die Bombe platzte um 8.53 Uhr. "Eichel, Weber diskutierten mögliches Scheitern der europäischen Währungsunion", lautete eine Eilmeldung der Finanzagentur Bloomberg, die am Mittwoch vergangener Woche Tausende Handelssäle elektrisierte. Die Agenturmeldung basierte auf der vorab verbreiteten Titelgeschichte des aktuellen stern (Nr. 23: Haben wir uns am Euro verschluckt?). Sofort gingen die Devisenhändler "short", das heißt, sie verkauften Euro, der Kurs sackte um einen viertel Cent auf 1,2309 Dollar ab. Es begann eine Kaskade von Gerüchten, Dementis und Kursverlusten. Analysten beobachteten "eine regelrechte Ausverkaufsstimmung".
Am Mittag stoppte der Kursverfall. Bundesbankpräsident Axel Weber ließ erklären, dass er ein Scheitern der Währungsunion ausschließe. Die Devisenhändler glaubten dem Währungshüter. Als dann am Abend das "Nee" der Niederländer zur EU-Verfassung bekannt wurde, wuchsen erneut die Zweifel: Der Euro fiel auf 1,2160 Dollar - den tiefsten Stand seit acht Monaten.
"So viel Aufregung hat schon lange kein Magazinbericht mehr ausgelöst", schrieb am Tag danach der "Münchner Merkur". In Italien hob der "Libero" gleich das Cover des stern auf die erste Seite ("Ein weiterer Stoß gegen den Euro"), der "Daily Telegraph" titelte "Der Euro fällt, nachdem ein Magazin Berlins geheime Zweifel enthüllt", und "Le Monde" aus Paris brachte die Schlagzeile: "Streit in Deutschland über ein mögliches Auseinanderbrechen der Euro-Zone".
Dabei klangen die Dementis zunächst hart. Die Sprecher von Finanzministerium und Bundesbank verkündeten: "Absurd!" Aber trotz allen Getöses blieben die Fakten des stern-Berichtes unbestritten: In internen Vermerken hatten Ministeriumsexperten von einer "zunehmenden Besorgnis" über die auseinanderdriftenden Inflations- und Wachstumsraten in Europa sowie die "Gefahr einer Anpassungskrise" geschrieben. In einer vertraulichen Ökonomenrunde mit Minister Eichel und Bundesbankchef Weber war die Gefahr eines Auseinanderbrechens der Währungsunion zur Sprache gekommen. Dort hatten sie das keineswegs als absurd abgekanzelt. Die Analyse, der Euro wirke wie eine Wachstumsbremse, wurde aus Reihen der Regierung sogar offiziell bestätigt. Deutschland zahle für die Währungsunion "einen nicht eben geringen realwirtschaftlichen Preis zum Beispiel durch den Verlust der Vorteile relativ niedriger Realzinsen", sagte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement. Das Argument wurde auch von den Ökonomen anerkannt, die sich in der neuen Euro-Debatte zu Wort meldeten. Nur über seine Bedeutung streitet die Zunft seit vergangener Woche heftig. "Unter dem Strich ist der Euro eine eindeutige Erfolgsgeschichte", sagte etwa der Chef des Hamburgischen Weltwirtschafts-Instituts, Thomas Straubhaar.
Dünnhäutig reagierte der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet. In der Pressekonferenz nach der EZB-Sitzung am Donnerstag vergangener Woche weigerte er sich, Fragen zu dem Thema zu beantworten: "Es ist vollkommen absurd, und ich werde dazu nichts mehr sagen." Schon tags darauf wurde Trichet von der Realität eingeholt. Am Freitag stellte erstmals der Minister eines Euro-Landes die gemeinsame Währung infrage: "Eine Wiedereinführung der Lira wäre keine absurde Idee", sagte der italienische Arbeits- und Sozialminister Roberto Maroni.
Immer mehr Experten widersprachen gleichfalls den offiziellen Euro-Schwüren. "Es ist durchaus möglich, dass manche Mitgliedsländer aus nationalem Interesse eines Tages austreten", sagte Paul de Grauwe, Professor an der Uni Leuven und Wirtschaftsberater von EU-Kommissionschef José Manuel Barroso. Währungstrategen von Banken bezifferten die Wahrscheinlichkeit eines Euro-Scheiterns plötzlich mit 20 bis 25 Prozent. "Bisher war ein Zerbrechen der Währungsunion ausgeschlossen", urteilte Anthony Thomas von der Investmentbank Dresdner Kleinwort Wasserstein, "jetzt kann man das so nicht mehr sagen."