Die Hand greift zum Wagenschlüssel, da haucht es ganz tief und rauchig im Ohr. "Liebling, lass uns lieber den MG nehmen." Okay, wenn sie den Roadster liebt, bleibt die drei Mal so teure Limousine eben stehen. Vom "Will-Haben-Faktor" aus gesehen, macht sich der Brit-Roadster also bezahlt. Während der Fahrt kann "er" darüber grübeln, was es sonst noch zu bedeuten mag, dass "sie", zumindest was Fahrzeuge angeht, so eindeutig die härtere Gangart bevorzugt.
Ein MG-Roadster knüpft am Original an, mag es auch andere Klone geben. Wenn Fahrer dieser Nachbauten vom "Roadster-Feeling" schwafeln, kann man ihnen nur einen Beifahrer-Platz in einem MG TF verschaffen. Der Unterschied zum kreuzbraven Hausfrauen-Porsche erklärt sich schnell von selbst.
Doing it, the old-fashioned way
Der MG TF bietet wenig Bequemlichkeit, aber jede Menge Coolness und eine gehörige Portion Giftigkeit fürs Geld. Fahrer, die am Steuer am liebsten nichts tun und von computergelenkten Ferienreisen träumen, sollten sich nach einem anderen Wagen umsehen. Wie mit einem richtigen Rennpferd muss der Fahrer im TF nämlich arbeiten und kann sich nicht gemütlich durch die Manege tragen lassen. Typen, die sich nicht zu helfen wissen, wenn der Gang einmal nicht rein will, haben in einem TF folglich nichts zu suchen. Zur Erinnerung: Früher wurden auch Wahnsinnszeiten gefahren, und damals musste der Pilot in jeder Kurve zwei Mal Zwischengas gegeben. Wer Pech hatte, dem zerknickte der Schalthebel dabei das Handgelenk. Erinnern Sie sich? Nein? Auch egal, aber angesichts solche Verhältnisse tritt der MG zivilisiert auf.
Leistung, die man spürt
Leistungswerte von 136 PS "verbacken" die meisten Wagen in "kultiviertes Beschleunigen" und "sanftes, geräuschloses Gleiten". Solche Behäbigkeits-Ambitionen meldet der MG-Motor nicht an. Klar kann man mit ihm auch sanft und ohne Kreissägen-Terrror dahin bummeln. Das macht in so einem schicken Wagen auch Spaß, aber knallwach wird der Bursche beim Tritt aufs Gaspedal. Auch das Motor-Design zeigt sich von der traditionellen Seite. Man vermisst bei niedrigen Drehzahlen nicht die erwünschten Leistungen, aber dieser Motor will drehen, weiter drehen und dann richtig hochjaulen. Ab 5000 Umdrehungen kommt er in wölfische Stimmung und verbreitet einen wirklich fiesen Sound. Ungefähr wie ein Jagdflieger auf Angriffshöhe Null und das mit der MG-Ausstattung ohne Zusatz-Anbauten. Mehr Leistung muss eigentlich nicht sein. Oben offen benötigt der TF-Pilot ohnehin nicht mehr PS, für das bevorzugte Jagdgebiet der kurvenreichen Landstraße ist die Motorisierung mehr als gerüstet, aber es liegt in der Natur des schnittigen Briten, dass er einfach sinnlos Appetit auf noch mehr Leistung macht.
Technische Daten
1.8i-Motor mit 100 KW / 136 PS Maximales Drehmoment : 165 Nm bei 5000 U/min
0-100 km/h : 8.8 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: 205 km/h
Kombinierter Verkehr 7.7 L/100KM
Euro 24.400,00
No risk, no fun
Ein Wagen mit Mittelmotor bringt per se Rennsportfeeling mit, wenn knapp hinterm Fahrerkreuz die Maschine brüllt. Die Straßenlage ist optimal. Der Wagen liegt flach, Kantsteine und Schwellen sind natürliche Feinde. Der MG jagt mit direktem Bodenkontakt durch die Kurven, wie festgesaugt am Asphalt. Die Lenkung arbeitet präzise und zielgenau. Der Roadster quält seine Insassen zwar nicht, aber sorgt stets für ungemütliche Sportlichkeit. Lange Bodenwellen provozieren schon mal einen kleinen Hüpfer. Man vergisst nie, dass man mit einem "kleinen", aber rassigen Flitzer unterwegs ist. Am gefühlten Sportindex lässt der MG-TF manchen domestizierten Sechszylinder hinter sich. Leider ist der Wagen auch im Punkt Sicherheit nicht für "Warmduscher" gebaut, elektronische, aber lebensrettende Mätzchen wie ESP haben an Bord kein Aufenthaltsrecht. Das heißt im Klartext: Wenn der Mittelmotor in der Kurve mal ausbrechen sollte, dann wird es eng. Vermutlich verdammt eng. Zum Glück passiert das nicht so leicht. Die für den Mittelmotor typischen Macken sind dem TF weitgehend aberzogen. Sollte man das Wort T-E-M-P-O-L-I-M-I-T schon einmal gehört haben, sollte der TF keine Landstraßenkurve verlassen. Außerdem hat der kleine MG-TF sich beim NCAP-Crashtest eine 4-Sterne-Beurteilung eingefahren.
Made in Britain
Eines vorweg: Spaltmaß-Nachmesser sollten sich lieber einen Toyota zulegen. Der MG ist trotzdem alles andere als ein Billigheimer. Die getestete Anniversary Limited Edition macht optisch eine Menge her: Alufelgen, massive Metall-Applikationen wie die Tankdeckel-Einfassung und der Schaltgriff sind gefräste Ode an die Rallyefreude. In der Lederausstattung sitzt man tief, fest und geborgen. Das Lenkrad lässt sich kernig angreifen. Sonstige Assesoires sind fast klassisch, so wie der Aschenbecher. "Stauraum" ist im Innenraum erwatungsgemäß ein Fremdwort: eine Autokarte (Nein, kein Atlas!) und eine Dose Cola lassen sich unterbringen, dann sind die Möglichkeiten am Ende. Wirklich ärgerlich sind die Pseudo-Aluminium Einfassung der Mittelkonsole und die Drehschalter. Sie fühlen sich an, als würde man ein Hühnerbein im Gelenk umdrehen. Für ernsthafte Kaufinteressenten: Nicht lange ärgern, gleich austauschen. Dann macht der MG innen richtig etwas her.
Platz ist in der kleinsten Hütte
In 200 Litern lassen sich zwei Taschen oder zwei Getränkekisten unterbringen. Für diese Klasse schon ganz passabel. Wer für zwei Passagiere mehr Stauraum braucht, kann sich vom im Bug untergebrachten Reserverad trennen. Oder das Gepäck vom Paketdienst bringen lassen.
Stoffdach - Was sonst?
Das klassische Dach ist aus Stoff. Auch ohne elektrische Helferlein lässt es sich in weniger als einer Minute auf- und zuklappen und entsprechend verankern. Im Sitzen erfordert dieses Manöver eine gewisse Grundbeweglichkeit, funktioniert aber ohne Zicken. Fahrer über 187 cm Länge hocken ziemlich eingeklemmt unterm Baldachin. Sollte der Wagen auch in der schlechten Jahreszeit regelmäßig bewegt werden, empfiehlt sich das Extra-Invest in ein Hardtop.
Der König der Herzen
Der TF ist Nicht der Wagen, bei dem die logische Gehirnhälfte folgert: "Den sollst Du kaufen!" Der Rest aber sagt "ja, ja, ja!". Wer bereit ist, für klassischen Fahrspaß ein paar praktische Nachteile in Kauf zu nehmen, der sollte eine Fahrt nicht scheuen. Die Inkubationszeit ist kurz: Schon am einem einzigen schönen Nachmittag kann das TF-Virus überspringen.
Gernot Kramper