Anzeige
Anzeige

Spekulant Florian Homm Kopf, Geld, Jäger

Die Jagd nach Florian Homm wird immer skurriler. Ein Privatermittler hat auf den Betrüger ein Kopfgeld von 1,5 Millionen Euro ausgesetzt. Auch die US-Drogenpolizei sucht den untergetauchten Manager.
Von Jens Brambusch

In der hintersten Ecke der Lobby eines Luxushotels, irgendwo an der Ostseeküste, sitzt eine Gruppe verschrobener Männer. Raue Kerle, der eine trägt T-Shirt, ein anderer Sakko. Einer mit langem Bart und kräftigen Oberarmen ist dabei, einer mit aufgestelltem Jackenkragen und Wollmütze. Auf dem Boden zwischen ihnen steht ein schwarzer Rucksack, ganz dicht an den Füßen.

Die Männer trinken nichts und reden kaum. Sie wirken fremd unter all den Urlaubern hier. Draußen tanzen die ersten Sonnenstrahlen auf dem aufgewühlten Meer, drinnen mustern die Männer misstrauisch ihre Umgebung. Abwechselnd schauen sie zum Eingang und auf die Uhr. Es ist gleich 9.30 Uhr.

Ein Mann in feinem Anzug betritt das Foyer, der Älteste in der Runde nickt, dann raunt er: "Es kann losgehen, der Anwalt ist da." Die Gruppe erhebt sich, geht über die Treppe in den ersten Stock, verschwindet wortlos in einem kleinen Konferenzraum. Nur der Typ mit den kräftigen Armen bleibt draußen, baut sich vor der Zimmertür auf wie ein Schrank. Niemand soll stören bei dem, was hinter dieser Tür abläuft.

Auf der Flucht

Verschwunden:

Über Nacht macht sich Florian Homm im September 2007 aus dem Staub - seitdem ist er verschwunden.

Verklagt:

Geprellte Anleger klagen gegen ihn, in London und den USA. Das Problem: Die Klageschrift ist nicht zustellbar, einige Gerichte sehen sich als nicht zuständig.

Verkauft:

Investoren engagieren einen Privatermittler, setzen ein Kopfgeld für Hinweise zu Homms Ergreifung aus. Erst 600.000, dann 1,1 Millionen, nun 1,5 Millionen Euro.

Die Kulisse drinnen ist skurril: ein schlichter Tisch vor weißem Hintergrund, eine mannshohe Topfpflanze, davor eine Kamera. Einer der Männer, Josef Resch, kramt eine Edeka-Tüte aus dem Rucksack - und holt 500-Euro-Scheine heraus, Bündel um Bündel. Vor ihm liegen jetzt 1,5 Miollionen Euro auf dem Tisch. In bar.

Es ist das Kopfgeld, das geprellte Anleger auf den untergetauchten Hedge-Fonds-Manager Florian Homm ausgesetzt haben. Gerade haben sie es von 1,1 auf ebendiese 1,5 Millionen Euro erhöht. Das Geld soll helfen, Homm zu kriegen, bevor andere ihn kriegen.

Resch schaut in die Kamera, er ruft zum Verrat auf. "1,5 Millionen Euro für den Aufenthaltsort Homms. In bar", sagt er mit rauer Stimme. Die Kamera filmt die Geldbündel. Resch stellt Fragen, bittet um konkrete Hinweise. Zu einer Jacht, die Homm nutzen soll, zu Konten und Stiftungen, zu gefälschten Identitäten und Geschäftskontakten. Cut.

Am Ende wandern die Scheine unter den Augen des Anwalts, der als Zeuge dienen soll, zurück in die Plastiktüte. Noch am gleichen Tag wird das Geld den Auftraggebern zurückgegeben.

Das Video soll beweisen, dass die Belohnung wirklich existiert. Resch wird es in mehrere Sprachen übersetzen lassen, an diesem Mittwoch soll es bei Youtube online gehen. "Die Welt sucht Homm" heißt der Clip im Netz. In keiner Ecke der Erde soll sich der Gesuchte mehr sicher fühlen.

2007: Homm verschwindet mit vielen Millionen

Der Videodreh ist die nächste Eskalationsstufe in der skurrilsten Jagd auf einen Börsenbetrüger, die Deutschland je erlebt hat. Seit viereinhalb Jahren ist der frühere Hedge-Fonds-Manager Florian Homm untergetaucht. Am 18. September 2007 verschwand er über Nacht. Und mit ihm viele Millionen. Es ist ein Rätsel, wie der 2,03 Meter große Hüne mit dem markanten Gesicht überhaupt so lange unentdeckt bleiben konnte. Sein erstes Ziel war Panama, wo er mit falschem Pass einreiste. Seitdem hält er sich nie lange an einem Ort auf, reist unter diversen Identitäten durch Südamerika, Afrika und Europa.

Homms Ruf ist legendär. Nicht nur beim Bundesligisten Borussia Dortmund, wo er zwischenzeitlich als Großaktionär versuchte mitzuregieren. Der Großneffe des verstorbenen Versandhauskönigs Josef Neckermann war einst das Enfant terrible der gesamten Finanzbranche, die Verkörperung der skrupellosen Heuschrecke. "Der Plattmacher" wurde er genannt, ihm gefiel das. Zu Topzeiten verwaltete er mit seiner Absolute Capital Management (ACM) mehr als 3 Mrd. Dollar Kundenvermögen. Doch vieles war künstlich aufgepumpt. Als die Blase zu platzen drohte, tauchte er ab.

Seitdem wird er gejagt

Vor einem Jahr hat die US-Börsenaufsicht SEC Homm angeklagt. Seitdem ist ihm auch die US-Justiz auf den Fersen. Homm und zwei Partnern wirft die SEC einen gigantischen Schwindel vor. Mindestens 63 Mio. Dollar sollen sie ergaunert haben, indem sie die Performance ihrer Fonds um rund 500 Mio. Dollar aufgebläht haben. Im Falle einer Verurteilung drohen Homm viele Jahre Haft.

Ehemalige Investoren sprechen sogar von weit höheren Schäden. Mehrere Hedge-Fonds beschuldigen Homm und seine Partner, allein von ihnen rund 195 Mio. Dollar ergaunert zu haben. Ein US-Richter hatte die Klage zunächst zwar abgewiesen, weil er das Gericht als nicht zuständig ansah. Aber Mitte April hat das US-Bundesberufungsgericht entschieden, dass das Verfahren neu aufgerollt werden kann.

Und auch in München wird wegen Marktmanipulation ermittelt. Involviert ist unter anderem eine ausländische Firma, die Homm zugeschrieben wird. Er sei die Spinne im Netz, behaupten in den Fall verstrickte Personen. Die Staatsanwaltschaft führt Homm noch nicht als Verdächtigen, sagte ein Sprecher der FTD. Aber die Ermittlungen seien noch längst nicht abgeschlossen.

Die Gläubiger setzen auf Kopfgeldjäger

Reschs Auftraggeber, die anonym bleiben wollen, wollen sich nicht auf die Justiz stützen. Im Gegenteil. Sie setzen auf den Kopfgeldjäger, der Homm noch vor den US-Behörden finden soll. Denn sitzt der Flüchtige einmal im Gefängnis, wähnen sie ihr Geld verloren. Wenn Resch ihn vorher findet, könnten sie ihr Geld wiedersehen.

30 Mio. Euro soll er für seine Auftraggeber eintreiben. Der 63-Jährige ist spezialisiert auf heikle Fälle. Seine Wirtschaftsfahndung Wifka ist eine Art Inkassounternehmen, wenn es um Millionen geht. Sein Team, das er weltweit einsetzt, besteht aus ehemaligen Marinetauchern, US-Soldaten und KSK-Männern. Reschs Plan lautet: Homm finden und "festsetzen". Dann hat der die Wahl. Homm kann zahlen - oder er wird an die USA ausgeliefert.

Ex-Mossad-Agenten als Leibwächter

Das klingt einfach, doch Homm wird sich kaum ohne Widerstand ergeben. Ex-Partner von ihm sagen, er habe ehemalige Mossad-Agenten zum Schutz engagiert. Diese Verbindung könnte auch erklären, wie er an einen israelischen Pass gekommen ist, der ihn als Chaim Friedmann ausgibt.

Resch scheut das Risiko nicht. Für Konzerne arbeitete er schon, für Sicherheitsbehörden im In- und Ausland. Immer verdeckt, undercover, sein Gesicht ist nur wenigen bekannt. Auch im Video ist er nicht zu erkennen. Eine Vorsichtsmaßnahme. Oft schon wurde er bedroht. "Mich auszuschalten bringt aber gar nichts", sagt Resch unbeeindruckt. Sein Wissen teile er mit seinem Partner, der sich Mossi nennt.

Bereits als die FTD im Februar das erste Mal über die Millionenhatz berichtete, gingen bei dem Privatermittler etliche Hinweise ein, viele unbrauchbare, aber auch zielführende. Selbst aus dem Umfeld der Familie Homm gab es Informationen über Besuche in Frankreich. So soll die Mutter Homms im April nach einer Schiffsreise im Rhonetal für vier Tage nach Paris gefahren sein - um ihren Sohn zu treffen.

"Einer wird Homm verkaufen"

Wichtiger für Resch sind aber die Geschäftspartner Homms. Der Ermittler sprach mit Leuten, die behaupten, sie könnten in zwölf Stunden bei Homm sein. Darunter nachweislich ehemalige Weggefährten und mutmaßlich auch aktuelle. Zum Teil, sagt Resch, handele es sich um gescheiterte Finanzjongleure und Vermögensverwalter, bis über beide Ohren verschuldet, die Homm bewundern, weil sie an seiner Seite Deals abwickeln können, gleichzeitig aber Angst vor ihm haben. Geldgierig seien die und skrupellos. Vielleicht verkaufen sie Homm, wenn der Preis nur hoch genug ist. "Einer wird es tun", sagt Resch. "Die Frage ist nur, wer als Erstes schwach wird, um vor den anderen abzukassieren."

Ein Katz-und-Maus-Spiel auf der ganzen Welt

Zu den Personen, die Kontakt zu Homm haben sollen, gehören Geschäftsleute aus der Münchner Bussigesellschaft, aus dem Rotlichtgewerbe, aber auch Banker aus der Schweiz und Deutschland, liechtensteinische Treuhänder. Die Namen sind der Redaktion bekannt.

Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel. Aus der ganzen Welt steuerten Neugierige die Webseite Reschs an, als er dort erstmals ein Kopfgeld auslobte. Aus Internetcafés in Südamerika, in Afrika, der Schweiz. Das verraten die IP-Adressen, die Resch ausgewertet hat. Einige nutzten vermeintlich sichere Wege über Proxy-Server und Tor-Netzwerke, um ihren Aufenthaltsort zu verschleiern. Resch ist sich sicher, dass unter seinen Informanten auch "Doppelagenten" seien. Vertraute Homms, die ausloten sollen, was er weiß.

Unterschlupf in Südamerika

Sogar die US-Drogenpolizei DEA wurde bei ihm vorstellig. Zwei Beamte schlugen eine Kooperation vor. Ihr Verdacht: Homm könnte als Finanzexperte in die Geldwäsche südamerikanischer Drogenkartelle verwickelt sein. Resch lehnte ab. "Das wäre eine Einbahnstraße: Informationen geben, aber keine bekommen." Zudem sind die US-Behörden und er ja Konkurrenten im Rennen um Homms Kopf.

Drei heiße Spuren verfolgt Resch. Die erste führt nach Südamerika, wie es auch die DEA vermutet. Informanten berichten, Homm gehe dort nach wie vor über Scheinfirmen seinen Geschäften nach, nutze den südamerikanischen Börsenplatz. Panama war auf der Flucht seine erste Anlaufstelle, vermutlich ging es dann nach Venezuela. Dort ist Homm vor einer Auslieferung an die USA sicher. Präsident Hugo Chávez ist bekennender Feind Washingtons.

Angeschossen in Caracas

Homm war früher schon in dem Land. Wenige Monate vor seiner Flucht wurde er in Caracas angeschossen. Offiziell heißt es, Straßenräuber hätten versucht, seine Rolex zu klauen. Vermutlich hat Homm damals schon seine Flucht vorbereitet. Örtliche Medien berichteten damals ausführlich über den Deutschen "Florean Wilhelm Jürgen". Sie wunderten sich, dass er mehrere Pässe, viel Bargeld, eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung und einen venezolanischen Führerschein bei sich trug, ausgestellt in Zulia an der Grenze zu Kolumbien.

An Homms Seite war damals ein Diplomat aus dem Südseestaat Vanuatu, auch er wurde verletzt. Resch geht davon aus, dass der Mann auf Vermittlung eines Deutschen Homm half, die venezolanischen Papiere zu bekommen. Dieser Deutsche wiederum, der auf Mallorca und in Monaco residiert und ebenfalls Diplomatenstatus in Vanuatu genießt, brüstete sich 2009 in elitären Kreisen damit, er habe Homm bei seiner Flucht geholfen. Hier könnte Resch weiterkommen.

Spuren nach Asien und Afrika

Seine zweite heiße Spur führt zu Andreas Schaer, Homms ehemaliger rechter Hand. Mittlerweile lebt Schaer zwar "in seiner Wahlheimat Kambodscha", wie er selbst sagt, seinen Lebensunterhalt erwirtschaftet er aber in Äthiopien. In Afrika, glaubt Resch, kreuzen sich auch heute noch die Wege der beiden.

Auf Mallorca, von wo aus Homm lange seine Geschäfte leitete, lebte Schaer einst in dessen Haus. Er war es auch, der Homm aus der Klinik in Venezuela abholte, das belegt ein Zeitungsfoto. Er wird, so vermutet Resch, in die Fluchtpläne eingeweiht gewesen sein.

Bevor der Schweizer in die Dienste Homms wechselte, arbeitete er bei einer kleinen Privatbank. Homm wickelte viele Geschäfte über das Institut ab. Unter der gleichen Adresse wie die Bank firmierte anfangs auch eine Stiftung, die zur dritten heißen Spur führt: Liberia.

Bereits zwei Jahre vor seinem Verschwinden begann Homms Engagement für das bitterarme Land im Westen Afrikas. Er spendete über eine Million Dollar für die Schweizer Liberia Renaissance Foundation. Schaer saß zwischenzeitlich im Beirat dieser Stiftung, Homms Ex-Frau ist bis heute deren Präsidentin.

Gekaufter Diplomatenposten in Liberia

Homm selbst wurde zum Kulturattaché des Landes berufen, erhielt einen Diplomatenpass. Es könnte sein, vermutet Resch, dass die Spende der Preis für Homms Immunität war, für sein späteres Refugium. Liberia ist bekannt dafür, Diplomatenposten zu verschachern.

An Liberia glaubt auch Jack Grynberg. Der Öltycoon aus Denver, der sich von Homm um 16 Miollionen Dollar betrogen fühlt, lässt ebenfalls nach Homm fahnden. "Das Letzte, was wir von ihm hörten, war, dass er in Liberia ist", sagt er.

Ein Informant, der vorgibt, Homm jederzeit treffen zu können, behauptet gar, der Gesuchte solle sich regelmäßig in der Botschaft Liberias in Paris aufhalten, dort ein Zimmer und sichere Telefonleitungen nutzen dürfen. Fragen an die Regierung in Monrovia wurden an die Botschaft in Paris weitergeleitet.

Der Botschafter wehrt sich: "Der letzte Ort, an dem Homm sich aufhalten würde, ist Liberia. Er weiß um unsere engen Beziehungen zu den USA, und er weiß, dass er dort Probleme hat", so Botschafter Thomas McKinley. Es sei "absolut falsch", dass Homm sich in der Botschaft aufhalten dürfe. Der Diplomatenpass sei abgelaufen, eine Verlängerung habe es nie gegeben. "Wir haben absolut kein Interesse daran, Herrn Homm zu schützen."

Eigenartig nur: Ebenjener McKinley ist ein guter Bekannter Homms. Mit ihm zusammen hat er einst die Schweizer Liberia-Stiftung ins Leben gerufen. Auf ihrer Webseite dankte die Stiftung den beiden damals für deren "großartige Unterstützung". Ein Dank, der bis heute anhält, da ist sich der Privatermittler Resch sicher.

Von Jens Brambusch FTD

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel