Man muss sich schon gut in Geografie auskennen, um mit dem Namen Nauru etwas anfangen zu können. Nauru, das ist eine winzige Insel im Pazifischen Ozean, nordöstlich von Australien, mit 21 Quadratkilometern flächenmäßig der drittkleinste Staat der Erde. Nur etwa 11.500 Menschen leben dort. Dabei hatte der Inselstaat vor gar nicht allzu langer Zeit eine exponierte Stellung inne: Nauru galt in den 1970er Jahren als das – gemessen an der Fläche – reichste Land der Erde.
Der Grund dafür waren die Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckten Phosphatvorkommen auf der Insel. Diese wurden zunächst durch die britischen Kolonialherren, später durch Australien abgebaut. 1968 erlangte Nauru die Unabhängigkeit. Ab dann gehörten auch die Bodenschätze der kleinsten Republik der Welt selbst. Die folgenden Jahre wurden zu einer Epoche eines fast schon obszönen Wohlstands auf der Insel – die aber nur kurze Zeit währte.
Phosphat macht Inselstaat Nauru zum reichsten Land der Welt
Zu verdanken hatte Nauru seinen Reichtum kurioserweise Vogelkot. Jahrtausendelang hatten Millionen Seevögel dort ihren Dung hinterlassen, eine chemische Reaktion und das tropische Klima hatten daraus Calciumphosphat werden lassen. "Nauru ist eine Insel aus Scheiße", soll ein australischer Geschäftsmann einmal gesagt haben. "Aber wenn Sie Geschäftssinn haben, können Sie in diesem Land ganz schnell eine ganze Menge Schotter verdienen." Und nach der Unabhängigkeit passierte auf Nauru genau das.
Zuvor hatten sich die Briten und Australier an den Schätzen bereichert, nun kassierten die Inselbewohner selbst ab. Phosphat, auch Phosphor genannt, ist ein für die Menschheit unverzichtbarer Rohstoff, der sich nicht ersetzen lässt. Er wird vor allem für Düngemittel benötigt, Phosphat ist eine zwingende Voraussetzung für das Wachstum von biologischen Organismen aller Art. Entsprechend begehrt ist der Mineralstoff auf der ganzen Welt – und entsprechend hoch sind die Preise dafür. Im Zuge der Ölkrise in den Siebziger Jahre stiegen die Preise noch einmal deutlich an. Kaum jemand profitierte davon so stark wie die Insel Nauru.
Traumziele mitten im Pazifik

Der Weg in den äußersten Westen der Vereinigten Staaten ist lang. Ohne Umsteigen an einem nordamerikanischen Flughafen kommt man nicht nach Hawaii. Doch wer morgens in Mitteleuropa startet, kann noch am selben Tag zur Abendzeit in Honolulu aus dem Flugzeug steigen.
Zustände wie im Schlaraffenland
Das Bruttoinlandsprodukt in dem Inselstaat stieg auf etwa 20.000 Dollar pro Kopf. Auf Nauru herrschten Zustände wie im Schlaraffenland: Steuern wurden nicht erhoben, Strom, Wasser und medizinische Versorgung gab es kostenfrei. Die meisten Einwohner:innen konnten sich gleich mehrere teure Autos leisten. Wer nicht arbeiten wollte, tat es nicht, und kaufte sich trotzdem Villen und Yachten – gerne auch im Ausland, denn bei den finanziellen Möglichkeiten wurde die Insel bald zu klein. Der Staat finanzierte den Bürger:innen mit den Einnahmen aus dem Phosphatabbau ihr Luxusleben.
Die Drecksarbeit mussten andere machen: Billige Arbeitskräfte wurden aus China importiert, sogenannte Kulis. Sie schufteten in den Phosphatminen und mussten in Baracken, abgeschirmt von den Einheimischen, leben. Für die Inselbevölkerung trieb das Leben in Saus und Braus auch seltsame Blüten: Auf manchen Partys sollen Dollarscheine als Toilettenpapier benutzt worden sein. Auch der Staat selbst machte mit beim hemmungslosen Geldausgeben: Korruption und Misswirtschaft breiteten sich aus, Nauru investierte in eine kaum genutzte nationale Fluggesellschaft und dubiose Immobiliengeschäfte.

Der große Knall: Nauru stürzt in eine tiefe Krise
Daran, dass der Rohstoff eines Tages auch zu Ende gehen würde, dachte anscheinend niemand – oder wollte niemand denken. Dabei war schon bei der Unabhängigkeit 1968 klar, dass die Vorkommen nur noch für etwa 30 Jahre ausreichen würden. Als die Phosphatreserven Anfang der Neunziger dann tatsächlich nahezu erschöpft waren, stürzte das ganze Land in den großen Kater nach der Party. Die Investitionen hatten sich nicht rentiert, stattdessen forderte der verschwenderische Lebensstil seinen Tribut. Nauru geriet in eine tiefe Krise und war innerhalb kurzer Zeit faktisch bankrott.
Das kleine Land war mit dieser Situation ebenso überfordert wie zuvor mit dem plötzlichen Reichtum. Im Dickicht von Mafia, Briefkastenfirmen und obskuren Bankgeschäften verlor die Regierung vollends die Übersicht, zig Millionen wurden veruntreut und verschwanden ohne jede Spur. Der Staat tat alles, um irgendwie an Geld zu kommen: Nauru ließ sich zum Beispiel von Australien dafür bezahlen, afghanische Flüchtlinge aufzunehmen, die in Booten nach Down Under gekommen sind. Der Verkauf von Pässen sollte etwas Geld in die Kassen zu spülen, so wurde Nauru aber auch zur Anlaufstelle für Terroristen, die sich eine neue Identität beschaffen wollten. Plötzlich fand sich das einst reichste Land der Welt plötzlich auf der US-Liste der "Schurkenstaaten" wieder. "Nauru betrügt, um zu überleben", fasst der Buchautor Luc Folliet zusammen.
Diese Paradiese suchen einen neuen Besitzer - ab 10.000 Euro

Heute ist Nauru bitterarm
Vom einstigen Reichtum ist heute auf Nauru nichts mehr zu sehen. Die Bevölkerung ist verarmt, die meisten versuchen, mit Fischerei ihren Lebensunterhalt zu sichern. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt nur 60 Jahre. So lässt sich an der Geschichte von Nauru einiges ablesen über die wirtschaftlichen Probleme in der globalisierten Welt: die Ausbeutung kleiner Länder durch Kolonialmächte einerseits, aber auch die Gefahren, die aus dem schnellen Reichtum für Staaten mit großen Rohstoffvorkommen erwachsen.
Quellen: "Spiegel" / Deutschlandfunk / "New York Times"