Volkswagen Eos Luftiger Lichtblick

Bislang kamen aus Wolfsburg selten Spaßmobile. Mit dem neuen viersitzigen Sonnenanbeter Volkswagen Eos gelangt endlich der lange vermisste Pepp in die Modellpalette.

Die Göttin der Morgenröte hat sich schon wieder schlafen gelegt, als der silberfarbene Volkswagen an einem Vormittag durch San Diego braust, vorbei am Sea-World-Park in Richtung Strand, an dem sich die Wellen des Pazifiks brechen. Ein perfekter Moment, um ein Bad in der kalifornischen Sonne zu nehmen. Auf Knopfdruck surren winzige Motoren los, senken die Seitenscheiben, lupfen das Stahldach an und klappen Abdeckungen auf, um Platz zu machen für die Dachelemente, die sich nun zusammenfalten und im Kofferraum verstauen.

Knapp 25 Sekunden dauert die Verwandlung vom Coupé in ein Cabriolet, und es ist ein Schauspiel, das staunende Blicke auf sich zieht. "Nice car!", ruft eine Joggerin im Vorbeilaufen. Es ist der Eos, Volkswagens neues Cabrio. Benannt nach der griechischen Göttin der aufgehenden Sonne, ist das Auto ein bisschen größer als der Golf und soll im Sommer auf den Markt kommen.

Technische Daten

Motoren

Benzin: 2 l mit 110 kW/150 PS u. 2-l-Turbo mit 147 kW/200 PS

Fahrleistungen

0-100 km/h: 9,8 bzw. 7,8 s; Spitze: 209 km/h bzw. 232 km/h

Verbrauch

Durchschnittl. 8,5 bzw. 8,3 Liter Super Plus

Abmessungen

L/B/H: 4,41/1,79/1,44 m

Leergew.

1,48 Tonnen bzw. 1,53 Tonnen

Gepäckraum

maximal 380 Liter

Preis

Ab 27 950 Euro

"Aber das ist kein Golf-Cabrio!", sagt Silvia Hoch, Marketingleiterin für den Eos. Schon deshalb nicht, weil der neue Wolfsburger das gleiche Fahrwerk wie der Passat hat und 20 Zentimeter länger ist als der Golf. Und die Preisliste beginnt bei 26 000 Euro - auch das entspricht eher dem Passat. Vor allem aber soll der Eos überhaupt kein Cabrio sein, sondern ein vollwertiger Viersitzer mit ordentlichem Kofferraum (380 Liter) und variablem Dach. "Wir haben festgestellt", sagt Silvia Hoch, "dass die Kunden verschiedene Sachen kombinieren möchten, die Grenze zwischen Cabrio und Coupé verwischt."

Neu ist der Trend nicht. Vor sechs Jahren schon brachte Peugeot mit dem 206 CC das erste Cabrio-Coupé auf den Markt und hatte damit so viel Erfolg, dass alle großen Hersteller folgten. Seitdem hat sich das Cabrio-Segment, in dem diese Sowohl-als-auch-Modelle statistisch untergebracht werden, europaweit auf 3,1 Prozent Marktanteil verdoppelt: 2004 wurden gut 450 000 Oben-ohne-Autos abgesetzt, davon allein 160 000 in Deutschland. Doch die neuesten Zahlen vom Kraftfahrtbundesamt zeigen, dass sich der Cabrio-Trend abgeschwächt hat: 2005 wurden 8,9 Prozent weniger Cabrios verkauft als im Vorjahr.

Und ausgerechnet jetzt kommt der Eos. Warum so spät? "Wir wollten kein Auto, das um das Dach herum konstruiert ist, wie das häufig bei Cabrios mit Stahldach passiert", sagt Silvia Hoch. "Wir wollten keine Kompromisse eingehen, das brauchte eben seine Zeit." Das Dach ist ein kleines Wunder an Hebeln, Stangen und Blechteilen. Stolz verweisen die Wolfsburger darauf, als Erste ein Auto anzubieten, dessen Metallklappdeckel aus fünf Teilen besteht. Konkurrenzcabrios hätten nur drei Dachelemente, was das Zusammen- oder Auseinanderfalten wegen der sperrigen großen Flächen fast akrobatisch anmuten lässt. Anders beim Eos: Der gleiche Vorgang sieht wegen der kleineren Blechteile eleganter aus.

Der optische Vorteil wird mit einer aufwendigen Gestängekonstruktion erkauft, die im Testbetrieb ab und an ins Stocken geriet. Das soll VW bewogen haben, den Verkaufsstart des Eos vom Februar auf den Sommer zu verschieben. Volkswagen bestreitet das. "Es ist sicher das komplexeste Dach, das derzeit angeboten wird", sagt VW-Sprecher Jörg Walz. Aber Probleme? Keine Spur. Das Werk in Portugal könne die Produktion nicht schnell genug hochfahren. Und: "Die Nachfrage liegt über den Erwartungen", sagt Walz.

"Ein einfaches Golf Cabrio ist nicht das, was mit VW verbunden wird", sagt Silvia Hoch. "Wir müssen uns höher positionieren. Das ist aus der Marktforschung klar hervorgegangen." Noch nie hat Volkswagen sich so ausführlich mit Trends beschäftigt wie beim Eos, und erstmals durften die Marktforscher und Marketingstrategen von Anfang an bei der Entwicklung mitreden.

"Fun", "Action", "sich verwöhnen", "Individualisierung" riefen sie den Ingenieuren als Stichwörter zu. Und so brüstet sich der Eos mit allerlei Extras und "Ambientepaketen", die Wertigkeit, Sportlichkeit und Komfort vermitteln sollen, darunter burgunderrote Ledersitze, Zierleisten in Pappelmaser, fünf Motorenvarianten von 115 bis 250 PS, eine Klimaanlage, die registriert, ob das Dach geöffnet ist, und eine Fußbeleuchtung im Fond mit einstellbarer Nachleuchtdauer. Wobei jene, die hinten sitzen, glücklicher wären über ein paar Zentimeter mehr Beinfreiheit.

"Fahrspaß-orientierte Life- style-Typen" stört das sicher weniger als den Pragmatiker, der darauf achtet, für jede Alltagssituation genügend Stauraum zu haben. Beide gehören zu den Kunden, die VW-Trendscouts als potenzielle Eos-Käufer ermittelt haben. Geld spielt für sie eine untergeordnete Rolle: Der typische Eos-Fahrer "ist 35 bis 45 Jahre alt, eher gut gebil-det, hat ein höheres Einkommen und statusorientiertes Konsumverhalten", sagt Silvia Hoch. Für sie selbst ist der Wagen leider unpraktisch; sie muss morgens vier Kinder zur Schule bringen und fährt deshalb einen Touareg. Die Joggerin vom Strand dagegen passt genau: "Das ist ein Mensch mit aktivem Lebensstil. Solche wollen wir ansprechen."

Kalifornien soll einer der drei Topmärkte für den Eos werden, neben Deutschland und England. Aber in den USA verliert VW seit Jahren Marktanteile. Deshalb haben die Wolfsburger für künftige Autos das Projekt "Moonraker" gestartet: Seit gut einem Jahr reisen 23 Mitarbeiter durch die USA, besuchen Einkaufszentren, Autorennen, Rodeos, um herauszufinden, wie Amerikas Autofahrer ticken. Eine ähnliche Aktion plant VW für Europa, "weil wir die Fahrzeuge stärker auf die Kundenbedürfnisse hin entwickeln wollen", sagt Hoch.

Sie hat den Eos zurück an den Strand gelenkt, auf einen Parkplatz in Solano Beach. Die goldene Nachmittagssonne betont die Kurven des Spaßmobils, das binnen Minuten neue Schaulustige anzieht. "Das Auto da, wie heißt das?", fragt eine Frau. Als Silvia Hoch ihr das Dach vorführt, jubelt sie: "Da muss man sich keine Sorgen machen, dass das einer kaputtschneidet. Und trotzdem perfekt für den Sommer!" Ein Satz wie aus dem Prospekt. Aber würde sie den Eos kaufen? Nein, sorry, sagt die 32-Jährige, die als Stewardess arbeitet. "Zu teuer." Außerdem findet sie den Wolfsburger, der von den Geländewagen ringsherum fast erdrückt wird, zu klein. "Sie wissen doch", sagt sie, "in Amerika ist größer immer besser." Stimmt, das hätte man wissen können. Auch ohne Marktforschung.

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Karsten Lemm