Ein Güterzug aus der Inneren Mongolei hat kürzlich in gut zehn Tagen die Strecke bis in den Duisburger Hafen geschafft. Damit war er deutlich schneller als ein vergleichbarer Transport per Schiff. Dass der Zug dabei siebeneinhalb Stunden Aufenthalt an der deutsch-polnischen Grenze hatte, fiel nicht weiter ins Gewicht. Aber jeder Güterzug an dieser Grenze, die für den Straßenverkehr praktisch keine mehr ist, muss solche Wartezeiten in Kauf nehmen. Damit landet der Verkehrsträger Schiene in Sachen Wettbewerb auf dem allerletzten Platz. Das beklagten Eisenbahner und Gewerkschafter aus Tschechien, Polen und Deutschland auf einer internationalen Veranstaltung des DGB und der Verkehrsgewerkschaft Transnet in Dresden.
Zu viele Einzelkontrollen
Die Fachleute wollten Erfahrungen austauschen und Handlungsfelder festlegen, um den Schienenverkehr wenigstens ein bisschen attraktiver gegenüber der Straße zu machen. Die Veranstaltung dauerte übrigens sieben Stunden. In dieser Zeit steht ein Güterzug bei Frankfurt an der Oder, einer EU-Binnengrenze, 240 Minuten auf polnischer und 180 Minuten auf deutscher Seite, um sich Kontrollen zu unterziehen. Weitere 30 Minuten steht er an der Oderbrücke, weil die Lok wegen unterschiedlicher Stromsysteme gewechselt werden muss. "In dieser Zeit ist der Lkw schon fast im Ruhrgebiet", sagte ein Teilnehmer.
Einig sind sich Polen und Deutsche zwar darüber, dass noch in diesem Jahr eine gemischte Abfertigung die beiden Kontrollstellen ersetzen soll, aber nicht darüber, wo sie stattfinden soll, obwohl bereits ein mit EU-Mitteln geförderter Bahnhofsausbau bereitsteht. Wenn diese Neuerung dann eingeführt wird, soll sich der Aufenthalt auf 200 Minuten reduzieren. Der deutsch-polnische Grenzverkehr ist ein extremes Beispiel. Aber auch im Verkehr mit Tschechien stehen noch große Aufgaben vor den Verantwortlichen: Eine der ersten Folgen der EU-Erweiterung war, dass eine "Rollende Landstraße", also der Transport von Lastzügen auf Eisenbahnwagen, durch das Erzgebirge und über die deutsch-tschechische Grenze eingestellt wurde.
Straße schneller als Schiene
Die Lastwagenfahrer nahmen die beschwerliche Gebirgsfahrt in Kauf, da die Straßengrenzkontrollen im Vergleich zu den Wartezeiten an der Schienen-Grenze auf einmal zu vernachlässigen waren, wie der Europaabgeordnete Jaromir Kohlicek schilderte. Und das, obwohl die Behörden am Schienengrenzübergang schon eine "vereinfachte Abfertigung" eingerichtet hatten. Mit der Hälfte des Personals teilen sich die Kontrolleure aus beiden Ländern die Arbeit.
An Oder und Neiße sieht es noch schlimmer aus: "Wir haben 21 Straßenübergänge, aber nur siebeneinhalb Schienenübergänge" zwischen Deutschland und Polen“, sagt Jörg Podzuweit von der Transnet. Nur einer davon ist mehrgleisig: die Oderbrücke bei Frankfurt. Sie ist aber in einem so "erbärmlichen Zustand", wie Zenon Kozendra von der polnischen Solidarnosc berichtet, dass sie in Kürze wegen dringender Reparaturarbeiten nur noch auf einem Gleis befahren werden kann. Zuständig für die Erneuerung der Brücken über die beiden Grenzflüsse ist die Bundesrepublik Deutschland.
Probleme liegen auf deutscher Seite
Andere Strecken sind nicht nur auf der Brücke eingleisig, sondern auch bis zu 50 Kilometer vorher auf deutscher Seite, etwa östlich Hoyerswerda. Der Ausbau steht nicht vor 2008 an. Auf polnischer Seite wird von einem ungesicherten Bahnübergang auf der Eurocity-Strecke nach Breslau/Krakau berichtet, wo der Lokführer auf 15 Stundenkilometer abbremsen muss, um sich vor einem Bahnübergang zu vergewissern, dass kein Auto kommt.
"Der Teufel steckt nicht nur im Detail, sondern auch in der großen Politik", meinte Diskussionsleiter Wolfgang Jungen vom IMU-Institut. Der deutsche Europaabgeordnete Ulrich Stockmann konnte immerhin berichten, dass sich die Abgeordneten parteiübergreifend einig sind, dass der Schiene der Vorrang gebührt, weil es sonst mit dem zunehmenden Verkehrsaufkommen zum Kollaps auf den Straßen kommt. "Geld haben sie aber alle nicht", meinte Kozendra. Deshalb scheuen staatliche Stellen ebenso wie die Bahnverwaltungen sich davor, EU-Hilfen in Anspruch zu nehmen, weil sie dann zur Kofinanzierung ebenfalls zur Kasse gebeten werden. Und so hoffen sie auf die Lkw-Maut. Tschechien steht offenbar kurz vor einer Einführung eines Systems wie in Deutschland, in Polen gibt es einzelne mautpflichtige Straßen.