Peter Mock vom International Council on Clean Transportation (ICCT) Europe hatte eine geniale Idee, wie man strengere Abgaswerte in Europa durchsetzen könnten. In Kalifornien hielten schließlich deutsche Diesel-Autos die dortigen, extrem anspruchsvollen Normen ein: Warum also nicht die Kalifornier-Modelle als leuchtendes Beispiel hinstellen und die Hersteller fragen, warum sie diese Öko-Technik nicht in Europa einsetzen wollen? Eine clevere Idee, die Autobauer mit ihrer eigenen Kompetenz unter Zugzwang zu setzen.
Das International Council on Clean Transportation ist eine Umweltorganisation, die eigentlich nur Fachleuten bekannt ist. Ihre Vertreter stellen sich nicht bei jeder Gelegenheit mit lautstarken Forderungen in die erste Reihe. Sie erarbeiten etwa sachlich fundierte Studien zum realen Verbrauch auf Europas-Straßen. Diese bescheidene Gründlichkeit und Sachkompetenz wurde nun dem Weltkonzern Volkswagen zum Verhängnis.
Messen statt abschreiben
Denn Peter Mock vertraute nicht einfach auf die Angaben von Behörden und Herstellern, er bat seinen US-Kollegen John German um eigene Daten. Damit setzen die beiden eine Lawine in Gang, die nun droht, den mächtigen Volkswagenkonzern unter sich zu begraben. German und seine Organisation waren guten Mutes, exakt das zu messen, was Volkswagen seit Jahren in den USA behauptet: Der Diesel ist sauber. Für eine Messreihe baten sie die West Virginia University um Hilfe, weil deren Abteilung "Alternative Fuels, Engines and Emissions" die nötige Ausrüstung besaß. Etwa eine mobile Messstation, die die Abgase selbst direkt am Auspuff misst und nicht lediglich die Werte der Bordelektronik ausliest.
Um die Ergebnisse hieb- und stichfest zu machen, legten die Fahrer die Strecke von San Diego nach Seattle zurück. Mit dieser 1700 Kilometer langen Teststrecke wollte man etwaige Knifffe in der Motorsteuerung austricksen, sagte German der Presse. "Wir waren erstaunt als wir die Messwerte sahen", sagte German. Auf der Straße stieß der Jetta 15 bis 35 Mal mehr Stickoxide aus, als die US-Vorschriften erlaubten. Beim Passat waren es 5 bis 20 Mal soviel. "Das war ein Schock", sagte German. "Wir glaubten nicht, dass VW etwas bewusst falsch gemacht hatte. Wir haben mit ihnen gesprochen, um das Problem zu lösen", so Drew Kodjak vom ICCT. Zugleich stellte man auch fest, dass es offenbar ein VW-Problem sei, denn ein BMW X5 absolvierte den Praxis-Test ohne Probleme. Ein deutlicher Hinweis, dass ein Hersteller die technischen Probleme der Abgasreinigung durchaus in den Griff bekommen kann. Und auch ein Dämpfer für Verschwörungstheoretiker, die annehmen, dass alle Hersteller so betrügen wie VW.
Betrug oder Software-Bug?
Schließlich wurde die US-Umweltbehörde vom ICCT informiert. Im Mai begann die offizielle Untersuchung. Seitdem ist auch Volkswagen informiert. VW versuchte die Ergebnisse des Straßentests zu wiederholen. Und soll das Problem auf einen Software-Fehler zurückgeführt haben. Dann sollte eine neue Software den Schadstoffausstoß regelkonform gestalten. Das wäre dann zwar auch ein Skandal, aber ein kleinerer. Diese Deutung hätte nahegelegt, dass VW auf dem Messstand nicht betrogen hätte, sondern eine fehlerhafte Software die guten Werte irgendwie verdorben hätte.
Doch offizielle Stellen überprüften Modelle mit dem Update. Die neuen Straßentests zeigten, dass das Update nicht funktionierte. Die Abgaswerte lagen nach wie vor über den Werten von Bundesgesetzen und den lokalen Bestimmungen in Kalifornien. Dieses Ergebnis soll Volkswagen am 8. Juli mitgeteilt worden sein.
Jetzt erst gab VW laut Umweltbehörde den Betrug zu. Deren Sprecherin Cynthia Giles fasste zusammen: "Ganz einfach: Die Autos besitzen ein Programm, das die Abgasbegrenzung beim Fahren auf der Straße ausschaltet und nur bei Abgastests anschaltet."