Energieversorgung Chemiebranche fordert: Privathaushalte sollen zuerst auf Gas verzichten

Christian Kullmann (Archivbild) ist Präsident des Chemieindustrieverbands VCI
Christian Kullmann (Archivbild) ist Präsident des Chemieindustrieverbands VCI
© David Young / DPA
Der Notfallplan Gas sieht vor, dass in Deutschland Privathaushalte nach der Industrie auf Gas verzichten müssen. Nun stellt ein Vertreter der Chemienbranche diese Reihenfolge infrage.

Die chemische Industrie stellt den Vorrang privater Haushalte bei der Zuteilung von Gas im Notfall infrage. Die Sicherung der Arbeitsplätze und damit das Einkommen sei für die Familien sehr wichtig und "steht für die Gesellschaft höher als die vollständige Sicherstellung der privaten Gasversorgung", sagte der Präsident des Chemieindustrieverbands VCI, Christian Kullmann, der "Süddeutschen Zeitung". "Was nützt es, wenn die Haushalte zwar weiter Gas bekämen, es aber nicht mehr bezahlen könnten?"

Die Bundesregierung hat wegen des Ukraine-Kriegs den Notfallplan Gas aktiviert und mittlerweile die Alarmstufe ausgerufen. Im Fall einer Mangellage entscheidet sie darüber, wer noch wie viel Gas bekommt. Privathaushalte sind dabei besonders geschützt. Immer wieder kommen aus der Wirtschaft Forderungen, die Priorisierung zu ändern.

Chemieindustrie warnt vor Wirtschaftskrise

Kullmann, Chef des Verbandes der chemischen Industrie (VCI), warnte in der "Süddeutschen" vor einer tiefen Wirtschaftskrise: "Für den Fall eines vollständigen Gasembargos befürchte ich den Herzinfarkt der deutschen Wirtschaft, auch unserer Branche." Ohne Chemie stehe Deutschland still, denn chemische Produkte würden für 90 Prozent aller Produktionsprozesse benötigt. Die Folgen für die Beschäftigten wären gravierend, es drohe "eine schlimme Krise, auch gesellschaftlich und sozial".

Ausdrücklich lobte der VCI-Chef das Krisenmanagement von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). "Robert Habeck ist ein guter Wirtschaftsminister, ich bin beeindruckt", sagte Kullmann der Zeitung. Er sei "kein Schwadroneur und Ankündigungsweltmeister".

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Kullmann fordert regenerative Energien

Scharfe Kritik übt Kullmann dagegen an Bayerns Ministerpräident Markus Söder (CSU). Es reiche nicht, nur Bäume zu umarmen, Bayern müsse auch Windräder bauen. Kullmann sagte zur Energiewende: "Wir müssen jetzt schnell Einspruchsrechte von Bürgern gegen solche Projekte mit der Axt einkürzen. Sonst wird es uns nicht gelingen, die regenerativen Energien wie geplant schnell auszubauen."

AFP
tkr