Augen auf beim Gebrauchtwagenkauf: Bei rund jedem dritten in Deutschland verkauften Auto ist am Tacho manipuliert worden, um einen besseren Verkaufswert zu erzielen. Die Manipulation des Kilometerzählwerks ist längst ein Betätigungsfeld für organisierte Kriminelle. Das zeigt der Fall der sogenannten "Tacho-Mafia", die unlängst der Münchner Kriminalpolizei ins Netz gegangen ist und bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hat. Mit einem Tachostand von 700.000 Kilometern hat der Autohändler aus dem Raum München das Fahrzeug von einem Verkäufer in Italien übernommen. Wenig später wechselte das Auto in Deutschland den Besitzer. Der neue Käufer legte für das Modell der gehobenen Mittelklasse 15.999 Euro auf den Tisch. Von der extrem hohen Fahrleistung des Triebwerks ahnte er nichts – gerade einmal 150.000 Kilometer wies der Tachostand beim Kauf aus.
Weit über 200 Fahrzeuge mit Manipulationsverdacht wurden bei diesem Einsatz sichergestellt. So dreist wie bei dem 700.000-Kilometer-Wagen wird selten manipuliert. Häufig würden Tachostände von 250.000 auf 150.000 Kilometer frisiert, heißt es dazu bei der Münchner Polizei. Die betrogenen Käufer zahlen oft nicht nur Tausende Euros zuviel für die falsch deklarierte Ware. Sie fahren auch ein Fahrzeug ohne gültige Betriebserlaubnis. "Denn die erlischt nach dem kriminellen Eingriff", so der Polizeisprecher.
Verbreitete Praxis
Dass Tachomanipulationen bei Gebrauchtwagen ein verbreitete Praxis sind, wissen Polizei und Öffentlichkeit längst. Das Ausmaß hat allerdings selbst die Experten überrascht. Nach aktuellen Schätzungen der Polizei wird inzwischen bei einem Drittel der in Deutschland verkauften Gebrauchten der Kilometerstand "korrigiert". Pro Jahr kommen damit etwa zwei Millionen Gebrauchte mit manipuliertem Tachostand auf die Straße. Dass die Zahl entsprechender Betrugsfälle in den letzten Jahren drastisch angestiegen ist, hat mit der immer stärkeren Elektrifizierung unterm Autoblech zu tun. Noch vor zehn Jahren ist in der Regel ein mechanischer Eingriff erforderlich gewesen, um eine Verjüngungskur per Zahlentrickserei zu bewerkstelligen. Bei modernen Fahrzeugen lässt sich die Tachomanipulation mit der Steuerungssoftware erledigen, die Werkstattprofis eigentlich zur Fehleranalyse nutzen.
In Markenwerkstätten sind solche Machenschaften so gut wie ausgeschlossen. Das Gleiche gilt für einen großen Teil der Privatverkäufer. Ganze Herden schwarzer Schafe tummeln sich aber auf sonstigen Gebrauchtwagen-Umschlagplätzen. Um sich vor Betrug zu schützen, sollten Gebrauchtwagenkäufer unbedingt auf ein lückenlos geführtes Serviceheft achten, rät die Polizei.
Schutz durch Fahrzeughistorien
Kilometerstände könne man mit den Eintragungen zu Ölwechseln abgleichen. Die Alarmglocken sollten in jedem fall schrillen, wenn Lenkrad, Pedale oder Sitze stärker abgenutzt seien, als dies bei dem angegebenen Kilometerstand zu erwarten sei. "Ein durchgesessenes Polster lässt sich nicht so leicht manipulieren, wie der Tachostand", sagt der Polizeisprecher. "Um die Verschleißerscheinungen zu beseitigen, müsste der Verkäufer erst einmal ein paar Hundert investieren und das tut ein Betrüger in der Regel nicht." Auch eine Airbaglampe, die beim Starten des Autos ungewöhnlich lange leuchtet, kann ein Hinweis auf ein bereits stärker strapaziertes Triebwerk sein. Mit solchen Methoden kann man allerdings nur dreiste Manipulationen erkennen, also wenn ein Kilometerfresser in einen Standfahrzeug verwandelt wird. Wenn aber ein Kilometerstand von 220.000 auf 150.000 zurückgesetzt wird, wird der Laie nichts Auffälliges erkennen. Denn deutliche Verschleißspuren sind auch bei 150.000 Kilometern nichts ungewöhnliches. In den meisten Fällen kann eine Vertragswerkstatt helfen. Dort kann man den echten Kilometerstand aus der Fahrzeug auslesen.
Durch die Möglichkeit, Fahrzeughistorien beim Kraftfahrtbundesamt abzufragen, wollte das Bundesverkehrsministerium mehr Sicherheit beim Gebrauchtwagenkauf schaffen. Anhand von jederzeit abrufbaren Daten zu Baujahr, An- oder Umbauten und Halteranzahl sollen sich unter anderem verdeckte Unfallschäden oder Tachomanipulationen feststellen lassen. Zuvor müssten jedoch noch wichtige Datenschutzfragen, geklärt werden, hieß es dazu im vergangenen Jahr. Bis heute ist man in der Sache offenbar nicht viel weitergekommen zu sein. Kommerzielle Unternehmen bieten inzwischen ebenfalls Recherchedienste zur Fahrzeugvergangenheit an.