Unzählige Autohersteller haben schon versucht, mit ungewöhnlichem Design neue Kundenkreise zu erschließen. Vom Mut zum schrägen Look blieb wenig übrig. Lediglich Nischen-Modelle dürfen auch heute noch vom Design-Einerlei abweichen. Eine Ähnliche Karriere hatten Skeptiker auch schon für den neuen Renault-Look vorgesehen, mit dem die Franzosen den Riesen-Viersitzer Avantime und das Luxus-Gefährt VelSatis auf die Straße schickten. Renault jedoch macht sich nun munter daran, auch wichtige Volumen-Modelle mutig umzuformen. Jüngstes Beispiel: der neue Renault Megane.
Selbstbewusste Formensprache
Selbst auf den zweiten und dritten Blick lassen sich zwischen dem neuen Avantime und seinem Vorgänger keinerlei optische Verwandtschaften erkennen. Wo beim bisherigen Bestseller weiche Linien und runde Knubbel wenig optische Reize setzten, bringt der Megane II mächtig Leben ins eintönige Golf-Segment. Prominent protzt der Franzose mit dem großen Renault-Logo auf dem Mittelsteg des Kühlergrills - eingerahmt von kantigen Klarglasscheinwerfern. Unterstützt wird diese aggressives Design noch durch die profilierte Motorhaube, die am oberen Ende der Kotflügel die Form der Scheinwerfer aufnimmt und weiterführt.
Stummel-Hintern
In der Seitenansicht signalisieren vor allem die ausgestellten Radhäuser eine gewisse Sportlichkeit. Die extreme Kuppelform der Dachlinie verspricht viel Platz im Innenraum. Wie schon bei Avantime und VelSatis ist es auch beim Megane das Heck, das polarisiert. Während die einen den Kopf schütteln, können sich die anderen an dem Stummel-Hintern mit der beinahe senkrechten Heckscheibe gar nicht satt sehen. Diese Heck-Geometrie ist möglich, da der Megane die coupéhafte Linie seiner hinteren Seitenscheiben nicht aufnimmt, sondern einen kleinen Metall-Rucksack mit sich herumträgt.
Erwachsener Auftritt
Während sich der bisherige Megane mit seinen konservativen Proportionen scheinbar hinter den Klassenbesten zu verstecken suchte, kann man mit dem neuen Franzosen ohne Scham neben der Konkurrenz aus Wolfsburg oder Rüsselsheim parken. Der neue Megane wirkt wesentlich selbstbewusster, erwachsener und größer als alles, was zur Zeit bei der Konkurrenz von den Bänder rollt. Das Größenwachstum ist jedoch eine optische Täuschung. Der neue in der Golfklasse hat in der Länge lediglich vier Zentimeter zugelegt.
Intelligente Detaillösungen
Der plüschige Mief seiner Ahnen geht mit dem Cockpit des Megane entgültig in Rente. Stattdessen dominieren moderne Materialien und intelligente Detaillösungen. So kommt im Inneren des Franzosen ein neues Bedienkonzept zum Einsatz, das bei Renault den Namen »Touch Design« trägt. So soll jedes Bedienelement seine Funktion durch eine spezielle Gestaltung signalisieren. Ob´s klappt, bleibt abzuwarten. Gelungen ist jedenfalls das Design des Handbremshebels - das gute Stück erinnert an den Schubhebel eines Flugzeugs.
Sicherheit aus Frankreich
Nach dem Super-Ergebnis des Laguna im NCAP-Crashtest erwartet man auch vom Megane ähnliche Bestnoten. Um die zu erreichen, hat der kompakte Franzose neben den üblichen Airbags, Gurtstraffern und elektronischen Hilfsprogrammen eine Weltneuheit an Board. »Anti-Submarining-Airbag« nennt sich das neue Luftpolster, das unter der Sitzfläche des vorderen Gestühls verbaut ist. Beim Crash drückt der Airbag gegen die Sitzpolster und fixiert die Passagiere zusammen mit dem Gurten besser im Sitz. Der Aufwand soll das Durchrutschen unter dem Beckengurt verhindern.
Fünf Motoren zum Start
Den mindestens 1.145 Kilo schweren Franzosen halten zum Start gleich fünf Motoren in Schwung. Neben dem 1,4 Liter 16V mit 98 PS und dem 116 PS starken 1,6-Liter Triebwerk muss der bekannte 2-Liter-Motor mit 135 PS als Spitzenmotorisierung ran. Der zieht den Megane in 9,2 Sekunden von null auf 100 Stundenkilometer. Außerdem erhältlich: zwei Turbodiesel-Direkteinspritzer mit 82 beziehungsweise 120 PS. Der stärkste Benziner und der stärkste Diesel geben ihr Drehmoment dabei über eine neue manuelle Sechsgangschaltung weiter.
Für den Gesamteindruck völlig unerheblich, aber dennoch ein nettes Teil: die Tankklappe mit integriertem Tankdeckel. Vor allem Diesel-Fahrer werden es zu schätzen wissen, nicht mehr in Kontakt mit dem mit Kraftstoff verschmierten Verschluss kommen zu müssen.
14.500 Euro möchte Renault für einen Basis-Megane (Authentique) mindestens überweisen bekommen. Das sind schlappe 100 Euro mehr, als der Vorgänger vom Konto räumte. Von wegen Ecken und Kanten...
Jochen Knecht