Eine Reserve für 50 Jahre 70 Milliarden Tonnen: Was der Rekordfund von Phosphat in Norwegen bedeutet

Im Südwesten von Norwegen wurde eine gigantische Menge an Phosphat gefunden
Im Südwesten von Norwegen wurde eine gigantische Menge an Phosphat gefunden
© Norge Mining
In Norwegen hat ein Bergbauunternehmen eine Rekordmenge an Phosphat im Boden entdeckt. Der Fund entspricht etwa der Menge bislang nachgewiesener Weltreserven – und ist für viele Industrien von enormer Bedeutung.  

Dieser Fund könnte den weltweiten Bedarf nach Phosphat für die nächsten 50 Jahre decken: Im Süden Norwegens wurde eine enorme Menge an Phosphatgestein entdeckt. Schätzungsweise 70 Milliarden Tonnen liegen unter der Erde.

Es ist ein Fund, der in dieser Größenordnung noch nie gemacht wurde. Ein Blick auf die restlichen Phosphatvorkommen der Welt macht das deutlich: Der United States Geological Survey (USGS) bezifferte im Januar 2022 die gesamten weltweiten Phosphatvorkommen auf 71 Milliarden Tonnen. Der größte Teil davon liegt in Marokko.

Das sei eine "bedeutende Entdeckung", sagte Michael Wurmser, Gründer des Bergbauunternehmens Norge-Mining, dem Nachrichtenportal "Euractiv".

Vor allem für viele Industrien ist der Fund von großer Bedeutung. Phosphat wird in der Europäischen Union als "kritischer Rohstoff" eingestuft.

Phosphat wird in der Europäischen Union dringend benötigt

"Kritische Rohstoffe" sind Rohstoffe, bei denen die Nachfrage stark ansteigt. Bei diesen Rohstoffen ist Europa jedoch stark von Importen aus dem Ausland abhängig. Viele der Lieferanten in Drittländern, zum Beispiel China, haben eine "Quasi-Monopolstellung", wie es die Europäische Union ausdrückt. Zu diesen Rohstoffen gehören neben Phosphor und Phosphorit auch Hafnium, Kobalt, Bauxit, Titan und Lithium. Mit Norwegen hätte die EU dann einen Partner, der politisch sowie geografisch nähersteht. Norwegen ist etwa Teil des Europäischen Wirtschaftsraumes und des Schengenraumes. 

Die EU freut sich daher über den norwegischen Fund: "Die Entdeckung ist in der Tat eine großartige Nachricht, die zu den Zielen des Kommissionsvorschlags zum Gesetz über kritische Rohstoffe beitragen würde", erklärte ein Kommissionssprecher "Euractiv".

Denn Phosphat wird in drei wichtigen Bereichen benötigt: in der Stahlindustrie, in der Batterieindustrie und bei der Herstellung von Düngemitteln. Etwa 90 Prozent des weltweit abgebauten Phosphatgesteins wird in der Landwirtschaft zur Herstellung von Phosphor für die Düngemittelindustrie verwendet. 2013 wurden in Deutschland beispielsweise 83 Prozent der Phosphatimporte für Düngemittel verwendet.

Europa bei Phosphat noch vom Ausland abhängig

"Die Europäer hängen zu 90 Prozent von Rohstoffimporten aus dem Ausland ab", erklärte Wurmser dem Sender ntv. Die größten Rohstofflieferanten seien bisher China und Russland.

Und nicht nur das: "Düngemittel sind für die Nahrungsmittel- und Ernährungssicherheit wichtig." Wenn die Rohstoffe dafür dann importiert werden müssen, habe man ein Problem, so Wurmser weiter. 

Phosphat wird am Ende eines Förderbandes in Marokko auf einem Berg angehäuft
Unbehandeltes Phosphat wird am Ende eines Förderbandes in der Marca-Fabrik des nationalen marokkanischen Phosphatunternehmens auf einem Berg angehäuft
© Fadel SENNA / AFP

Phosphat wird aber nicht nur in der Landwirtschaft benötigt, sondern auch für Zukunftstechnologien. Der Rohstoff wird für die Herstellung von Solarzellen, Batterien für Elektroautos, aber auch für Halbleiter und Computerchips benötigt – Produkte, die die EU als "strategisch wichtig" für die Luft- und Raumfahrt, die Verteidigung und den grünen und digitalen Wandel bezeichnet.

Die norwegische Entdeckung kann die EU also beim Import dieser Rohstoffe unabhängig von anderen Staaten machen. In einem Interview mit "Euractiv" sagte Wurmser: "Deshalb glauben wir, dass der Phosphor, den wir produzieren können, für den Westen wichtig sein wird – er verschafft Autonomie."

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Auch andere Rohstoffe gefunden

Und die wird dringend gebraucht, wie die Autoren eines Artikels im Fachmagazin "Nature" im vergangenen Jahr schrieben. "Künftige Störungen des sicheren Zugangs zu Phosphor werden wahrscheinlich geopolitischer und wirtschaftlicher Natur sein, lange bevor die weltweiten Reserven erschöpft sind."

Bereits 2018 hatte Norge Mining das Phosphat entdeckt, auf Grundlage von Informationen des Geologischen Dienstes in Norwegen. Zunächst ging man davon aus, dass sich die Vorkommen in einer Tiefe von rund 300 Metern befinden. Später fand das Unternehmen heraus, dass sich der Erzkörper in 4500 Metern Tiefe befindet – eine Tiefe, in der es derzeit unmöglich ist, zu bohren, berichtet "Euractiv" weiter.

Geologen hätten darauf nur ein Drittel des Volumens, nämlich bis zu 1.500 Meter unter der Oberfläche, ausgewertet. Dies seien zusammengenommen "mindestens 70 Milliarden Tonnen mineralisiertes Phosphatgestein", so Wurmser. Neben Phosphat finden sich in dem Gebiet auch die "kritischen Rohstoffe" Vanadium und Titan.

EU muss sich sputen

Die EU müsse sich nun darauf konzentrieren, so Wurmser bei ntv, Rohstoffe zu sichern – und zwar in einem Gebiet, das politisch und wirtschaftlich im Bereich der EU liege. Aber gerade die tue sich im Moment schwer. Es sei "ganz wichtig, dass die Industrie und die Länder in der EU wissen, dass jetzt Not am Mann ist." Brüssel müsse die Bedeutung dieser Rohstoffe begreifen.

Aber: "Die möchten das jetzt wirklich vorantreiben." Bereits im Februar hatten Norge Mining und die European Raw Material Alliance (ERMA) gemeinsam verkündet, dass ERMA Norge Mining bei der Sicherung der Finanzierung unterstützt.

Anders sieht es im Entdeckungsland Norwegen aus, wo die Regierung das Projekt laut dem Bergbau-Chef "sehr unterstützt". Die Grundvoraussetzungen für die Erteilung der Abbaulizenzen seien erfüllt, inklusive der Wirtschaftlichkeitsstudien.

Bis der wertvolle Phosphatschatz in Norwegen gehoben werden kann, wird es allerdings noch dauern. Von der Entdeckung bis zum kommerziellen Abbau vergehen im Bergbau bis zu 15 Jahre. Für Norwegen hat das Phosphat jedoch das Potenzial, nach Erdöl und Erdgas die nächste Goldgrube zu werden.

Hinweis: Im Text wurde präzisiert, dass Norwegen eng mit der EU zusammenarbeitet

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