Deutsche Konzerne in Russland Warum Continental jetzt wieder in Russland produziert

Continental hat in Russland eine Reifenfabrik
Continental hat in Russland eine Reifenfabrik
© Christophe Gateau / DPA
Für deutsche Konzerne wird der Russland-Exit zum Balanceakt: Autozulieferer Continental fährt seine Reifenfabrik wieder hoch und begründet das mit Angst um die Mitarbeiter. Andere blasen zum geordneten Rückzug oder verschenken einfach alles.

Es ist ein Restart mit verheerender Außenwirkung: Pünktlich zum Beginn der russischen Großoffensive im Donbass erklärt der deutsche Autozulieferer Continental, dass der kriegsbedingte Produktionsboykott in Russland wieder beendet ist. Schon Ende vergangener Woche sei die Produktion in dem Reifenwerk in Kaluga südwestlich von Moskau wieder angelaufen, bestätigte das Unternehmen einen Bericht der FAZ.

Dabei hatte sich Continental zunächst in die Phalanx der Unternehmen eingereiht, die sich wegen des Krieges gegen die Ukraine von Russland abgewandt hatten. Anfang März hatte das Unternehmen aus Hannover entschieden, die Produktion in dem Werk in Kaluga "vorerst auszusetzen", wie es damals hieß. Zudem wurden alle russischen Im- und Exporte gestoppt. 

"Harte strafrechtliche Konsequenzen"

Die Kehrtwende begründet Continental nun mit der Fürsorgepflicht für die eigenen Mitarbeiter. "Die derzeitige Situation ist für international agierende Unternehmen wie Continental, die in Russland Produktionsstätten betreiben, äußerst komplex. So drohen unseren Mitarbeitern und Führungskräften in Russland harte strafrechtliche Konsequenzen, sollten wir darauf verzichten, die lokale Nachfrage zu bedienen", erklärte das Unternehmen der DPA.

Insgesamt hat Continental in Russland rund 1300 Beschäftigte. Produziert werde nur "im Bedarfsfall" und "temporär", erklärte das Unternehmen. Das Werk soll nicht voll ausgelastet werden. Man verfolge mit der Fertigung in Kaluga "keinerlei Gewinnerzielungsabsicht". Zudem betont das Unternehmen: "Continental unterstützt und befolgt alle geltenden Sanktionen sowie rechtliche Vorschriften, die in Folge des Krieges in der Ukraine verhängt worden sind."

Der Fall zeigt, wie schwer sich westliche Unternehmen mit russischen Standorten mit einem kompletten Ende ihrer Russland-Aktivitäten tun. Schon in der ersten Boykott-Welle nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatten viele Unternehmen betont, sich für ihre Mitarbeiter in Russland weiter verantwortlich zu fühlen. So lässt die Düsseldorfer Großhandelskette Metro ihr umfangreiches Russland-Geschäft mit dem Verweis auf ihre Tausenden Beschäftigten trotz öffentlicher Kritik weiter laufen. 

Exit-Strategien von Henkel, Obi, Oetker

Aber auch, wer seine Geschäfte nur vorübergehend auf Eis gelegt hat, muss sich langsam überlegen, ob und wie es dauerhaft weitergehen soll – und wie man mit Druck seitens der russischen Politik umgeht. Die russische Regierung will, dass insbesondere Produkte des täglichen Bedarfs weiter produziert werden. Andernfalls droht die Enteignung, ein entsprechender Gesetzentwurf wird derzeit diskutiert.

Zu den deutschen Konzernen, die zwar Russland-Investitionen gestoppt haben, aber vor Ort weiter produzieren, zählt der Düsseldorfer Konsumgüterriese Henkel. Der Produzent von Persil und anderen bekannten Marken des täglichen Gebrauchs hat sich nun zu einem geordneten Rückzug entschieden. Am Dienstag teilte Henkel erstmals mit, seine Geschäfte in Russland aufzugeben. "Der Umsetzungsprozess wird nun vorbereitet", heißt es in der Ankündigung. "Henkel wird eng mit seinen Teams in Russland an den Details arbeiten, um einen geordneten Ablauf zu gewährleisten." Die 2500 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor Ort würden in dieser Zeit weiter beschäftigt und bezahlt.

Andere deutsche Unternehmen haben schnellere Exit-Strategien gefunden. Der Bielefelder Nahrungsmittelhersteller Dr. Oetker hat sein russisches Werk an das Management vor Ort verkauft, die die Produktion nun auf eigene Rechnung fortführen können. Und die Baumarktkette Obi hat alle 27 russischen Märkte samt Einrichtung an einen Investor verschenkt. Dieser darf die Märkte nun unter anderem Logo weiterführen – und Obi hat mit Russland nichts mehr zu tun.

mit Agenturmaterial