Der Redner kam nur mit Mühe gegen den Lärm an. "Es wird noch viel, viel mehr solcher Zentren geben", sagte Anders Binnmyr, Immobilien-Chef von Ikea-Russland, stolz und zeigte die gigantische Halle. Um ihn herum wurden letzte Platten verlegt und Wände gestrichen für einen weiteren rekordverdächtigen Moskauer Einkaufstempel mit 250 Läden auf 175.000 Quadratmetern Verkaufsfläche.
Ölpreis befeuert einen Wirtschaftsboom
"Mega 2", das mittlerweile zweite Ikea-Einkaufszentrum dieser Art in Moskau, öffnete am 2. Dezember seine Tore. Pünktlich zum Neujahrsgeschäft in Russland, das dieses Jahr einmal mehr Rekorde brechen wird - so wie das ganze Jahr 2004. Die hohen Ölpreise spülen viel Geld in die Kassen des weltweit zweitgrößten Rohöl-Exporteurs. Die Wirtschaft wächst um 6,8 Prozent. Es entstehen neue Jobs, zur Freude des Einzelhandels sind die Einkommen allein in diesem Jahr real um neun Prozent gestiegen. Kein Wunder also, dass Ikea 17 weitere "Megas" plant in St. Petersburg und anderen Millionenstädten.
2004 dürfte allerdings auch als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem der Kreml den Ölgiganten Yukos zerschlagen und seinen Einfluss in der Wirtschaft wieder intensiviert hat. Der Staat nimmt die Schlüsselbranchen wie Energie und Rüstung wieder verstärkt unter Kontrolle.
Ohne den Kreml geht gar nichts
Die Zwangsversteigerung der Yukos-Produktionseinheit Juganskneftegas zur Deckung der Steuerschulden in der Höhe von rund 15 Milliarden Euro dürfte das Ende des einstigen Vorzeigeunternehmens bedeuten. Ohne Grünes Licht aus dem Kreml braucht sich kein Käufer Hoffnung auf einen Zuschlag am 19. Dezember zu machen.
Präsident Wladimir Putin statuiert an Yukos ein Exempel für die Großindustrie: Zahlt Steuern und haltet euch aus der Politik raus! Zugleich haben der Kreml und die "Silowiki", die Geheimdienstler in Putins Umkreis, ihren Einfluss in der Wirtschaft auch personell verstärkt: Bei Aeroflot, dem staatlichen Ölkonzern Rosneft und dem Atombrennstab-Hersteller TWEL leiten seit neuestem Kreml-Beamte mit Geheimdiensthintergrund die Aufsichtsräte. Putins Stabschef Dmitri Medwedjew bekleidet den selben Posten bei Gasprom.
Politik bremst Reformen
Experten befürchten, dass diese neue Politik die Reformen zum Stillstand bringt und die wirtschaftliche Entwicklung bremst. Erste Anzeichen gibt es bereits, seit Herbst hat sich das Wachstum merklich abgeschwächt. Vor allem das verlangsamte Wachstum bei Investitionen bereitet den Experten Sorgen. Die Unsicherheit zeigt sich auch in starken Bewegungen auf dem Aktienmarkt. Vom Allzeithoch 781,55 Punkte Ende Februar sank der RTS-Interfax-Index auf 518,15 im August, um Ende November wieder bei 627,98 zu landen.
Für seine zweite Amtszeit, die im Mai begann, scheint Putin das Wort "Reform" aus seiner Agenda gestrichen zu haben. So geht die Arbeit am schwachen Bankensystem kaum voran. Um das Unternehmertum zu fördern, wurden zwar Gesetze zum Abbau der Bürokratie verabschiedet. Doch sie bleiben oft Makulatur und werden nicht umgesetzt. Die positiven Effekte des Ölpreises auf Rekordhoch machen es den Verantwortlichen im Kreml leicht, diese Defizite zu verdrängen.
Verbraucher bleiben unbeeindruckt
Erste Meldungen über das russische Weihnachtsgeschäft bestätigen, dass zumindest die Konsumenten nichts von ihrer Zuversicht eingebüßt haben. Das dürfte auch die Ladenbesitzer im neuen "Mega" freuen, denn in Russland setzt das Weihnachtsgeschäft früher ein als im Westen und dauert länger: Geschenke gibt es in Russland erst zum Neuen Jahr.