Noch im Rücktritt wirkte er unredlich. Wolfgang Niersbach, der der deutschen Öffentlichkeit über Wochen nicht die Wahrheit gesagt hat und dem nun auch in den hohen Gremien des DFB der Rückhalt fehlte: Er sagte, er übernehme "die politische Verantwortung". Als hätten da ein paar Leute Mist gemacht, und der Chef stehe großmütig für sie ein.
Die "politische Verantwortung" hätte Wolfgang Niersbach, 64, DFB-Präsident von 2012 bis 2015, schon nach der ersten Veröffentlichung des "Spiegel" übernehmen können. Doch da dachte der frühere Pressesprecher wohl noch, er komme durch mithilfe kräftiger Dementi und seines dichten Netzes an Kontakten. Schwarze Kasse? Auf keinen Fall, blockte er ab. Und kündigte an, juristisch gegen den "Spiegel" vorzugehen.
Der DFB konterte. Der Medienanwalt des Verbandes trat in einer Fußballtalkshow im Fernsehen auf, siegesgewiss wie die Elf des FC Bayern. "Der Franz hat gesagt, es ist ein Kas", attestierte ein mit Niersbach befreundeter "Bild"-Autor, der die Vorwürfe mit Franz Beckenbauer exklusiv besprochen hatte.
DFB will nicht mehr gegen "Spiegel" vorgehen
Inzwischen ist nicht mal mehr sicher, ob es "nur" um die 6,7 Millionen Euro an die Fifa geht, die die Deutschen 2005 unter falschem Verwendungszweck überwiesen und die jetzt die Steuerfahndung beschäftigen. Manches deutet darauf hin, dass bei der WM-Vergabe wirklich Stimmen gekauft wurden. Den "Spiegel" zumindest will der DFB plötzlich nicht mehr verklagen.
Wolfgang Niersbach bemühte sich von Beginn der Enthüllungen an, die journalistischen Recherchen zu konterkarieren. Das kann guten Gewissens tun, wer sich seiner Sache sicher ist. Das sollte in Zeiten von Lügenpresse-Vorwürfen tunlichst unterlassen, wer ein hohes Amt innehat und später kleinlaut behauptet, selbst kaum Durchblick zu haben. Doch Niersbach wollte stehen, unbedingt und gestützt von allerlei Kumpels aus Bundesliga und Nationalelf-Kosmos.
Nun, nach seinem Rücktritt, stehen auch diese Prominenten des deutschen Profifußballs belämmert da. Es wirkte schon nassforsch, wie sie in den vergangenen Wochen die Realität ignorierten und sich wild entschlossen vor Niersbach warfen. Nun erscheint es regelrecht anmaßend, dem Präsidenten beizuspringen und damit den Erkenntnissen von Journalisten und teilweise sogar Staatsanwälten entgegenzutreten.
"Ich vertraue Wolfgang Niersbach zu 100 Prozent", ließ sich der Bundestrainer Joachim Löw vernehmen, wohl wissend, dass er damit die Meinung der Fußballfans merklich zu Gunsten seines Chefs beeinflusste. Als "Ehrenmann" bezeichnete Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge den unter Druck geratenen DFB-Präsidenten. Und Klaus Allofs vom VW-Klub Wolfsburg bescheinigte Niersbach noch vor wenigen Tagen, stets alles im Sinne des deutschen Fußballs getan zu haben. Dafür wollte Allofs, sogar seine "Hand ins Feuer" legen.
Bizarres Verständnis von Aufklärung
Am tiefsten ließ vielleicht der 1899-Hoffenheim-Besitzer Dietmar Hopp blicken. Den Milliardär störte schlicht die Aufdeckung der schwarzen Kasse: "Ich finde es jammer-, jammerschade, dass das jetzt an die Öffentlichkeit gebracht wurde", sagte Hopp.
Was für ein bizarres Verständnis von Aufklärung. Und was für unangebrachte Blankochecks über Treue und Solidarität. Die Einlassungen der deutschen Fußballprominenz verströmten jene Überheblichkeit, die man hierzulande sonst gern den bösen Fifa-Funktionären attestiert.
Leisere Töne hörte man zuletzt nur von den Landesvorsitzenden des DFB, die nicht die Profis, sondern die Amateure vertreten. Sie verlangten Aufklärung. Dabei beließen sie es.
Seit Niersbachs Rücktritt klingt auch die DFB-Spitze kleinlauter. In der Zentrale in Frankfurt weiß man offenbar, dass man in der Affäre rund um das Sommermärchen noch längst nicht alles weiß.