Le Mans "We drink till we sink"

Von Christian Gebhardt/Le Mans
Nirgends gibt es mehr PS pro Zeltstange als auf dem Campingplatz in Le Mans. Auf der Strecke dieselt Audi in schöner Langeweile von Sieg zu Sieg. Die Fans campieren mit dem heißgeliebten Porsche im Schlamm.

"Die deutsche Perfektion von Audi wird einfach langweilig", sagt Mark während er den rasenden Boliden in der Porsche Kurve nachsieht. Seit wann er schon das 24-Stunden-Rennen in Le Mans besucht, weiß der rennverrückte Brite aus Gatwick nicht mehr so richtig. So um die 20 Jahre. Die letzten Acht davon dominierte Ingolstädter Renntechnik beim französischen Langstrecken-Klassiker. Auch 2007 fuhr ein Audi als Erster durchs Ziel. Für Hochspannung sorgt bei den 250.000 Marathon-Fans nicht mehr nur das Rennergebnis, sondern ein rauschendes Volksfest rund um die 13 Kilometer lange Rennpiste.

"Wir bleiben hier immer für zehn Tage, ein Wochenende reicht nicht", erzählt Le Mans-Fan Mark weiter. Anfangs seien sie mit dem Bus hergefahren und hätten in einfachen Zelten "gehaust". Das war, als in den Achtzigern als Jaguar noch gewann. Inzwischen thront der rennverrückte Brite mit Ehefrau Tracy und seinen Kumpels während der Le Mans-Feiertage in einem exklusiven Schlafmobil direkt neben der Kult-Strecke. "Motorhome" nennt Mark die zivilisiertere Camping-Unterkunft stolz. Trotz rollender Einbauküche, mobiler Dusche und fahrendem Wohnzimmer hat sich das Motto beim geliebten Le Mans-Trip nicht verändert. "We drink till we sink. No bar too far!" prangt auf den 2007er T-Shirts der Truppe. Jedes Jahr gibt’s extra für die angesagte Fahrt neue Hemden, der durstige Slogan ändert sich nur minimal.

Gesittetes Volksfest mit Verkehrschaos

Rund um die französische Rennstrecke finden Bier und Hochprozentiges rasenden Absatz. Anders als beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring wirkt das allgemeine Treiben in Le Mans trotzdem gesitteter. Ein großes "Village" mit unterschiedlichen Ständen und kleinen Boutiquen kurbelt den Umsatz mit begehrten Fanartikeln kräftig an. Im Fandorf neben dem Fahrerlager finden die Le Mans-Jünger von der bunten Rennjacke bis zum kleinsten Modellauto alles. Während die hartgesottenen Ringenthusiasten an der Nordschleife chaotisch im verschlammten Wald vegetieren, steht jedem Le Mans-Zelter ein kleines, abgestecktes Grundstück zu. So versuchen die französischen Organisatoren zumindest auf den Campingplätzen eine gewisse Ordnung zu garantieren. Rund um die Strecke herrscht während der Mammut-Veranstaltung jedoch pures Verkehrschaos.

Internationale Rennparty

Neben Franzosen, Niederländern und Dänen zählen die Briten zu den eingefleischten Schlachtenbummlern in Le Mans. Nahe der schnellen Porsche-Kurve ist jedes Jahr ein Zeltplatz fast ausschließlich in Insel-Hand. Auch wenn die klassischen Rennwagen aus dem Vereinigten Königreich, allen voran Aston Martin im James Bond-Auftritt, nur in unterlegenen Rennklassen hinterher rauschen, demonstriert das British Empire in Le Mans Stärke. Über jeder temporären Schlafstädte weht der Union Jack. In der Gunst ganz oben bei den Fans von der Insel stehen allerdings deutsche Fahrzeuge. Auf den zertrampelten Campingplätzen findet sich fast die gesamte Produktpalette aus Zuffenhausen wieder.

Mit dem GT3 geht’s zum Campen

"We love Porsch and Le Mans", erzählt Andy, Gründer des Le Mans Landscaping Club, während er lässig auf dem Heckflügel seines GT3 lehnt. Auch wenn ein angenehmes Hotelbett neben dem Elfer sicherlich noch drin wäre, genießt die feuchte Übernachtung im Zelt Kultstatus. "Ein richtiges Werksteam wäre mal wieder der Hit", wünschen sich die Porsche-Fans für die Zukunft. In Le Mans fahren die Zuffenhausener seit Jahren nicht mehr um den Gesamtsieg mit. Dafür liegen die schwäbischen Blechle auf den Campingplätzen weit vorne. Doch nicht nur die Anhänger des englischen Porsche Le Mans Clubs fahren mit ihren wertvollen Vehikeln auf die Wiesen rund um die Rennstrecke. Ferraris, Aston Martin und Jaguar sind neben den wackeligen Zeltstellagen auf dem matschigen Geläuf keine Seltenheit.

Highspeed-Heimfahrt

Was sonst nur auf die VIP-Parkplätze der Rennstrecken rollt, glänzt in Le Mans auch auf den Campingfeldern. Nach Ende des besonderen Spektakels geht’s dann noch mal selbst auf die Strecke. Zumindest teilweise. Die lange Hunaudière-Gerade ist nur für denn Rennbetrieb gesperrt, sonst eine normale Landstraße. "Da sind die Porsche-Jungs früher über 400 gefahren", grinsen Andy und seine Clubkollegen über die bevorstehende rasante Heimfahrt.