Intelligente Autos werden die Straßen erobern, und die Zukunft hat schon begonnen: Vor Kurzem hat die TU Braunschweig ein selbstfahrendes Testfahrzeug in den realen Straßenverkehr geschickt. "Leonie" legte ohne Fahrer eine Strecke von elf Kilometern zurück. Internet-Gigant Google ist nach eigener Aussage bereits einen gewaltigen Schritt weiter und hat seit einem Jahr mit intelligenten Fahrzeugen schon mehr als 225.000 Kilometer abgespult.
Robotik-Experte Christoph Stiller erforscht im Ingenieursverband IEEE (Intelligent Transportation Systems Society) die Möglichkeiten der intelligenten Autos. Er ist überzeugt, dass in Zukunft die Autos nicht nur selbst lenken werden, sondern sogar mit anderen Fahrzeugen auf der Straße kommunizieren können.
Der Trick der fahrerlosen Autos
Die Grundvoraussetzung eines Roboter-Autos sei, dass es sich orientieren kann, erklärt Stiller. Der Computer müsse die Verkehrsschilder verstehen, erkennen, wo er sich befindet, und wissen, wie der Wagen zum Ziel komme. Doch um im "richtigen" Verkehr bestehen zu können, müssten intelligente Autos noch viel mehr können: Sie sollen ihre gesamte Umgebung wahrnehmen und entsprechend darauf reagieren; mit Sensoren wird das Umfeld gescannt, damit das Auto andere Fahrzeuge, Fußgänger und auch den Ball, der über die Straße rollt, erkennen kann. Der Vorteil zum Mensch liegt auf der Hand: Eine Maschine ist nie abgelenkt und sie nimmt die Umgebung in einem Radius von 360 Grad wahr, hat also auch hinten "Augen".
Aber ein Roboter-Auto kann noch viel mehr: Die Verbindung mit den Daten anderer Verkehrsteilnehmer lässt es auch mit deren Sensoren "sehen". "So wird der Blick um Kurven ermöglicht", erläutert Stiller. "Außerdem wissen diese Autos genau, was die anderen Wagen vorhaben. Auf diese Weise werden Fahrmanöver mit denen anderer Verkehrsteilnehmer abgestimmt und erweitert. Das Auto wird lernfähig sein und so ein selbstständiges Verhalten planen und koordinieren können."
2030 Alltag auf den Straßen
Auch wenn Google bereits über 200.000 Kilometer in eigenen Testfahrzeugen problemlos zurück gelegt hat, steht die Einführung der Roboter-Autos nicht unmittelbar bevor. "Das Google-Forschungsteam ist sehr gut", so Stiller, "deren Testfahrzeuge sind aber bereits am oberen Ende der heutigen technischen Möglichkeiten angelangt." Kognitive Fahrzeuge könnten bereits heute Grundmanöver alleine ausführen. Doch eine akzeptable Sicherheit in allen Situationen, und das sei derzeit ein Hauptproblem, könne nicht garantiert werden. Erst wenn das Unfallrisiko fast ausgeschlossen werden könne, werde man Roboter-Autos auf den Straßen fahren sehen.
Stiller prognostiziert eine schleichende Entwicklung, die in der automobilen Oberklasse mit aktiven Assistenzsystemen bereits begonnen hat. "Irgendwann wird die Technik soweit sein, dass das Auto besser fahren kann, als der Mensch", glaubt der Robotik-Forscher. Bis sich die selbstfahrenden Autos in alltäglichen Verkehrssituationen behaupten können, werde es etwa 20 Jahre dauern.
Doch dann, so Stiilers Vision, werden die intelligenten und vernetzten Autos die Verkehrsplanung revolutionieren. Vorteil Nummer eins: Jedes Auto wisse, wo die anderen Verkehrsteilnehmer gerade sind und wo sie hinfahren wollen, so könne der Auto-Computer die optimale Route und Geschwindigkeit berechnen.
Vorteil zwei: Die intelligente Technik bringe eine aktive Verkehrsüberwachung- und Planung mit sich. Die Infrastruktur an Straßen werde effizienter genutzt. Das Stehen im Stau oder das Warten an roten Ampeln gehörten dann der Vergangenheit an.
Christoph Stiller prognostiziert zunächst eine Mischung aus zentral gesteuertem und Individualverkehr. "Rein menschliche Verkehrsführung wird es nicht mehr geben, vielleicht noch in Bereichen, in denen wenig Verkehr herrscht. Überall wo viele Autos fahren, werden sie miteinander kommunizieren."
Der Fahrer werde nach wie vor das Steuer übernehmen können, doch in brenzligen Situationen werde das System einschreiten und eine Kollision verhindern. Vermutlich werde der Selbstfahrer aber zu einer aussterbenden Art. "Ich persönlich würde mich schon heute lieber vom Auto chauffieren lassen, als selber im Stau zu lenken", sagt Stiller. Auch die Form des Autos wird sich seiner Meinung nach stark verändern. "Vielleicht wird es kein Lenkrad mehr geben oder wir fahren künftig in mobilen Büros oder Lounges durch die Gegend."
Eine Frage des Vertrauens
Und noch einen gravierenden Vorteil bietet die Computertechnik: Der Benzinverbrauch ließe sich mit einem autonomen Auto schon mit der jetzt bestehenden Antriebstechnik um 25 Prozent reduzieren. "Dieser Effekt wird erreicht, weil die Abstände zwischen hintereinander fahrenden Fahrzeugen risikofrei verringert werden können. So wird verbrauchsarmes Windschattenfahren möglich", erklärt Stiller.
Selbst der Öffentliche Nahverkehr könnte profitieren. Ein fahrerloser ÖPNV würde zu enormen finanziellen Einsparungen führen. Dann könnten automatische Kleinbusse in kürzeren Taktzeiten fahren und auch ländliche Regionen flächendeckend und effizient befahren. Für den Beruf "Kraftahrer" sind die Aussichten allerdings düster.
Die Vorstellung, ein Auto allein entscheiden und fahren zu lassen, löst derzeit noch großes Unbehagen aus. Man denke nur an den heimischen Computer, wenn er wieder einmal abgestürzt ist. Technische Defekte könnten auch im intelligenten Auto nicht komplett ausgeschlossen werden, weiß Stiller. Aber: "Weltweit ereignen sich jährlich mehr als 1,2 Millionen schwere Verkehrsunfälle. Unfälle, die entstehen, weil der Autofahrer die Fahrmanöver anderer Verkehrsteilnehmer fehl interpretiert. Das würde es mit intelligenten Autos nicht mehr geben." Am Ende werde es eine gesellschaftliche Frage sein, die wir uns stellen müssen, so Stiller: "Erlauben wir einem Fahrer einen Unfall zu bauen, damit er selbstbestimmt fahren kann, oder vermeiden wir die Unfälle mithilfe technischer Systeme?"