Koalitionspläne Schwarz-Gelb will Konzernen an den Kragen

  • von Claudia Kade,
  • Timo Pache
  • und Nikolai Fichtner
Den großen Unternehmen in Deutschland drohen harte Zeiten. In einem Entwurf zum Koalitionsvertrag wird umrissen, wie marktbeherrschende Konzerne zurechtgestutzt werden können. Im Notfall, so die Vorstellung von Union und FDP, sollen sie zerschlagen werden.

Nach Informationen der "Financial Times Deutschland" (FTD) wollen Union und FDP die neue Bundesregierung ermächtigen, Großkonzerne notfalls zu zerschlagen. Die Wirtschaftspolitiker der Parteien haben in ihren Koalitionsverhandlungen vereinbart, dass große Unternehmen in letzter Konsequenz damit rechnen müssen, zugunsten von mehr Wettbewerb vom Staat zurechtgestutzt zu werden.

Unter der Überschrift "Wettbewerbspolitik" heißt es im elfseitigen Entwurf für den Koalitionsvertrag, der der "FTD" vorliegt: "In das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen wird als Ultima Ratio ein Entflechtungsinstrument integriert." Auch Elemente der europäischen Fusionskontrolle sollen übernommen werden. "Das Bundeskartellamt wird bei der wettbewerblichen Folgenabschätzung in Gesetzgebungsverfahren beteiligt", vereinbarten die Unterhändler von CDU, CSU und FDP.

Quasi-Monopolisten im Visier

Mit dem neuen Zerschlagungsinstrument treiben Union und FDP ihre wirtschaftspolitische Abkehr von den Großkonzernen weiter voran - und konzentrieren sich gleichzeitig auf den Mittelstand. Die FDP hatte bereits vor gut zwei Jahren im Bundestag in einem Oppositionsantrag auf eine Entflechtungsregelung gedrungen. Die Unionsparteien sind erst im Zuge zahlreicher Konzernaffären und als Folge der Wirtschaftskrise von den Großkonzernen abgerückt. "Es muss durchaus die Möglichkeit geben, dass der Staat stärker als bislang eingreifen kann", sagte ein Unionsunterhändler.

Die Liberalen haben dabei marktbeherrschende Unternehmen im Energiesektor und in der Medienbranche im Visier. In der Union hieß es, auch Post- und Telekommunikationskonzerne könnten betroffen sein.

Gefunden in ...

Die Zerschlagung sei nach der Bankenkrise zudem ein geeignetes Mittel, um Steuergelder zu retten. So könnten gefährlich aufgeblähte Geldinstitute filetiert werden. Schwarz-Gelb will verhindern, dass der Staat zu einer weiteren Rettungsaktion wie bei dem Immobilienfinanzierer HRE gezwungen wird. Die Regierung hatte das Institut mit Milliardensummen vor dem Kollaps bewahren müssen, um einen Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern.

Wie das Entflechtungsinstrument genau aussehen soll, ist nach der ersten Woche Koalitionsverhandlungen noch offen. Unklar ist bislang auch, in welchen Fällen Konzerne gezwungen werden sollen, Macht abzugeben und einzelne Geschäftsfelder abzutrennen. "Wir sind im Detail noch nicht vorangekommen", sagte ein Unterhändler.

Jetzt geht es um die Einzelheiten

Am heutigen Montag wollen die Wirtschaftspolitiker in die Beratungen über die Einzelheiten einsteigen. Dazu müssen sie sich auch noch mit ihren Kollegen von der Arbeitsgruppe Justiz abstimmen. Mehrere Unterhändler zeigten sich zuversichtlich, dass die Koalitionsspitzenrunde mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), FDP-Chef Guido Westerwelle und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer dem Vorhaben in den kommenden Tagen zustimmt.

Die FDP hofft, dass Monopole oder Oligopole gar nicht erst entstehen, wenn Unternehmen harte Konsequenzen befürchten müssen. "Bei Existenz einer Entflechtungsregelung müssten Unternehmen in Betracht ziehen, ob ihr missbräuchliches Verhalten letztendlich nicht zur Zerschlagung führt", hieß es vor zwei Jahren in dem FDP-Bundestagsantrag.

Dort forderten die Liberalen, die Kriterien für den staatlichen Eingriff "extrem hoch" anzusetzen. "Entflechtungsmaßnahmen sollten grundsätzlich nur in Erwägung gezogen werden, wenn der Wettbewerb durch ein Übermaß an Marktmacht beschränkt wird und wenn die Wettbewerbsbeschränkungen mit herkömmlichen Mitteln nicht nachhaltig beseitigt werden können."

FTD