Der Energiekonzern Uniper ächzt unter den hohen Gaspreisen wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und ruft daher den Staat um Hilfe. Uniper habe "Diskussionen mit der Bundesregierung über Stabilisierungsmaßnahmen" begonnen, teilte das Unternehmen in Düsseldorf am Mittwochabend mit. Dafür komme "eine Reihe von Instrumenten in Frage", etwa Garantieleistungen, eine Erhöhung der Kreditlinie sowie auch Beteiligungen an dem Unternehmen.
Grund für die Entscheidung sind laut Uniper "signifikante finanzielle Belastungen". Seit Mitte Juni bekomme Uniper nur 40 Prozent der Gaslieferungen, die der russische Gazprom-Konzern vertraglich zugesagt hat. Uniper könne flexibel mit anderweitigen Einkäufen darauf reagieren und den eigenen Kunden Versorgungssicherheit garantieren. Jedoch gehe das nur zu "deutlich höheren Preisen".
Zu den finanziellen Belastungen kämen Unsicherheiten angesichts der geopolitischen Lage sowie der Dauer der russischen Restriktionen bei der Gaslieferung hinzu, führte der Energieversorger aus. Daher sei auch die Entwicklung der Gaspreise derzeit schwer einzuschätzen.
Wegen der unklaren Lage kassierte Uniper seine Ergebnisprognose für das Geschäftsjahr 2022 – gab zunächst aber keine neue genaue Prognose ab. Dazu will das Unternehmen die nächsten Schritte der Bundesnetzagentur abwarten. Die Bundesregierung befindet sich nach Darstellung des Wirtschaftsministeriums mit dem Unternehmen in Gesprächen über Stabilisierungsmaßnahmen.
Habeck fürchtet kompletten Lieferstopp durch Ostsee-Pipeline
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck befürchtet ein vollständiges Ausbleiben russischer Gaslieferungen durch die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream. Es drohe ab dem 11. Juli "eine Blockade von Nord Stream 1 insgesamt", sagte der Grünen-Politiker am Donnerstag bei einem "Nachhaltigkeitsgipfel" der "Süddeutschen Zeitung". Deswegen könne es im Winter wirklich problematisch werden. Die Gasversorgung über den Sommer sei gewährleistet.
Mitte Juni hatte Russland unter Verweis auf technische Probleme die Lieferungen durch Nord Stream bereits stark gedrosselt. Als Reaktion darauf hatte die Bundesregierung die Alarmstufe im Notfallplan Gas ausgerufen. "Gas ist von nun an ein knappes Gut in Deutschland", hatte Habeck gesagt. Er hatte ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, damit der Gasverbrauch in der Industrie sinkt und Gas stattdessen eingespeichert werden kann.
Die Appelle und Maßnahmen zur Verringerung des Gasverbrauchs zeigen nun offenbar Wirkung: Bundesweit lag der Gasverbrauch zwischen Januar und Mai bei rund 460 Milliarden Kilowattstunden, wie der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) am Donnerstag mitteilte. Das waren demnach 14,3 Prozent weniger als in den ersten fünf Monaten des Vorjahres.
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Neben der milden Witterung im Frühjahr seien auch die hohen Gaspreise ein wesentlicher Grund dafür, hieß es. Denn auch bereinigt um Temperatureffekte lag der Rückgang im Vorjahresvergleich laut Verband noch bei knapp 6,5 Prozent. Besonders deutlich sei der Rückgang im Mai gewesen, erklärte der BDEW und verwies auf "persönlich motivierte Einspareffekte".
Speicher sollen im Winter voll sein
Am 11. Juli beginnen nun jährliche Wartungsarbeiten an Nord Stream 1. Die Pipeline werde in der Regel für zehn Tage heruntergefahren, sagte Habeck bei dem "Nachhaltigkeitsgipfel". Aber nach dem Muster, dass man gesehen habe, wäre es nicht "superüberraschend", wenn irgendein kleines Teil gefunden werde. "Und dann sagt man: Ja, das können wir halt nicht wieder anmachen, jetzt haben wir bei der Wartung irgendwas gefunden und das war's dann. Also insofern ist die Situation durchaus angespannt."
Die Speicher müssten zum Winter hin voll sein, so Habeck weiter, zwei schwimmende Terminals zum Import von Flüssigerdgas (LNG) in Deutschland müssten angeschlossen sein. Die aktuellen Füllstände der Speicher in Deutschland liegen laut Bundesnetzagentur bei rund 61 Prozent. Nach der russischen Drosselung werde pro Tag 0,3 bis 0,5 Prozent Gas eingespeichert, sagte Habeck. Das sei ungefähr die Hälfte dessen, was vor dem "Cut" von Nord Stream 1 passiert sei. Es seien aber noch erhebliche Mengen.