Computersicherheit Hinter Schloss und Riegel

Mit Sicherheits-Chips will die Industrie den PC endlich vor Hacker-angriffen und viren schützen. Doch das könnte den Konzernen zu viel Kontrolle über die Computer geben.

Grandmother" glaubt, dass es bald "vorbei ist mit der Freiheit am PC". "Schluss mit Spaß im Netz", fürchtet "L.O.S.P". Und "wimm" sieht "die totale Kontrolle" kommen, "wie in 1984". Um die Emotionen hochkochen zu lassen, bedarf es in Internetforen derzeit nur der Erwähnung von vier Buchstaben: TCPA. Die stehen für "Trusted Computing Platform Alliance", und das wiederum für die größte Anstrengung in Sachen Computersicherheit seit der Erfindung des PC. Alles, was in der Hard- und Softwarebranche einen Namen hat - Intel, AMD, Sony, Hewlett-Packard, Dell, Microsoft und 200 weitere Hersteller -, hat sich in der TCPA beziehungsweise in deren Nachfolgeorganisation "Trusted Computing Group" (TCG) zusammengeschlossen.

Per Chip zum Tresor

Mit ihrer geballten Macht wollen die Konzerne aus den bislang für Viren und Schnüffelprogramme anfälligen Personal Computern echte Hochsicherheitssysteme machen. Die Branche setzt dabei auf einen winzigen Chip, der in jeden Rechner der nächsten Generation eingebaut werden soll - "eine Art Tresor auf dem Schreibtisch", sagt Thomas Rosteck vom Chip-Hersteller Infineon Technologies. Auch MP3-Player, Handys und Hi-Fi-Geräte können damit ausgestattet werden.

Im Web

www.trustedpc.org Website der Firmen (engl.)
www.againsttcpa.com Argumente der Gegner (dt.)

Wenn die nächste Version des Betriebssystems Windows demnächst mit der Sicherheits-Hardware zusammenarbeitet, könnte das die Technikwelt in der Tat revolutionieren. Dann lassen sich mit Hilfe der Chips alle Rechenvorgänge überwachen: Ist das Programm, das soeben gestartet wurde, sicher? Könnte sich ein Virus eingeschlichen haben? Ist die E-Mail, die gerade angekommen ist, wirklich vom angegebenen Absender? Entsprechend konfiguriert, führt Windows dann nur noch solche Software aus, die zuvor vom Chip für unbedenklich erklärt wurde.

Wer entscheidet über "gute" und "schlechte" Software?

Eine schöne Vision. Vielleicht zu schön. Eine breite Front von Gegnern hat sich formiert, um das Konzept in letzter Minute noch zu verhindern. Dahinter stecken keineswegs Viren-Autoren, Werbemail-Versender und andere Bösewichte, sondern Netz-Aktivisten, Datenschützer und Politiker. Der Verein "Protect Privacy" engagiert sich gegen TCPA, Webseiten wie stop1984.com und notcpa.org organisieren den Widerstand im Netz. Sie fürchten, dass "die Anwender die Kontrolle über ihre PCs verlieren", wie Rüdiger Weis vom Chaos Computer Club meint. Den Kritikern macht besonders eine Frage Sorge: Wer entscheidet, was "gute" und was "schlechte" Programme sind - und damit, was auf dem PC laufen darf?

Nach den bisherigen Plänen sollen "gute" Dateien künftig vom Hersteller ein digitales Zertifikat erhalten, mit dem sie sich gegenüber dem Chip als vertrauenswürdig ausweisen können. Was Musikmanager und Softwarehersteller besonders freuen dürfte: Auch Raubkopien ließen sich so identifizieren und blockieren. Sind dann nur noch Microsoft-Produkte "vertrauenswürdig"? Oder solche von Herstellern, die bei Microsoft zuvor eine teure Lizenz gekauft haben?

Hysterische Diskussion?

"Unsinn", entgegnet Microsoft-Sprecher Frank Mihm und wundert sich, "wie hysterisch diese ganze Diskussion geführt wird". Auch auf gesicherten Computern könne weiterhin jedes nicht zertifizierte Programm ausgeführt werden - sozusagen auf eigenes Risiko. Aber selbst die Bundesregierung sieht "die Gefahr, dass Softwareanwendungen auf den sicheren PCs einer Lizenz durch Microsoft bedürfen und dafür hohe Kosten anfallen", wie es in der Antwort auf eine Bundestagsanfrage heißt. "Negative Folgen besonders für kleine und mittlere Unternehmen" befürchtet auch die CDU-Abgeordnete Martina Krogmann, die TCPA auf die politische Tagesordnung setzen will. Schon jetzt beschäftigt sich eine 17-köpfige Arbeitsgruppe des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik mit der geplanten Sicherheitsrevolution. Und das Bundeswirtschaftsministerium lud gerade zu einem Sicherheitssymposium in die Hauptstadt. Ziel ist, die Diskussion erst einmal zu "versachlichen".

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Ulf Schönert

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