Prozess gegen Silvio S. Kam das Gespräch auf den Missbrauch, "huschte ein Grinsen über sein Gesicht"

Im Prozess gegen den mutmaßlichen Kindermörder Silvio S. haben Polizisten S.' Aussagen über den Mord an Mohamed detailliert geschildert. Was sie berichteten, steigerte das Entsetzen über das Verbrechen noch einmal.

"Herr S. geht's Ihnen grad‘ nicht gut?“, fragt der Richter den Angeklagten. Silvio S. schaut nur kurz auf und sagt: "Nicht wirklich." Sein Anwalt bittet darum, bald eine Pause einzulegen.

Seit morgens um 9.30 Uhr schaut eine Kinderpuppe mit großen Kulleraugen direkt in Richtung von Silvio S. Die Puppe ist "Spur Nr. 3.1.1.47" im Elias-Mohamed-Prozess. Staatsanwalt Peter Petersen hat sie in einen kleinen Sessel setzen lassen und direkt in Blickrichtung des Angeklagten positioniert, nur wenige Meter von ihm entfernt. Es ist eine große Puppe, sie ist etwa einen Meter groß, sie trägt ein Tigerkostüm und eine Perücke. Fast einen ganzen Verhandlungstag lang versucht Silvio S., dem Kulleraugen-Blick von Spur Nr. 3 auszuweichen.

Silvio S. "übte" Anal- und Oralverkehr

Es ist schon Nachmittag, als Petersen einen Einmal-Handschuh überstreift, die Puppe nimmt, sie entkleidet, in die Höhe hält und auf den Richtertisch setzt. Auf dem Computer von Silvio S. hatten sich bei den Ermittlungen neben diversen Hardcore- und SM-Pornos auch Bildsequenzen gefunden, auf denen S. mit dieser Kinderpuppe Anal- und Oralverkehr "übt" - und sich vermutlich so auf den spätere realen Missbrauch an kindlichen Opfern vorbereitet.
Silvio S. muss die Aufnahmen davon selber angefertigt haben. Der Angeklagte schaut auf die Puppe, er schaut auf den Richter, dann blickt er an sich herunter und faltet sich förmlich in sich zusammen. Er schluckt schwer, als müsse er sich gleich übergeben. Ein gebrochener Mann.
Aber Petersen kennt keine Gnade. Dieser Tag wird zum Tag der brutalstmöglichen Konfrontation mit einer Tat, die die Grenzen menschlicher Vorstellungskraft übersteigt. Und das nicht nur wegen der Puppe.

Polizisten-Aussagen steigern Entsetzen

Kripobeamte, die Silvio S. noch am Tag seiner Festnahme befragten, sind als Zeugen geladen. Ihre Angaben zeichnen ein erschütternd genaues Bild vom Mord an dem Flüchtlingskind Mohamed. Es ist das, was Silvio S. vor der Polizei erzählte - die Tätersicht auf das Verbrechen. Was dabei zur Sprache kommt, steigert das Entsetzen noch, das diesen Prozess schon von Anfang an begleitet hat.
Die erste Vernehmung des mutmaßlichen Kindermörders fand am Donnerstag, den 29. Oktober 2015 in der Polizeiwache Luckenwalde statt. Beginn: 17.36 Uhr, Ende: 21.04 Uhr.

Silvio S. erzählt in der Vernehmung, dass ihm das Gelände des Berliner "Landesamtes für Soziales und Gesundheit" (Lageso), wo er schließlich sein Opfer fand, aus den Medien bekannt gewesen sei. Am Morgen des 1. Oktober gibt er die Adresse des Lageso in das Navigationsgerät seines weißen Dacia ein und fährt nach Berlin-Moabit. Um 13.40 Uhr, so hält es eine Video-Überwachungskamera fest, betritt er das weitläufige Areal, auf dem sich zu dieser Zeit Tausende von Flüchtlingen aufhalten, um auf die Bearbeitung ihrer Asylanträge und die Auszahlung von Geldleistungen zu warten. Bei sich trägt er eine Plastiktüte, Inhalt: ein Spielzeug-LKW, ein Spielzeug-Geländewagen, Kuscheltiere. Angeblich will er den Flüchtlingen helfen, mit einer kleinen Spende.

Stundenlang fährt er ziellos im Auto umher

Silvio S. beobachtet das Menschengewimmel, da fällt sein Blick auf den kleinen Mohamed. Der Junge bekommt von einem ungefähr 10-jährigen Mädchen ein Kuscheltier, aber er schmeißt es weg, wohl weil es ihm nicht gefällt. Silvio S. nimmt ein Plüschtier aus seiner Tüte und bietet es Mohamed an. Der greift sofort zu. Als Silvio S. schon weitergehen will, sieht er, dass Mohamed ihm hinterherläuft. An einer Wasserausgabestelle besorgt er dem kleinen Jungen aus Bosnien etwas zu trinken. Dann lotst er ihn in sein Auto.

Stundenlang fährt er ziellos mit dem Kind umher. Gegen 21.00 Uhr fasst er den Entschluss, nach Hause zu fahren, in das brandenburgische Dorf Kaltenborn, wo er in einer Doppelhaushälfte mit seinen Eltern wohnt. Sein Vater ist zu diesem Zeitpunkt schon im Bett, die Mutter schaut im Erdgeschoss Fernsehen. Das Kind läuft angeblich schnell und ohne Angst die Treppe in den ersten Stock hoch, wo Silvio S. einen Wohn- und einen Schlafraum bewohnt.

Er setzt sich mit dem entführten Jungen auf die Couch im Wohnzimmer, die beiden schauen fern. Irgendwann schläft Mohamed ein, er ist zu dieser Zeit schon um die 20 Stunden auf den Beinen, weil seine Familie am Morgen sehr früh zum Lageso aufgebrochen ist. Silvio S. trägt den Jungen hinüber in sein Schlafzimmer und legt ihn ins Bett. Er legt sich daneben und kann nicht schlafen. Er versucht, sich an Mohamed "anzukuscheln", wie er es in der Vernehmung nennt. Er nimmt den kleinen Jungen in den Arm. Silvio S., der wenige Stunden später laut Aktenlage zum Mörder wird und der kleine Mohamed, sein Opfer, verbringen nebeneinander schlafend die Nacht im Bett.

Silvio. S. macht Mohamed noch Frühstück

Am nächsten Morgen gegen 7 Uhr wachen die beiden auf. Die Eltern von Silvio S. sind zu dieser Zeit schon außer Haus. Silvio S. streichelt Mohamed am ganzen Körper, auch am Unterleib. Zwischendurch gehen beide ins Erdgeschoss, Silvio S. macht dem Jungen ein kleines Frühstück, belegte Brote mit Schinken und Käse.

Dann lotst er Mohamed wieder in den ersten Stock. Er streichelt Mohamed, auch am Penis, er will den Jungen animieren, dies auch bei ihm zu tun. Aber er muss die Hand des Jungen dabei führen, sobald er sie nicht mehr führt, zieht Mohamed seine Hand weg. Nebenbei laufen im Fernsehen Zeichentrickfilme.

Silvio S. geht jetzt immer weiter: Er schaltet den Computer an, sieht Pornofilme der härteren Sorte, in einem haben zwei Männer Verkehr mit einer Frau. Der kleine Junge kommt neugierig hinzu. Gemeinsam schauen sie die Pornos: Silvio S., zu diesem Zeitpunkt 32 Jahre alt und Mohamed, ein vierjähriges Kind.

Er macht Aufnahmen von Mohamed

Im Laufe des späten Vormittags muss sich die Situation immer weiter zugespitzt haben. So jedenfalls hat es Silvio S. gegenüber den Vernehmungsbeamten geschildert. Er will Mohamed animieren, das, was beide in den Pornofilmen gesehen haben, nun auch hier in die Tat umzusetzen. Aber der kleine Junge will nicht. Silvio S. macht mit seinem weißen Samsung-Handy ein paar Filme mit sich und dem Kind. Immer, wenn Silvio S. den Kopf von Mohamed in Richtung seines Genitals drückt, versucht das Kind, seinen Kopf wieder weg zu ziehen.
Silvio S. wird jetzt immer wütender. Er bekommt keine Erektion, die Sache läuft nicht so, wie er es sich vorgestellt hat. Mohamed bemerkt die Wut seines Peinigers, er fängt verängstigt an zu weinen, er ruft nach seiner Mutter.

Der Junge darf noch einmal seine Notdurft verrichten, er muss dies in einem Eimer auf dem Dachboden tun, weil inzwischen der Vater von Silvio S. zurückgekehrt ist und im Erdgeschoß umherläuft.

Mohamed weint immer lauter

Das Entdeckungsrisiko steigt. Der Junge weint immer lauter. Silvio S. stürzt sich auf den auf dem Bett im Schlafzimmer liegenden Mohamed, er würgt ihn mit beiden Händen, bis er glaubt dass das Kind tot ist. Dann geht er hinüber in sein Wohnzimmer, zappt durchs TV-Programm, überlegt, was er nun tun kann. Da hört er aus dem Schlafzimmer ein leises Wimmern und Röcheln. Silvio S. stürzt ins Schlafzimmer, nimmt die auf dem Boden liegende Unterhose des Kindes, tränkt sie mit Chloroform und drückt sie seinem Opfer ins Gesicht. Er fesselt Handgelenke und Füße des Kindes mit Kabelbindern. Er klebt seinen Mund mit "Panzer-Tape" zu, einem besonders stark klebenden, strapazierfähigen silbernen Klebeband.

Schließlich fädelt er den schwarzen Ledergürtel aus seiner Arbeitshose, die er für seinen Dienst als Wachmann braucht, schlingt den Gürtel um den Hals des kleinen Jungen und zieht fest zu. Der Todeskampf habe länger gedauert, als er ursprünglich erwartet habe, sagt er in der Vernehmung.

Nach der Tat zieht sich Silvio S. laut eigener Aussage an, macht sich etwas zu essen, fährt zur Arbeit. Den Leichnam des Jungen hat er zuvor in eine gelbe Plastikwanne gelegt, die er vom Dachboden geholt hat.

Polizist: Da war keine Empathie

Die Beamten, die bei der Erstvernehmung dabei waren, sagen, Silvio S. sei sehr gefasst gewesen, als er von den Details des Mordes berichtete. "Tränen habe ich nicht gesehen. Ich habe nicht ein Wort des Bedauerns in Erinnerung, da war kein Mitleid mit den Opfern, keine Empathie", sagt Willi J. (31), Vernehmungsbeamter der Mordkommission des Landeskriminalamtes Berlin. "Wenn wir mit mehreren um ihn herumstanden, dann erschien es mir manchmal so, als würde er die Aufmerksamkeit um seine Person direkt genießen."

Auf die Frage, warum er den kleinen Mohamed getötet habe, gab Silvio S. zu Protokoll: "Es musste halt sein, weil er sonst rumgequakt hätte und ich ihn sonst nicht ruhig gekriegt hätte. Und dann musst ich ja auch abends wieder zur Arbeit."

Tatjana F. (44)., die das Vernehmungsgespräch mit dem mutmaßlichen Kindermörder führte, erinnert sich allerdings daran, dass Silvio S. "für Momente von Gefühlen heimgesucht wurde und sich Tränen aus den Augen gewischt hat". Dann wieder, wenn das Gespräch auf die sexuellen Missbrauchshandlungen kam, die er an dem kleinen Mohamed vornahm, "huschte so ein Grinsen über sein Gesicht. Als ob er sich nochmal an einen schönen Moment erinnerte."

Silvio S. schweigt weiter

Als die Kripobeamtin das erzählt, hebt Silvio F. den Blick und schüttelt heftig den Kopf, er zieht dabei die Augenbrauen hoch, als wolle er sagen: "Was hier wieder für ein Unsinn über mich erzählt wird." Dann aber sinkt sein Kopf wieder, immer tiefer, in Richtung Tischplatte und oft ist er an diesem Tag den Tränen nahe. Er schweigt weiter, wie vom ersten Prozesstag an. Daher bleibt unklar, ob er bis heute einen wie auch immer gearteten Zugang zu den grausamen Taten gefunden hat, die ihm vorgeworfen werden.

Die Vernehmungsbeamtin Tatjana F. hat das auch interessiert. Einmal, auf einer längeren Autofahrt von der Polizeiwache in Luckenwalde zum Landeskriminalamt in Berlin-Tempelhof, nutzte sie einen Moment der Stille, um Silvio S. zu fragen: "Sagen Sie mal, seit wann wissen Sie eigentlich, dass Sie auf kleine Jungs stehen?"

Silvio S. grinste nur. Dann sagte er: "Was hat denn das mit kleinen Jungs zu tun?"

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