Schluss mit durchdrehenden Rädern, Schluss mit davon fahrender Konkurrenz à la quattro oder X-drive. Mercedes packt jetzt zu und den Allradantrieb der hauseigenen S-Klasse in den dynamischen C-Benz. Der funktioniert so gut, dass man am Ende des Wintertages glauben könnte, Schnee sei nichts anderes als weiß getünchter Asphalt. Das wäre aber übertrieben. Die Physik kann auch die Traktionswumme 4MATIC nicht überlisten.
Die völlig andere Auto-Winter-Welt
Mit jedem Zentimeter Schnee, der die Straße bedeckt, rutscht bei vielen Autofahrern das Herz zunehmend Richtung Hose. Was im Sommer so spielerisch von der Hand geht, nämlich Lenken, Bremsen, Gas geben, Spaß haben, mal eben einkaufen fahren, das wird auf Schnee zur Geduldsprobe. Alles ist anders. Eine neue Welt mit eigenen physikalischen Gesetzen, in der die Bremsen nicht bremsen und die Räder kreischend radieren.
Das muss man sich nicht bieten lassen. Gute Winterreifen zum Beispiel, mit denen kann man sich Väterchen Frost schon mal locker zur Brust nehmen. Fahrweise angepasst, Grenzen abgecheckt, schon bleibt das Nervenkostüm fast faltenfrei. Wer souverän an- und durchkommen will, der kommt am Allradantrieb nicht vorbei. Und der, der am Fahren in der weißen Pracht sogar richtig Spaß findet, erst recht nicht. Für diese Sicher- und Besser-Fahrer bietet Mercedes jetzt auch in der C-Klasse den 4matic genannten Allrad-Antrieb an, von der aktuellen S-Klasse übernommen und in der vierten Generation seit 1987. 45 Prozent der Kraft, pardon: des Drehmoments des Motors werden zur Vorderachse geschickt, die restlichen 55 Prozent treiben die Hinterachse an. Dieses Verhältnis ist mechanisch voreingestellt, permanent wirksam. Nicht zu- und nicht abschaltbar.
Und weil der Allradantrieb (genauer: das Verteilergetriebe mit Zentraldifferenzial) nun ins serienmäßige 7-Stufen-Automatik-Getriebe (im unvermeidlichen Mercedes-Deutsch: 7G-TRONIC genannt) integriert ist, macht sich die ganze Einheit schlank. So schlank, dass - anders als früher - der Beifahrerfußraum nicht mehr unangenehm zugebaut ist. Man sieht nichts, man spürt nichts, man hört nichts. Alles funktioniert unauffällig, reibungslos. Alles mit einem Ziel: Traktion, Vortrieb, nach vorne.
Preise
C 280 4Matic Limousine: ab 40.282 Euro
C 320 CDI 4Matic Limousine: ab 45.399 Euro
C 350 4Matic Limousine: ab 46.708 Euro
C 320 CDI 4Matic T-Modell: ab 47.124 Euro
Das beeindruckt: Auf der normalerweise gesperrten, tief verschneiten Passstraße des Timmeljochs prügelt die allradbewehrte C-Klasse aus dem Stand nach vorn, von vier Schneekristall-Gischtfahnen eindrucksvoll in Szene gesetzt. Dabei bleibt das Auto stets spurtreu, kein ausbrechendes Heck jagt den Puls hoch, keine wegwischende Vorderhand entlockt ein "Hoppla". Unverschämt einfach, so eine Winter-Schnee-Beschleunigungstour. Beim Bremsen heißt es Achtung: Plötzlich bietet die Vierradtechnik keine Vorteile mehr. Der Bremsweg ist auf Schnee doch um den bösen Faktor X länger ist als auf knochentrockenem, warmem Asphalt. Nun entscheiden nur noch Reifenqualität und Gewichtsverteilung. Und das Können des Fahrers. ABS und ESP, beide selbstverständlich serienmäßig an Bord, sekundieren mit regelndem Eingriff.
Allrad heißt Ausgleich
Wie funktioniert es? Ein elektronisches Traktionssystem namens 4ETS ersetzt die herkömmlichen Differenzialsperren, die sonst auf mechanische Art ein einseitiges Durchdrehen des Rades einer Achse verhinderten. 4ETS bremst einfach via ESP das Rad ab, das gerade durchdrehen will, gleichzeitig wird ein gleich großes Drehmoment auf das gegenüberliegende Rad übertragen. Das ist wie beim Skifahren: Rutscht das eine Brett weg, verlagert man eben das Körpergewicht auf die andere Seite. Wenn man ein guter Schifahrer ist, zumindest. Und weil das gut zwischen links und rechts funktioniert, übernimmt das Zentraldifferenzial den Part, wenn's um den Ausgleich zwischen Vorder- und Hinterachse geht. Eine angedockte Lamellenkupplung sorgt dafür, dass bei durchdrehenden Hinterrädern die überschäumende Kraft nach vorne geleitet wird. Und umgekehrt. Und ohne jede Verzögerung. Überall also Harmonie. Links, rechts, vorne, hinten. So funktioniert Allrad. Mercedes weist übrigens darauf hin, dass sich der Sprit-Mehrverbrauch auf 0,2 bis 0,4 Liter beschränke: Möglich mache das der Einsatz spezieller Leichtlauföle und das moderate Mehrgewicht von 60 (Diesel) bis 70 Kilogramm (Benziner).
Nur Sechszylindermotoren dürfen allradlern
Die C-Klasse mit permanentem Allradantrieb ist von vorne herein eine exklusivere und teurere: drei V-Sechszylinder stehen zur Auswahl, darunter ein Dieselaggregat. Die Limousine gibt's als C 280 (231 PS), C 350 (272 PS) oder C 320 CDI (224 PS), den geräumigen Kombi namens T-Modell nur mit dem Dieselmotor. Alle Modelle verfügen über die gleiche serienmäßige Komfort- und Sicherheitsausstattung wie die heckgetriebene Version. Dazu zählen unter anderem Stoßdämpferregelung, sieben Airbags, Kollisions-aktive Kopfstützen, Klimaautomatik oder Leichtmetallfelgen. Und nicht zu vergessen das Automatikgetriebe. Eine handgeschaltete Variante gibt es nicht.
Der Durchschnittsverbrauch des Dieselmotors soll sich auf knapp acht Liter, der der beiden Benzinmotoren auf knapp unter bzw. über zehn Liter belaufen. In der Praxis dürften sich allerdings spürbar höhere Werte einstellen, vor allem, wenn das Fahrspaßpotenzial öfters ausgereizt wird.
Mit ist gut. Ohne ist auch nicht schlecht
Obwohl sich der Mehrpreis für die Allradtechnik "ausstattungsbereinigt" mit rund 2300 Euro in überschaubaren Grenzen hält, schätzt Mercedes die Absatzchancen des 4MATIC auf nur etwa fünf Prozent innerhalb der C-Klasse. Wovon allein 70 Prozent den amerikanischen Markt bereichern werden. Der Rest dürfte in Alpenländern und Skandinavien seine Abnehmer finden.
Bei Konkurrent Audi sieht das schon anders aus, hier macht der quattro-Anteil rund 15 Prozent aus - Ergebnis offensiver Verkaufspolitik und einer berühmten Rallyehistorie. Der Grund für diese zwangsweise Bescheidenheit ist simpel: Der Allradantrieb wird kaum gebraucht. Das Timmelsjoch ist weit weg, die Kölner Bucht oder die Lüneburger Heide zählen nicht zu den klassischen hochalpinen Regionen Deutschlands, eine neue Eiszeit hat sich bisher nicht angekündigt - im Gegenteil. Ein Satz moderner Winterpneus reicht in aller Regel aus, Allrad gilt im Flachland zwar als technisches Highlight, aber vielen auch als verzichtbarer Luxus. Der klassisch über die Hinterachse angetriebene C-Mercedes macht seine Sache bereits so gut, verfügt bereits über ein so ausgereiftes Fahrwerk, dass das brennende verlangen nach mehr nur von wenigen Insidern und Fahrdynamik-Freaks verspürt wird.
Zwar fasziniert die Allradtechnik auch auf trockener und erst recht auf nasser Fahrbahn mit überlegenen Fahreigenschaften, zweifellos, doch fällt dies nur im direkten Vergleich und bei forcierter Fahrweise auf. Kurz: Es geht auch ohne.