Lange Zeit begrüßte man bei VW den Einstieg von Porsche. Der Stuttgarter Konzern mit Wendelin Wiedeking wurde als Retter vor einer feindlichen Übernahme gefeiert. Nun droht zur Aufsichtsratssitzung eine Demo der IG Metall mit bis zu 40.000 Protestierenden gegen die Abschaffung des VW-Gesetzes - und gegen Wiedeking.
Bernd Osterloh, VW-Betriebsratschef und Aufsichtsrat, ist im Streit um die Mitbestimmung nicht zu besänftigen. Seit Wochen schwelt der Konflikt um die Beteiligungsregelungen im Konzern nun schon, mit Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück, aber vor allem mit Porsche-Chef Wiedeking. Diesen bezeichnete Osterloh kürzlich als "Dilettanten", Porsche als "Brandstifter". Auch VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch setzt den Erfolgs-Manager unter Druck. Gerüchten zufolge dringe er auf die Ablösung Wiedekings. Der Sportwagenhersteller bemühte sich um ein schnelles Dementi durch Aufsichtsratschef Wolfgang Porsche. "Die Familien Porsche und Piëch stehen voll und ganz hinter Dr. Wiedeking".
Wiedeking machte sich nicht nur Freunde bei VW
Eigentlich hätte der Porsche-Chef Wichtigeres zu tun. Vor wenigen Tagen noch feierte Wiedeking mit seiner Frau und beiden Kindern in Italien seinen 56. Geburtstag. Sein Geschenk hätte schöner kaum sein können: Noch in diesem Monat will Porsche 51 Prozent an VW übernehmen. In Wolfsburg will Wiedeking seinen Erfolgskurs fortsetzen. Mehrfach hatte er VW in den vergangenen Jahren kritisiert, besonders den Umgang mit Modellen und Kosten. Damit verärgerte er die Konzernspitze und schürte Ängste im Betriebsrat.
Wiedeking dafür ist bekannt, durchzugreifen. Als Porsche-Chef schaffte er beim angeschlagenen Unternehmen 1993 mit einer umfassenden Sanierung die Wende und stellte damit seine Risikobereitschaft unter Beweis. Nun fürchten sich die VW-Betriebsräte vor Entlassungen und rein kostenorientierter Unternehmenspolitik. Schließlich hält das Land Niedersachsen mit dem VW-Gesetz seit langem seine schützende Hand über die Arbeitsplätze des Wolfsburger Konzerns. Wiedeking, gebürtiger Westfale und promovierter Maschinenbauer, ließ bereits verlauten, für ihn gebe es auch bei VW "keine heiligen Kühe". Das Sondergesetz, das den Mitarbeitern bei Neubau oder Schließung von Werken ein Votum einräumt, will er mit Hilfe der EU kippen.
Porche sägt am Vetorecht Niedersachsens
Zwar hatte das Bundeskabinett Ende Mai eine Neufassung beschlossen, doch will die EU-Kommission ein weiteres Mal vor dem Europäischen Gerichtshof klagen. Dabei geht es besonders um die Regelung, die dem Land Niedersachsen mit 20 Prozent Beteiligung in der Hauptversammlung das Vetorecht erhält. Porsche kommt die Klage gelegen: "Das ist durchaus in unserem Sinne", heißt es aus Zuffenhausen. "Wir sind der festen Überzeugung, dass ein VW-Gesetz nicht notwendig ist."
Die Zahlen sprechen für Wiedeking. Porsche ist mittlerweile einer der profitabelsten Automobilhersteller der Welt. Der bei Anlegern und bei der Porsche-Belegschaft beliebte Manager, der zu Hause selbst Kartoffeln anbaut und Modellautos sammelt, hat seinen guten Ruf auf die Marke übertragen. Im vergangenen Geschäftsjahr erwirtschaftete Porsche einen Vorsteuer-Gewinn von 5,86 Milliarden Euro. Dennoch gibt es nicht nur die freundliche, lockere Seite: Der Porsche-Chef wird von Mitarbeitern als "Boss mit zwei Gesichtern" bezeichnet, der durchaus autoritär auftreten kann. "Er entscheidet und exekutiert schnell", bestätigt eine Sekretärin. Und "wenn etwas nicht so läuft, wie er will, kann er brüllen und fauchen, dass es einen umhaut, im wahrsten Sinne des Wortes".
"Gefährliche Allmachtsfantasien"
Wiedeking muss nun dem Streit der Betriebsräte, dem Druck der VW-Konzernspitze und der IG-Metall trotzen. Bernd Osterloh fürchtet einen Angriff Wiedekings auf die Mitbestimmungsrechte der VW-Arbeiter und sprach bereits von "gefährlichen Allmachtsfantasien". Der VW-Betriebsrat wehrt sich gegen eine unterproportionale Beteiligung in der neuen Porsche-Holding, während der Porsche-Betriebsrat an seinem Vetorecht für die Kündigung der Mitbestimmungsvereinbarung und an einer 10-jährigen Laufzeit festhält. "Die Porsche-Belegschaft will eigenständig bleiben. Auch zukünftig soll deshalb gelten: Porsche bleibt Porsche und VW bleibt VW", sagte Betriebsratschef Uwe Hück.
Ein für den 10. September geplantes Vermittlungsgespräch sagte der Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, vor kurzem ab. Stattdessen ruft die IG Metall zur Großdemonstration auf: Am Freitag sollen in Wolfsburg 40.000 aufmarschieren und für den Erhalt des VW-Gesetzes mobil machen.
Porsche gibt sich gelassen
Kann die Krise Wiedeking seine Position kosten? Die IG Metall will sich nicht gegen den Porsche-Chef aussprechen. Sie betont den Erhalt des VW-Gesetzes. "Wer das VW-Gesetz abschaffen will, setzt auf Konfrontation statt auf Ausgleich national und international", sagte Huber. Bereits im Mai hatte er den Porsche-Vorstand und die Eigentümer aufgefordert, "die Angriffe auf die Mitbestimmung und das VW-Gesetz einzustellen". Auch Piëch traut man nicht zu, dass er den erfolgreichen und beliebten Manager aus seiner Position verdrängt. Schließlich ist beiden Unternehmen und den Aktionären damit gedient, dass Ruhe einkehrt. Bei Porsche gibt man sich gelassen. Anton Hunger, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Porsche Automobil Holding SE, bestätigte Wolfgang Porsches Bekenntnis: "Wir bedauern diese Diskussion um Wiedeking und können keinen tieferen Sinn darin erkennen".