In vielen Staaten stöhnen die Menschen über die hohen Benzinpreise. In den USA, wo die Treibstoffkosten traditionell sehr niedrig sind, ist der Preis für eine Gallone Sprit (knapp 3,8 Liter) erstmals über die psychologisch wichtige Marke von fünf Dollar angestiegen, das sind derzeit 4,77 Euro und entspricht etwa 1,26 Euro pro Liter. Vor zwei Jahren gab es die Gallone mancherorts noch für weniger als zwei Dollar, also ungefähr 50 Cent pro Liter. In Deutschland stagnieren die Benzinpreise mit rund zwei Euro auf hohem Niveau, trotz des von der Bundesregierung eingeführten "Tankrabatts". Ohne den, so heißt es bei der Mineralölindustrie, wäre noch mehr Geld für den Liter fällig.
Profiteur der hohen Preise ist ausgerechnet Russland. Der Staat, der vor drei Monaten in die Ukraine einmarschiert ist, hat einer Analyse zufolge in den ersten hundert Kriegstagen 93 Milliarden Euro an Einnahmen aus dem Export fossiler Brennstoffe erzielt. Laut des nun veröffentlichten Berichts des in Finnland ansässigen Centre for Research on Energy and clean Air (CREA) ist die EU nach wie vor mit Abstand der größte Abnehmer russischen Gases und Erdöls.
China überholt Deutschland
Laut CREA entfielen zwischen 24. Februar und 3. Juni 61 Prozent der fossilen Exporte Russlands auf die EU. Dies entspricht demnach 57 Milliarden Euro. Unter den Einzelstaaten war China mit 12,6 Milliarden Euro wichtigster Kunde vor Deutschland mit 12,1 Milliarden und Italien mit 7,8 Milliarden Euro.
Während der Öl-Verbrauch weltweit weiterhin steigt, ist er in Deutschland zuletzt zurückgegangen – unter anderem auch wegen der Coronapandemie. 2020 wurden 96,2 Millionen Tonnen verbraucht, im Jahr zuvor waren und noch zehn Millionen Tonnen mehr.
Lieferstopp für Polen und Bulgarien: Sechs Fragen und Antworten zum russischen Gas

Ist die Gasversorgung in Deutschland gesichert?
Ja und nein. Es kommt darauf an, welchen Zeitraum man betrachtet. "Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist derzeit gewährleistet", sagt die Bundesnetzagentur. "Die Einstellung von russischen Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien hat bislang keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in Deutschland."
In einem Bericht des Wirtschaftsministeriums an den Bundestag vom Mittwoch ist allerdings die Rede von einer "akuten Gefahr, dass die Situation weiter eskaliert und russische Gaslieferanten ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht oder nur eingeschränkt erfüllen". Dies wäre für die Gasversorgungslage in Deutschland kurz- bis mittelfristig kritisch. Hintergrund sei die Forderung Russlands, Zahlungen in Rubel abzuwickeln, dem sich die G7-Staaten widersetzen.
Russisches Gas von Embargo nicht betroffen
Die Einnahmen Russlands stammen mit 46 Milliarden Euro in erster Linie aus dem Verkauf von Rohöl, gefolgt von Gas in Pipelines mit 24 Milliarden Euro. Der Rest der Einnahmen kommt aus dem Verkauf von Erdölprodukten, verflüssigtem Erdgas (LNG) und schließlich Kohle.
Zwar hat die Europäische Union vor Kurzem ein schrittweises Embargo – mit Ausnahmen – für ihre Ölimporte aus Russland beschlossen. Russisches Gas, von dem der Wirtschaftsblock stark abhängig ist, ist bislang jedoch nicht betroffen. Obwohl die Importe im Mai zurückgegangen sind und Russland gezwungen ist, seine Bodenschätze auf den internationalen Märkten zu Schleuderpreisen zu verkaufen, profitiert der Kreml von den weltweit explodierenden Energiepreisen.

Frankreich erhöht Einkäufe
Während einige Länder wie Polen, Finnland und die baltischen Staaten ihre Importe seit Kriegsbeginn reduziert haben, haben andere wie China, Indien und EU-Mitglied Frankreich ihre Einkäufe erhöht. "Während die EU strengere Sanktionen gegen Russland in Erwägung zieht, hat Frankreich seine Importe erhöht und ist damit zum weltweit größten Käufer von russischem LNG geworden", erklärte CREA-Analyst Lauri Myllyvirta.
Der Experte sagte, dass es sich bei den Importen um Spot-Geschäfte, und nicht um langfristige Lieferverträge handelt. Dies bedeutet, dass sich Frankreich trotz der Invasion in der Ukraine bewusst für die Nutzung russischer Energie entschieden hat. "Frankreich muss seine Taten mit seinen Worten in Einklang bringen", forderte Myllyvirta. "Wenn es die Ukraine wirklich unterstützt, muss es sofort ein Embargo für russische fossile Energieträger einführen und schnell saubere Energie und Energieeffizienzlösungen entwickeln."
Moskau rechnet mit sattem Plus
Ende Mai hatte Moskau erstmals seine Mehreinnahmen durch die international hohen Energiepreise beziffert: Er rechne in diesem Jahr mit zusätzlichen 13,7 Milliarden Euro durch Öl- und Gasexporte, sagte der russische Finanzminister Anton Siluanow. Die Regierung wolle das Geld ausgeben, als zur Seite legen. Es solle für "zusätzliche Zahlungen" für Rentner sowie Familien mit Kindern ausgegeben werden und für die "Spezialoperation" in der Ukraine, so der Finanzminister.