Vor der Wirtschaftsstrafkammer in Hildesheim begann Anfang Dezember ein Prozess, der den Stoff für eine Kriminalsatire der Extraklasse hergab. Angeklagt war die komplette Geschäftsführung des Geldtransport-konzerns "Heros" aus Hannover - vier Herren mittleren bis fortgeschrittenen Alters.
Was diese vier Geldtransportmanager geschafft haben, macht ihnen so schnell keiner nach: Im Laufe des 28-jährigen Bestehens des Heros-Konzerns haben sie aus den Geldsäcken und Kisten, die sie für Einzelhändler und Banken in ihren gepanzerten Autos transportierten, laut der Branchenzeitschrift "CD Sicherheits-Management" rund 540 Millionen Euro abgezweigt, ohne dass es irgendeiner gemerkt hat - weder die Pfennigfuchser von Aldi (rund 22 Millionen Euro Schaden) noch die Deutsche Bank (26 Millionen), nicht die Citibank (24 Millionen), nicht McDonald's (rund 6 Millionen), weder die Parfümeriekette Douglas (rund 10 Millionen) noch Tchibo (1,6 Mio.), nicht die Metro (2 Mio.), nicht Auto Teile Unger (1,7 Mio.). Und so weiter.
Rewe erwischte es am schlimmsten
Am schlimmsten hat es den Rewe-Konzern erwischt: 166 Millionen, ein Drittel des Jahresertrages. 500 Arbeitsplätze standen deswegen zur Diskussion.
Als das Quartett am 17. Februar dieses Jahres festgenommen wurde, beeilte sich die Deutsche Bundesbank zu versichern, die Bargeldversorgung in Deutschland, für die sie verantwortlich ist, sei nicht gefährdet. Zu dieser Versicherung hatte sie allen Grund: Der Heros-Konzern, ursprünglich eine kleine Bewachungsklitsche, beherrschte mittlerweile 50 Prozent des deutschen Geldtransportwesens, bewegte mit seinen 1500 gepanzerten Transportern und 4600 Mitarbeitern täglich 600 Millionen Euro. Die fielen von einem Tag auf den anderen aus. In den Läden von Rewe, Douglas und vielen anderen quollen plötzlich die Geldschränke über. Dringend benötigtes Wechselgeld für die Ladenkassen, bisher von Heros geliefert, kam nicht mehr. Geldautomaten, deren Versorgung Banken an Heros ausgelagert hatten, wurden nicht mehr befüllt. Andere Geldtransporteure, die kurzfristig hätten einspringen können, gab es nur noch wenige. Denn die Firma Heros hatte in den 28 Jahren ihres Bestehens einen um den anderen Konkurrenten aufgekauft.
Aus Heros wurde "securlog"
Landauf, landab herrschte Chaos an der Bargeldfront. Nur weil der Heros-Chef Karl-Heinz Weis, 58 Jahre alt, aus der Untersuchungshaft heraus Insolvenz für seine Firma beantragte, konnte der vom Kollaps bedrohte Bargeldkreislauf stabilisiert werden: Der Insolvenzverwalter Manuel Sack aus Hannover brachte den Heros-Laden fürs Erste wieder ans Laufen. Inzwischen ist Heros an einen amerikanischen Investor verkauft und arbeitet unter dem Namen "securlog" mit reduziertem Personalbestand weiter.
Wie die vier Heros-Manager, ursprünglich simple Geldkutscher, gearbeitet und ihre Auftraggeber geleimt haben, weiß man inzwischen:
Unternehmern und Managern ist das Zählen und Sortieren ihres vielen Bargeldes im Laufe der Jahre zu teuer geworden, daher lassen sie es von Geldtransportfirmen zählen. Das durfte auch der Volksschulabsolvent Karl-Heinz Weis, der ursprünglich mal als Wachmann mit dem Gummiknüppel in der Hand Atomtransporte nach Gorleben bewacht hat. Dabei schlug er sich dermaßen wacker, dass die Hamburger Vereins- und Westbank ihm 1985 ihre Geldtransporte anvertraute. Weil die Bank aber, so Weis, die vereinbarten Zahlungstermine nicht eingehalten habe und sein Unternehmen deshalb klamm gewesen sei, habe er Löhne und Mieten mit dem Geld bezahlt, das eigentlich der Bank gehörte. Das habe er, als die Bank endlich zahlte, wieder "zurückgeführt". So fing alles an.
Lieblinsausrede Computerpanne
Weis war tüchtig. Und zuverlässig. Und deutlich billiger als die Konkurrenz. Das sprach sich herum. Neue Kunden kamen. Neue Panzerwagen mussten geleast, neue Mitarbeiter eingestellt werden. Nur: Bei seinen Tiefstpreisen reichten die Einnahmen nicht, um die Kosten zu decken.
Anstatt das abends beim Kunden abgeholte Geld in der Nacht zu zählen und es morgens auf dessen Konto einzuzahlen, vergingen auch schon mal zwei Nächte. Oder drei. Mit dem zu lange einbehaltenen Geld stopfte Weis Löcher. Ausreden für die Verspätungen: Autopannen, zu großer Arbeitsanfall. Oder Computerprobleme - speziell dafür hatte jeder Kunde Verständnis.
Wurde ein Auftraggeber trotzdem ungeduldig, bekam er sein Geld am nächsten Morgen - es war das abends zuvor bei einem anderen Kunden abgeholte. Aus den Verspätungen wurde ein ständig wachsender - heimlicher - Dauerkredit. "Schneeballsystem" nennt man das.
Schneeballsysteme - aus der Not
Weis' Ansehen wuchs und wuchs. Seine Firma wuchs und wuchs. Sein Fahrzeugpark wuchs und wuchs. Sein Personal wuchs und wuchs. Die Zahl seiner Zweigstellen wuchs und wuchs. Dummerweise wuchs aber auch sein "Dauerkredit". Und damit der Zwang, ständig neue Kunden zu gewinnen, um an frisches Geld zu kommen.
Je engmaschiger Weis' Filialnetz, desto interessanter wurde Heros für rationalisierungswütige Handelsketten und Banken. Warum sich mit zig kleinen Geldtransporteuren herumplagen statt mit einem einzigen großen?
Kleine Transporteure konnten weder bei den Preisen noch bei der Logistik mithalten. Ihre Zahl schrumpfte von 200 auf heute 100. "Marktbereinigung" nennt man das. Viele gaben auf. Viele gingen pleite. Einige landeten gar im Gefängnis: In ihrer Not hatten sie ein ähnliches, nur nicht so gigantisches Schneeballsystem aufgezogen wie Heros: etwa die Firma Krutina aus Regensburg (6,5 Millionen veruntreut), Griffs aus Lüdenscheid (9 Millionen), GWS aus Nordhorn (2 Millionen) oder Arnolds aus Essen (18,5 Millionen).
Die Schulden sah niemand
Branchen-Stern Heros dagegen zog unaufhaltsam seine Bahn. Mit einem immer längeren Schweif von Schulden. Aber den sah keiner.
Schon 1991, vor 15 Jahren also, fehlte so viel Geld, dass es mit verspäteten Einzahlungen der Kundengelder nicht mehr getan war. Weis wies den Leiter seiner Zählzentrale "Nordcash" in Hamburg an, systematisch Geld zu veruntreuen, weil Heros pleite war.
Das ließ sich Reimer Weingertner, der zweite Angeklagte, nicht zweimal sagen. Der Ex-Geldfahrer, 57 Jahre alt, ein notorischer Glücksspieler, wurde vom Bock zum Gärtner. Er verbrachte seine Freizeit in Spielcasinos. Allein dem Casino Hohensyburg in Dortmund stattete er 439 Besuche ab, spielte oft an vier Roulette-Tischen gleichzeitig. Das Geld zum Kauf der Jetons, erst 500- und 1000-D-Mark-Scheine, später 500-Euro-Scheine, habe er stets in der Jackentasche gehabt, berichtet ein Casino-Mitarbeiter. Der Geldkutscher erhielt sogar eine VIP-Karte. Auch im Casino des Hamburger Interconti-Hotels war er ein gern gesehener Gast. Im Casino Seevetal bei Hamburg wurde er 108-mal registriert.
Täglich ins Spielcasino
Für Heros fügte es sich glücklich, dass sich auch der in Köln ansässige Rewe-Konzern im bundesweiten Heros-Netz verfing. Chef Weis eröffnete eigens wegen Rewe eine weitere Filiale in Viersen bei Köln. Zu deren Chef machte er den Geldkutscher Manfred Diel, 55, ebenfalls ein Zocker. Auch er musste Bargeld der Kunden entnehmen, um damit Löhne und sonstige Kosten des Konzerns zu bezahlen.
Dabei langte Diel auch privat kräftig hin. Acht bis zehn Millionen, so genau wisse er das nicht, habe er veruntreut, gestand er bei seiner Festnahme. Wahrscheinlich war es mehr. Anfangs begleitete er seinen Kollegen Weingertner täglich ins Spielcasino. Dann wuchs ihm "die Arbeit über den Kopf". Um Zeit zu sparen, spielte er lieber zweimal pro Woche online bei der westdeutschen Lottogesellschaft - für jeweils 4500 Euro. Damit hat Diel bei jeder Lottoziehung annähernd so viel Geld verzockt, wie der Ankläger, Oberstaatsanwalt Andreas Henze, 42, im Monat verdient.
Roberto Blanco in Frechen
Privat baute Diel ein Vier-Sterne-Hotel im bulgarischen Skiort Bansko. Der dortigen Polizei schenkte er zwei Streifenwagen, beteiligte sich an etlichen Firmen und sponserte Popkonzerte. Spendabel zeigte er sich auch daheim in Frechen bei Köln. Zum "Tanz in den Mai" ließ er Roberto Blanco für 20.000 Euro unter anderem den Hit "Ein bisschen Spaß muss sein" singen. Zu seinem Geburtstag spielte Chris Andrews auf. Die Einzahlungen der bei Rewe eingesammelten Gelder zögerten sich immer weiter hinaus.
Stutzig wurde dort aber niemand. Dafür sorgte "Papi", 59, der für die Kontrolle von Heros verantwortlich war. Papi stand stets ein von Heros gestellter Geländewagen zur Verfügung. Wenn er privat Geld benötigte, hieß es bei Heros: "Papi braucht wieder Geld." Und er bekam es. Im Laufe der Zeit laut Diel eine Million Euro.
Heros über Securitas-Kunden
Natürlich merkten Papis Vorgesetzte bei Rewe, dass die Gelder immer später kamen. Das störte sie aber nicht. Heros zahlte für die Verspätungen Verzugszinsen, allein im vergangenen Jahr vier Millionen. Die wurden gern genommen. Und die Ausrede, man habe ständig Probleme, weil durch das permanente Wachstum permanent Softwareprobleme entstünden, wurde verständnisvoll akzeptiert.
Durch das Wachstum verfingen sich auch Unternehmen im Heros-Netz, die ganz andere Geldtransporteure hatten, etwa den schwedischen Weltkonzern "Securitas". Der fuhr für die Deutsche Bank und die Mittelbrandenburgische Sparkasse. Weil Securitas aber gegen die Dumpingpreise von Heros nicht ankam, verkaufte sie ihre Deutschland-Sparte für lächerliche drei Millionen Euro - an Heros. Im Preis enthalten war auch der Kundenbestand, also die Deutsche Bank und die Mittelbrandenburgische Sparkasse.
Commerzbank verlor 19 Millionen Euro
Kaum hatte Heros diesen Konkurrenten im Sack, ließ Weis die übernommene Belegschaft derart schikanieren (Abschaffung von Betriebsräten, untertarifliche Bezahlung), dass die Securitas-Leute streikten. Folge: Bei der Mittelbrandenburgischen Sparkasse wurden die Geldautomaten nicht mehr befüllt. Folge davon: Heros musste sofort einspringen. Nun fehlen der Sparkasse drei Millionen Euro.
Vor Heros waren nicht einmal Geschäftsleute sicher, die ihr Geld lieber selbst zur Bank brachten. Im Falle der Commerzbank funktionierte das so: Der Bankkunde packt sein abgezähltes Geld in einen "Safebag". Den steckt er in den Einzahlungsautomaten, tippt die Geldsumme ein und bekommt sie sofort gutgeschrieben. Doch dann kam Heros, entleerte die Automaten, zählte das eingelieferte Geld, und - schwups - war es im Schneeballsystem verschwunden. Dafür muss allerdings nun die Commerzbank bluten, die insgesamt 19 Millionen Euro verlor.
Schnelles Geld vom Motorradkurier
Um die immer größer werdenden Löcher schnell zu stopfen, entwickelte Heros ein bundesweites Kuriersystem der besonderen Art. Zwar holten gepanzerte Fahrzeuge mit jeweils zwei Pistolenmännern das Geld bei den Kunden ab und machten dabei einen enorm sicheren Eindruck. Doch noch während der Touren luden sie ihre Millionen um in die Satteltaschen von schnellen Motorradkurieren. Die brausten dann bei Tag und Nacht, bei jedem Wind und Wetter dorthin, wo dringend Geld gebraucht wurde. Von Karlsruhe nach Hamburg, von Viersen nach Kiel, kreuz und quer durch Deutschland.
Die Einsatzleiter für die rasenden Kuriere saßen in der Konzernzentrale in Hannover: Ober-Heros Karl-Heinz Weis und seine rechte Hand, der ehemalige Bauhelfer und jetzige "Top-Manager" Bernd Köller, 43. Köller ist der vierte Mann des Quartetts. Beide hatten eine genaue Liste von denjenigen Kunden, die schnellstens beliefert werden mussten, und eine Liste von denen, die dank der Verzugszinsen geduldiger waren. Weis und Köller wussten natürlich auch, wo wann wie viel Geld eingefahren wurde. Per Handy und Faxgerät dirigierten sie ihre Flotte, unterstützt von Sekretärinnen.
Mitarbeiter bekamen Schweigegeld
Viele bei Heros wussten, wie und warum der Hase so lief, wie er lief. Mitarbeiterinnen in Viersen etwa eilten regelmäßig ans Fenster der Damentoilette, um von dort aus zu beobachten, wie ihr Chef Diel im Auto auf dem Parkplatz braune Umschläge mit Hunderttausenden Euro an Kuriere übergab. Das Geld hatte er sich zuvor selbst aus dem Zählraum geholt oder es in sein Büro bringen lassen. Damit die Abrechnungen trotzdem stimmten, hatte er zur Vertuschung der Geldentnahmen ein spezielles PC-Programm entwickelt.
Eine Viersener Mitarbeiterin, die dabei erwischt worden war, wie sie mit einem dicken Geldpaket unterm Pulli aus der Firma ging und deshalb rausflog, erpresste ihre Chefs daraufhin um eine Million Euro. Eine zweite musste nach ihrer Kündigung nur einen Drohbrief schreiben, und schon wurden ihr auf Parkplätzen 90.000 Euro Schweigegeld in Raten gezahlt. In der Filiale Gelsenkirchen stieß eine Geldzählerin beim Abtauen des Gefrierfaches im Kühlschrank auf tiefgefrorene Geldbündel im Wert von mehreren hunderttausend Euro.
Die Branche arbeitet zu Dumping-Preisen
Chef Weis hatte zeitweise gehofft, irgendwann Monopolist im Geldtransport zu werden und dann die Preise derart anzuheben, dass das Geldloch wieder schrumpfte. Doch das war angesichts des Schuldengebirges eine absurde Hoffnung. Denn Heros verlangte von seinen Kunden pro Geldsammel-Stopp eines Transporters mit Fahrer und Beifahrer sechs Euro. Das Vierfache wäre aber nötig gewesen, um zumindest die Kosten zu decken. Das hat die "Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste" ausgerechnet.
Auch deren Mitglieder verlangen seit Jahren nur 60 Prozent dessen, was sie tatsächlich bräuchten. Branchenkenner sind deshalb überzeugt, dass auch viele andere Geldkutscher Kundengelder veruntreuen und nur noch nicht erwischt worden sind. Wirksame Kontrollen gibt es nicht, etwa die Pflicht zur Vorlage testierter Bilanzen. Und Auftraggeber, deren kostenbewusste Cashmanager sich angesichts der Niedrigstpreise fragen, wie sich so etwas rechnet, gibt es offenbar auch nicht. Geiz ist geil.
Weis und die "Fuck you all Solutions"
Irgendwann muss es Karl-Heinz Weis aber gedämmert haben, dass er aus seinem Schuldenloch nie wieder rauskommt. Deshalb, so vermuten die Ermittler, gründete er in Bratislava die Firma "FYA Solution". "FYA" steht firmenintern als Abkürzung für "Fuck you all". Über diese Firma kaufte er alles, was für die Umrüstung eines normalen Transporters zu einem Panzerwagen nötig ist, und verkaufte es dann zum doppelten Preis an die Ausrüsterfirma weiter. Die so extrem verteuerten Panzerautos leaste er dann bei der Leasingfirma Maske in Hamburg zurück. Gesellschafter der FYA sind Weis' Ehefrau Ingrid und seine rechte Hand Bernd Köller.
Wohin die Millionen aus diesem Geschäft geflossen sind, danach sucht zur- zeit der Hannoveraner Staatsanwalt Frank Weissenborn samt 16 Kriminalbeamten. Ferner sucht danach der Insolvenzverwalter Manuel Sack von der deutschlandweit agierenden Sozietät Binkmann & Partner mit Dutzenden von Mitarbeitern. Nach weiteren rund 100 Millionen suchen sie unter anderem in Bulgarien, Österreich, der Schweiz, in den Beneluxstaaten, in Frankreich, der Slowakei und in Spanien.
Erst Málaga, dann der Knast
Kommen wir zum bitteren Ende. 2005 bekam das bis dahin funktionierende Schneeballsystem erste Nachschubprobleme. Vor allem durch den Ausstieg des Aldi-Konkurrenten Lidl. Dort war man offenbar nicht auf Strafzinsen angewiesen, hatte die Faxen mit den verspäteten Einzahlungen dicke und kündigte fristlos. Eine wichtige Geldader war nun auf einen Schlag verödet. Die Kuriere rasten nun immer rasanter von Loch zu Loch und kamen immer öfter erst an, wenn weiteren Kunden der Kragen geplatzt war. Mit jedem Verlust wuchsen die Lücken.
Das Ende nahte. Trotzdem machte Karl-Heinz Weis, offenbar ein Mann mit eisernen Nerven (oder mit der Gewissheit, Millionen sicher gebunkert zu haben?), über Weihnachten und Neujahr Urlaub in Málaga.
Am 15. Februar entschlossen sich Weis, Köller und Weingertner zur Aufgabe. Vorher aber wollten sie mit 50 Millionen Euro, mit denen sie eigentlich am nächsten Tag Bankautomaten auffüllen sollten, die kleinen unter ihren Kunden auszahlen. Hintergedanke: Banken, die gelinkt worden sind, tun sich schwer mit Strafanzeigen. Und eine möglichst große Zahl von nicht gelinkten Kunden könnte sich strafmildernd auswirken. Zumal auf "Untreue in besonders schwerem Fall", begangen in 282 Einzeltaten, 15 Jahre Knast stehen, von denen zwei Drittel abzusitzen sind. Man möchte von seinem Lebensabend ja noch etwas haben.
Also verschwanden die 50 Millionen der Banken auf den Konten vieler kleiner Heros-Kunden. Fast eine soziale Tat.
100 Millionen Euro verschwunden
Die vier Heros-Helden müssen sich in Hildesheim übrigens nur für die Veruntreuungen der letzten fünf Jahre verantworten. Alles andere ist verjährt. 182 Millionen haben sie seit 2001 für die Aufrechterhaltung der Firma (und damit des Schneeballsystems) verbraten. Plus 50 Millionen Automatengelder, die den Kleinkunden überwiesen wurden. Macht 232 Millionen. Dazu kommen noch etwa 14 Millionen fürs Privatvergnügen: Autos, Motorräder, Schmuck, Grundstücke, das Hotel in Bulgarien und, und, und.
Nach weiteren vermuteten 100 Millionen wird noch gesucht. 35 Millionen hat der Insolvenzverwalter Sack bei den Finanzbehörden von Hamburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern aufgespürt: Es ist die von Weis gezahlte Mehrwertsteuer auf Scheinrechnungen, die nur deshalb erstellt worden sind, um Überweisungen vom Heros-Konto bei der Deutschen Bundesbank auf eigene Firmenkonten (statt auf die Konten der Kunden) legitimieren zu können.
Keine Zeit für Selbstanzeige
Für eine strafmildernde Selbstanzeige fehlte den Herren von Heros am Ende leider die Zeit. Am Tage nach dem Verschwinden der 50 Millionen für die Bankautomaten, am Freitag, dem 17. Februar, wurden Weis, Diel, Weingertner und Köller inhaftiert, gerade, als sie sich mit ihren Anwälten beraten wollten. Die Termine waren schon vereinbart.
Warum die Polizei ihnen zuvorgekommen ist? Nicht etwa, weil sie von Kunden angezeigt worden wären. Auch nicht, weil die "Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht" ihr Schneeballsystem durchschaut hätte. Auch nicht, weil die für den geordneten Bargeldkreislauf zuständige Bundesbank den Braten gerochen hätte.
Kripobeamte in NRW und Hannover unter Leitung des jungen Staatsanwalts Henze hatten die Ermittlungen aufgenommen, weil der Ex-Mann der Viersener Geldzählerin, die aufgrund eines einzigen Drohbriefes 90.000 Euro kassiert hatte, aus Rache plauderte. Er war sauer, weil er das gemeinsame Kind nicht mehr sehen durfte.
Nun hat die Dame ein gesondertes Strafverfahren an der Hacke. Ebenso ihre Kollegin mit der erpressten Million. Und 15 weitere Heros-Mitarbeiter auch.
Und natürlich "Papi", der Cash-Manager vom Rewe-Konzern.