Das unscheinbare Gewerbegebiet unweit des Kamener Kreuzes ist keines, das einem vorbeifahrenden Autofahrer nennenswert auffallen dürfte. Wer auf der Autobahn A1 unterwegs ist oder auf die A2 Richtung Hannover oder Oberhausen will, macht hier unter Umständen einen kurzen Stopp, um bei McDonald\'s oder Connie\'s Diner auf einen Burger oder Kaffee vorbeizuschauen. Wer es italienischer mag, fährt zur L\'Osteria, schaut bei Ikea oder Kaufland vorbei. Die echte Schau am sogenannten Kamen Karree unweit von Unna-Königsborn ist jedoch der neue Ladepark von Betreiber EnBW, einer der größten seiner Art in ganz Deutschland und damit auch europaweit eine große Nummer. Die sogenannten HPC-Ladepunkte (High Power Charger) verfügen über Leistungen von bis zu 300 Kilowatt. Je nach entsprechendem Elektrofahrzeug erstarken die Modelle mit Stecker in fünf bis zehn Minuten für die nächsten 100 Kilometer. Wie an allen EnBW-Ladepunkten fließt auch hier ausschließlich Ökostrom. "Der Standort in Kamen ist der nächste Schritt beim Schnellladen, nachdem wir seit mehr als einem Jahr im Schnitt täglich einen neuen Schnellladestandort in Betrieb nehmen. Er zeigt, wie das Laden heute und in Zukunft einfach und schnell funktioniert", sagt Timo Sillober, Chief Sales and Operations Officer bei der EnBW.
Während viele Ladestationen am Rande von bestehenden Parkplätzen angesiedelt wurden und es an der nötigen Beleuchtung fehlt, sieht das am unweit des Kamener Kreuzes ganz anders aus, denn die insgesamt 52 Ladepunkte sind überdacht und auch bei Nacht taghell erleuchtet. Eine Photovoltaik-Anlage versorgt den Standort dabei mit einer Leistung von bis zu 120 Kilowatt mit Strom und speist überschüssige Energie in das lokale Netz ein. Um den Aufenthalt beim Nachtanken zu verkürzen, gibt es eine Toilettenanlage und ein WLan-Funknetz für schnellen Datentransfer mit Mobiltelefon, Tablet oder Computer.
EnBW hat aktuell rund 50 große Schnellladeparks eröffnet oder plant die Eröffnung in den kommenden Monaten. EnBW Vorstandschef Mastiaux hofft dabei insbesondere auf zusätzlichen Schwung durch die neue Bundesregierung: "Die neue Bundesregierung möchte Deutschland zu einem Leitmarkt für Elektromobilität machen. Damit das gelingt, brauchen wir mehr Drehmoment beim Ausbau der Ladeinfrastruktur. Dabei können wir aus der Energiewende lernen: Überregulierung sollten wir vermeiden, den marktgetriebenen Ausbau priorisieren - und Planungs-, Genehmigungs- und Förderverfahren künftig schneller realisieren." Die Preise für eine EnBW-Kilowattstunde für das eigene Elektroauto liegen zwischen 36 und 55 Cent - wobei die monatliche Grundgebühr mit 5,99 Euro deutlich günstiger als bei vielen Wettbewerbern ist.
Doch EnBW ist nicht der einzige Anbieter, der beim Ausbau des Schnellladenetzes aufs Tempo drückt. Konkurrent Fastned hat in den vergangenen Monaten ebenfalls einige neue Ladeparks entlang der großen Verkehrsadern in Betrieb genommen. Seit November ergänzen die Standorte Michelstadt, Hermsdorf, Markt Kinding, Bensheim und Eching Fastneds deutsches Schnellladenetz um fünf Stationen mit insgesamt 22 Ladepunkten. Bundesweit wuchs die Zahl der Standorte so auf knapp 30, europaweit auf 172 an. Das niederländische Unternehmen steigerte seinen Umsatz im dritten Quartal 2021 um 96 Prozent auf 3,2 Millionen Euro. Zum Vergleich: Im dritten Quartal des Vorjahres lag der Umsatz bei 1,6 Millionen Euro. In den meisten europäischen Ländern kostet eine Kilowattstunde 0,69 Euro; mit den Gold-Mitgliedschaft gegen einen monatlichen Mitgliedsbetrag von 11,49 Euro immer noch 0,45 Euro.
Ionity, ein weiterer Anbieter von Ladesäulen mit Sitz in München, hat jüngst ein Investment in Höhe von 700 Millionen Euro bekanntgegeben. Hinter Ionity stehen nicht nur zahlreiche Autohersteller wie Audi, BMW, Kia oder Mercedes, sondern seit neuestem auch der neue Partner BlackRocks Global Renewable Power Platform. Bis zum Jahre 2025 will Ionity die Zahl der 350-kW-Ladestationen um mehr als das Vierfache auf rund 7.000 erhöhen. Dabei sollen die neuen Ladeparks zukünftig nicht mehr ausschließlich an Autobahnen, sondern auch in der Nähe von Großstädten und entlang stark befahrener Fernstraßen errichtet werden. Künftige Standorte werden mit sechs bis zwölf Ladestationen geplant. Darüber hinaus sollen bereits bestehende Standorte entlang hoch frequentierter Strecken mit großem Bedarf nach Ladeinfrastruktur mit zusätzlichen Ladestationen aufgerüstet werden. Ionity hat seine Preise mittlerweile ebenfalls erhöht. Ohne einen monatlichen Vertrag kostet die Kilowattstunde teure 0,79 Euro. Mit einem monatlichen Basispreis von 17,99 reduziert sich die einzelne Kilowattstunde auf 0,35 Euro. Aktuell gibt es mit der Ladekarte oder per App einen Zugang zu 300.000 Ladepunkten in 26 europäischen Ländern.