Seit dem Neujahrsmorgen liefert der russische Energiemonopolist Gasprom deutlich weniger Erdgas nach Westeuropa. Laut des Unternehmenssprechers Sergej Kuprianow bestehe die Gefahr, dass auch die Kunden in der Europäischen Union in Mitleidenschaft gezogen werden.
"Sie (die ukrainische Führung) stiehlt das Gas bei den europäischen Verbrauchern", so der Gasprom-Sprecher. "Von Anfang an waren sie darauf aus, ab dem 1. Januar illegal Gas abzuzapfen oder genauer gesagt zu stehlen", so Kuprijanow. Dafür gebe es Beweise. Der ukrainische Regierungschef Juri Jechanurow hat dem Diebstahl-Vorwurf widersprochen.
Wenn russisches Gas auf dem Weg zu den Kunden in der Europäischen Union verloren gehe, trage allein die Ukraine die Verantwortung, hieß es aus dem Außenministerium in Moskau.
In Ungarn sind bereits 25 Prozent weniger russisches Erdgas eingetroffen als vertraglich zugesichert. Dies bestätigte ein Sprecher des ungarischen Mineralölunternehmens MOL dem ungarischen Rundfunk. In Österreich seien 18 Prozent weniger russisches Gas angeliefert worden, sagte eine Sprecherin des österreichischen Energieversorgers OMV der Nachrichtenagentur APA. In Polen kam nach Angaben der Behörden 14 Prozent weniger Gas an.
Die deutschen Gasversorger gehen indes nicht davon aus, dass die Gaspreise wegen des Streits zwischen Russland und der Ukraine ansteigen. "Wir sehen keinen Preissprung wegen möglicher Lieferengpässe, weil die Verträge der deutschen Gasimporteure langfristig angelegt sind", sagte Wolf Pluge, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Gas- und Wasserwirtschaft (BGW), der "Bild"-Zeitung.
Zu dem Konflikt ist es gekommen, weil Gasprom den bisherigen Gaspreis für die Ukraine um fast das Fünffache auf international übliche 230 Dollar erhöhen will. Da Kiew bislang maximal 80 Dollar zu zahlen bereit ist, hat Gasprom nach Auslaufen des Altvertrages am Neujahrsmorgen die Gaslieferungen an die Ukraine gestoppt.
Die Ukraine will in dem Streit europäische Experten zu Rate ziehen. "Wir werden unabhängige Fachleute einladen, die sich in den Konflikt einmischen könnten und uns ihre Einschätzung mitteilen", sagte Regierungschef Jechanurow. Der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko bezeichnete den Preis von 230 Dollar je 1000 Kubikmeter als "inakzeptabel".
Die Ukraine will bis zum Abschluss eines neuen Liefervertrages mit eigenen Vorkommen sowie mit Exporten aus Turkmenien über die Runden kommen. Dagegen teilte Gasprom mit, sämtliche turkmenischen Exporte würden ab sofort von Gasprom verwaltet.
Die US-Regierung hat die Einstellung russischer Erdgaslieferungen an die Ukraine bedauert. Der "plötzliche Schritt schafft Unsicherheit im Energiesektor der Region", sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Sean McCormick, in Washington. Es stelle sich zudem die Frage, ob mit Hilfe der Energieversorgung missbräuchlich politischer Druck ausgeübt werden soll. Die USA setzen sich weiter für eine Einigung zwischen Moskau und Kiew ein.