Angesichts drohender Streiks im neuen Jahr wollen Bahn und Lokführergewerkschaft GDL auf Druck der Bundesregierung nun doch wieder Tarifverhandlungen aufnehmen. Sie sollen noch an diesem Samstag vor Weihnachten an einem geheimen Ort beginnen. Das kündigte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) nach einem Gespräch mit Bahnchef Hartmut Mehdorn und dem GDL-Vorsitzenden Manfred Schell am Freitag in Berlin an. In den Verhandlungen über Geld und Arbeitszeit wollten beide Seiten "alles versuchen", bis 6. Januar "erfolgreich zu verhandeln". Die Gewerkschaft hatte die Tarifverhandlungen erst am Donnerstag für gescheitert erklärt und für den 7. Januar den Beginn unbefristeter Streiks im Personen- und Güterverkehr angekündigt.
Schell versicherte nach Ministeriumsangaben, dass der Arbeitskampf "nicht beginnen werde", wenn die Verhandlungen einen Stand erreichen, "der ein absehbares, erfolgreiches Ende in Aussicht" stelle. Der GDL- Chef sagte der Deutschen Presse-Agentur dpa: "Wir werden jetzt über Zeit und Geld verhandeln." Die strittigen 27 Punkte, die er mit als Grund für den Abbruch der Verhandlungen genannt hatte, würden vorerst ausgespart. Er werde nicht bei allen Terminen persönlich dabei sein, sondern eine Delegation der GDL werde die Gespräche führen. Eine neue Verhandlungsbasis gebe es nach dem Dreiertreffen bei Tiefensee nicht: "Die Bahn hat gar nichts geboten", sagte Schell.
Tiefensee sagte dagegen, zur Verständigung
auf neue Verhandlungen habe nicht nur eine "gute Gesprächsatmosphäre", sondern auch eine Annäherung "in konkreten Fragen" beigetragen. Nähere Angaben machte er nicht.
Die Bahn hatte unmittelbar vor dem Gespräch nochmals an die GDL appelliert, in ein Schlichtungsverfahren einzuwilligen. Dies sei "in dieser schwierigen Lage der richtige Weg", sagte Personalvorstand Margret Suckale. Die GDL hatte eine Schlichtung bereits am Donnerstag abgelehnt. Das entsprechende Abkommen hatte die Gewerkschaft vor der Tarifrunde gekündigt. Der Konzern sei jederzeit zu Verhandlungen bereit, sagte Suckale. "Klar ist für uns aber auch: Nur solange nicht gestreikt wird, wird auch verhandelt." Damit reagierte sie auf die Aussage Schells, die GDL wolle künftig auch während Verhandlungen Streiks nicht unterbrechen.
Tiefensee hatte am Donnerstag kritisiert, dass
die Tarifparteien den vereinbarten Zeitrahmen für Verhandlungen bis 31. Januar nicht ausgeschöpft hätten. Es habe sich gezeigt, dass die Tarifparteien "nicht oder fast nicht in der Lage sind, eine Lösung herbeizuführen". Er habe daher "zur Abwendung eines Arbeitskampfes" zu dem Gespräch geladen und um immensen volkswirtschaftlichen Schaden zu verhindern.
Der Vorsitzende der konkurrierenden Gewerkschaft GDBA, Klaus- Dieter Hommel, warf der GDL Starrsinn vor. "Die Betonköpfe innerhalb der Lokführer, die im Augenblick mal wieder das Sagen haben, haben noch nicht begriffen, dass verantwortungsbewusste Tarifverhandlungen aus dem Suchen nach Kompromissen bestehen." In einem Kompromisspapier von Ende August sei den Lokführern der geforderte eigenständiger Tarifvertrag zugestanden worden, dieser müsse sich aber "konflikt- und widerspruchsfrei" in das gesamte Tarifgefüge einpassen. Das habe die GDL akzeptiert und unterschrieben, sagte Hommel.
Bahn-Aufsichtsratsmitglied und CDU-Bundestagsabgeordneter Georg Brunnhuber hatte kritisiert, dass die GDL nicht bereit sei, "mit Argumenten am Verhandlungstisch ihre Forderungen auch argumentativ zu untermauern". Offensichtlich habe sie Argumentationsprobleme, "sonst müsste sich die GDL am Verhandlungstisch durchsetzen", sagte er im Bayerischen Rundfunk.
Die Bahn hatte acht Prozent mehr Geld angeboten, bevor sie am Donnerstag als Reaktion auf den Verhandlungsabbruch sämtliche Offerten zurücknahm. Die GDL forderte zuletzt mindestens zehn Prozent mehr Einkommen.
AP/DPA/kbe