Am 27. September 2006, mehr als einen Monat vor der desaströsen Niederlage der Republikaner bei den amerikanischen Zwischenwahlen, unterzeichnete der kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger, immerhin Mitglied der konservativen republikanischen Partei des Präsidenten Bush, die Gesetzesvorlage AB 32. Hinter dem Kürzel verbirgt sich eine für die Republikaner beinahe aufrührerische Gesetzesinitiative, die den Bundesstaat Kalifornien zur drastischen Verminderung von Treibhausgasen verpflichtet und sich dabei fast provokativ gegen die Administration von George W. Bush stellt, der sich immer noch weigert, klimatischen Tatsachen ins Auge zu sehen. Bis zum Jahr 2020 will der "Gouvernator" Schwarzenegger den Schadstoffausstoß der 36 Millionen Bewohner Kaliforniens auf den Stand von 1990 senken - eine Reduzierung von beachtlichen 25 Prozent. "Es gibt immer noch Leute, die mit ihrem Denken in der Steinzeit leben", entgegnete Schwarzenegger seinen Kritikern, die ihm den Alleingang vorwerfen, "aber die wissenschaftlichen Tatsachen liegen vor. Wir kennen sie."
Was Arnold dabei etwas unter den Tisch fallen lässt, ist die Tatsache, dass das AB32-Gesetz nicht mehr ist als eine gute Idee auf einem geduldigen Stück Papier, im Augenblick jedenfalls. "Wir wissen nicht, was genau wir unternehmen werden", sagt Jerry Martin, Sprecher des kalifornischen Air Resource Board, jener Regierungsbehörde, die für die Durchführung von Arnolds ehrgeizigen Plänen verantwortlich sein wird. "Im Augenblick ist noch nicht mal klar, ob wir die Vorgaben des Gouverneurs über den freien Markt regeln werden, sprich über Incentive-Programme für die Industrie, oder ob wir einfach entsprechende Vorschriften erlassen werden. Mit Vorschriften haben wir natürlich mehr Erfahrung."
Autofahrer, Industrie und Stromerzeuger im Visier
Als einziges steht bisher fest, dass das kalifornische Clean Air-Programm am 1. Januar in Kraft getreten ist. Die ersten gesetzgeberischen Schritte in Richtung weniger Treibhausgas werden dann in einem Workshop am 22. Januar besprochen und in einem öffentlichen Symposium Mitte März verfeinert werden. "Wir werden uns dabei erst mal auf die so genannten 'niederen Früchte' konzentrieren", erklärt Jerry Martin, "Frühmaßnahmen, die wir schnell und ohne großen Aufwand durchführen können." Dabei sind im Augenblick noch nicht einmal diejenigen Stoffe definiert, die auf Schwarzeneggers schwarze Liste kommen werden. "Wir sind erst dabei, die Schadstoffe zu qualifizieren und zu quantifizieren", gesteht Martin ein. Fest steht jedoch schon jetzt, dass nicht nur Kaliforniens 24 Millionen Autofahrer ins Visier der Schwarzenegger'schen Saubermänner geraten werden, sondern auch die Industrie, die Stromerzeuger und die Schifffahrt.
Kalifornien galt schon immer als Wegbereiter, was Gesetzgebung für saubere Luft betraf: der Staat verbot als erster bleihaltiges Benzin; in Los Angeles, der Stadt mit der größten Verkehrsdichte, stellten alle Autobusse schon seit einigen Jahren auf umweltfreundlichen Gasbetrieb um; vor kurzem wurden die Vorschriften für sauberes Benzin noch einmal verschärft (deutsche Autohersteller können aufatmen: die neue Generation von Diesel-Motoren hat gute Chancen, endlich auch in Kalifornien zugelassen zu werden); und Toyotas Verkaufserfolg im Sonnenstaat mit dem schadstoffarmen Hybrid-Prius beweist das Umweltbewusstsein aller Kalifornier. Trotzdem verstopfen mehr als 24 Millionen in Kalifornien registrierte Autos die Freeways, und ein wirklich radikaler Umschwung der Verkehrsnutzung im Personenverkehr war selbst bei den gestiegenen Benzinpreisen der letzten Monate nicht zu verzeichnen. Neben einer deutlichen Erhöhung der Benzinsteuer - in den USA gleichbedeutend mit politischem Selbstmord - blieben Schwarzenegger noch Steuerfreibeträge für Hybrid- und Alternativantriebs-Fahrzeuge, und für die Nutzung von Schadstoff freien Energiequellen, wobei Action Man Arnold allerdings die Hände durch extrem leere Staatssäckel gebunden sind. Etwas mehr Erfolg versprächen verschärfte Gesetze in der Schifffahrt und bei den Öl- und Kohle-Kraftwerken des Staates, wobei hier der Widerstand der Industrie wohl am höchsten sein dürfte.
Andere Staaten wollen dem Beispiel folgen
Aber selbst wenn Schwarzeneggers löbliches Unterfangen von Erfolg gekrönt wäre, bliebe die Frage, ob ein "clean California" einen gravierenden Unterschied ausmachen würde in Fragen der Erderwärmung. "Wir produzieren ungefähr 1,5 bis 2 Prozent aller globalen Treibhausgase hier in Kalifornien", schränkt Jerry Martin ein, "aber AB32 ist trotzdem weit mehr als ein rein symbolischer Akt. Wir sind eine Art Marktführer, was Umweltlegislative betrifft: elf weitere Bundesstaaten haben angekündigt, unserem Beispiel folgen zu wollen." Recht mag er haben, der gute Mann. Selbst international setzt Kalifornien Maßstäbe: Kanada hat vor kurzem ein fast identisches Gesetz verabschiedet, Neuseeland, Australien und der Nachbar Mexiko wollen Arnold Schwarzeneggers Beispiel folgen.
Allerdings schließen sich die Fronten der Clean Air-Gegner schon jetzt. Die Automobilindustrie reichte gleich mal prophylaktisch Klage ein, und vor dem US Supreme Court in Washington wird zur Zeit über den Fall eines weiteren "Clean Air Acts" aus dem Jahr 2002 entschieden, in dem um die Frage gestritten wird, ob der Staat Kalifornien (neben dem mitangeklagten Staat Maryland) überhaupt das Recht hat, den Ausstoß von Treibhausgasen per Gesetz zu verringern, oder ob dies die Aufgabe der Bundesregierung sei - was beim allseits bekannten Umweltbewusstsein der Bush-Regierung einem Ende der Schadstoffregulierung gleich käme. "Sollte Kalifornien jedoch gewinnen", wirft Dan Kamman ein, Energie-Experte an der Universität von Berkeley, "werden sowohl der Kongress als auch weitere Bundesstaaten erkennen, dass das was Kalifornien in Angriff nimmt, die Zeichen der Zukunft sind."
"Wir werden unsere Umwelt sauberer machen, wir werden unseren Teil dazu beitragen", sagt ein kämpferischer "Gubernator" und verliert dabei auch entfernt liegende Ziele nicht aus den Augen. "Kalifornien wartet nicht mehr auf die Regierung in Washington, wenn es um Führung in [Umwelt-] Fragen geht. Wir machen das jetzt selbst. Wir übernehmen die Führung. Dann werden wir sehen, ob Umweltfragen bei der nächsten Präsidentenwahl berücksichtigt werden?" Da darf man mal gespannt sein.