US-Energie-Gesetz Mehr Schein als Sein

Von Helmut Werb
Das von US Präsident Bush verabschiedete Energie-Gesetz hört sich verdammt hart - und wirkungsvoll - an. Dementsprechend empört reagierten bisher die Autobauer. Nun nimmt es die US-Industrie sportlich und verkündet: "Wir werden Spass haben."

Als der Ölpreis im Jahr 1974 von 3 Dollar pro Barrel auf unerhörte 11 Dollar stieg, verabschiedete der damalige US-Präsident Nixon ein Energiespar-Gesetz und versprach seinen Landsleuten, die Vereinigten Staaten von Amerika bis zum Jahr 1980 unabhängig von ausländischen Öllieferanten zu machen. Nun (das Barrel Erdöl kostete knapp 100 Dollar) unterzeichnete US-Präsident George W. Bush ein Energiespar-Gesetz, das die Abhängigkeit seines Land von nicht-amerikanischen Erdöllieferungen beenden will. "History repeats itself", die Geschichte wiederhole sich, meinte der US-Abgeordnete Nick Rahall, der Anfang des Jahres mehrere Gesetzesvorlagen zum Umweltschutz eingebracht hatte.

Erbitterter Widerstand

Dieses Mal könnte sich tatsächlich etwas bewegen. Einige der im Gesetz verankerten Vorschriften wurden von den Autofirmen bis kurz vor der Untereichnung heftigst bekämpft. Besonders das lauschig CAFÉ genannte Gesetz ("corporate average fuel economy"), das vorschreibt, bis zum Jahr 2020 den Flottenverbrauch, aller in den USA verkaufter Fahrzeuge auf umgerechnet 6,8l/100km zu senken (was einer Reduzierung von nahezu 40% entspricht), stiess bis kurz vor der Unterzeichnung auf starken Widerstand bei der Oktan-Lobby, die ihren Hauptmarkt gigantischer SUV-Benzinschlucker ohnehin dahinsiechen sieht. "Dieses Limit ist unsinnig", schimpfte noch vor kurzem General Motors Vorstandsmitglied Bob Lutz, "und es kann uns alle ruinieren." Autos würden durch massive Gewichtseinsparungen unsicherer und teurer, war einer der Haupteinargumente. Auch deutsche Autoproduzenten, die ihr Hauptgeschäft in den USA mit grossen, spritvernichtenden Limousinen machen, liefen monatelang Sturm. "Da müssten wir eine Menge Kleinwagen in Beverly Hills verkaufen, um auf den Flottenverbrauch zu kommen", stöhnte ein ohnenhin von Dollar-Schwäche gebeutelter Marketing-Chef eines deutschen Luxus-Herstellers über das US-Geschäft. "Das kann hier noch heiter werden demnächst."

Sprit oder Nahrung

Doch das Energieunabhängigkeits- und Sicherheits-Gesetz, so der offizielle Name ("Energy Independence and Security Act"), geht noch ein Stückchen weiter - bis zum Jahr 2022 müssen demnach 36 Milliarden Gallonen erneuerbarer Kraftstoffe auf den Markt kommen, was in etwa 132 Milliarden Litern Sprit entspricht, hauptsächlich Ethanol aus Steppengras, Holzabfällen und Korn, was - so die Gegner des Gesetzes - die Kosten für Lebensmittel stark ansteigen lassen würde, da es zu einem Konkurrenzkampf um Anbauflächen zwischen den neuen Kraftstofflieferanten und Lebensmittelherstellern komme. Ironischerweise könnten ausgerechnet die erneuerbaren Kraftstoffe ein Lichtblick für deutsche Autoschmieden werden, die schon seit geraumer Zeit an BioDiesel-Kraftstoffen der zweiten und dritten Generation arbeiten, und jetzt hoffen, dass der aus Abfallstoffen gewonnenen Sprit als erneuerbare Energiequelle anerkannt wird.

Konflikt um Anbauflächen

Doch das Energie-Gesetz dürfte nur ein Tropfen auf dem heissen Stein sein. Die wichtigsten Elemente des Entwurfes, wie etwa der Einsatz eines vorgeschriebenen Prozentsatzes von erneuerbaren Energiequellen bei der Stromerzeugung oder die dringend notwendige Subventionen für die Entwicklung und den Einsatz von Wind, Solar und geothermischen Energien mussten die Demokraten, die den Entwurf eingebracht hatten, wieder streichen, da Bush mit einem Veto gedroht hatte. Vor allem seine Freunde aus dem Ölgeschäft beschützt Präsident Bush weiterhin. Stand im Gesetzentwurf der Demokraten noch der Wegfall der immensen Steuerbegünstigungen der US-Mineralölindustrie, deren Billionen-Profite die amerikanische Öffentlichkeit erzürnen, liess Bush die Klausel ersatzlos streichen und die Demokraten mussten zähneknirschend klein beigeben - amerikanische Ölbarone erzielen ihre obszönen Rekordprofite weiterhin so gut wie steuerfrei. Dafür liess der Präsident jedoch grosszügig den Einsatz von Energiesparlampen bis zum Jahr 2014 ins Gesetz schreiben. "Das hätte besser laufen können", gab Barbara Boxer, Vorsitzende der Energie-Kommissin, bei der Unterzeichnungzeremonie zu. "Aber wir werden weiter kämpfen." Selbst Greenpeace, das noch im August heftig gegen die geplante Vorlage zeterte, gibt sich versöhnlich. Greenpeace lobe den Gesetzentwurf, stand in einer Pressemitteilung der Umweltorganisation, weil das Gesetz "…wichtige Schritte unternimmt zur Reduzierung von Amerikas Abhängigkeit vom Öl unternimmt." Obwohl bei weitem nicht perfekt, so das Greenpeace Statement weiter, sei es ein erster Schritt zu einer Politik, die die Erderwärmung bekämpft.

Industrie will "Spass" haben

Die amerikanische Automobilindustrie wiederum zeigt sich nur Stunden nach der Unterzeichnung des Gesetzes durchaus versöhnlich. Chryslers neuer Chef, James E. Press, liess sich sogar zu der Äusserung verleiten, das er mit den CAFE-Gesetzen gut leben könne. "Wir sehen nun etwas besser, was vor uns liegt, und wie steil der Berg ist, den wir besteigen müssen. Wir werden unseren Spass haben", meinte Press, bis vor kurzem noch US-Chef von Toyota. "Wir werden unseren Beitrag leisten." So schnell kann’s gehen.