SCHEIBE Nostalgischer Rückblick

Bei Bier und Zigarren werden auch Computer-Freaks nostalgisch: Sie träumen von DOS-Prompts, Windows 3.1 und der Zeit, als man Musik noch aus dem Radio aufnahm.

Robbe zog genüsslich an seiner Zigarre und paffte einen perfekten Kreis in die Luft. Er brummte: »Ach, war das Leben am DOS-Prompt doch schön.« Jörgi und Cookie nickten versonnen und nippten an einem Bier aus der Flasche. Die Münder standen ihnen weit offen, als vor ihrem inneren Auge längst vergessen geglaubte Screenshots vorbeizogen.

»Es konnte nur Windows 3.1 sein...«

»Könnt ihr euch noch an die Zeit erinnern«, fragte Jörgi, »als man nur Windows sagen musste und jeder sofort Bescheid wusste, das damit nur Windows 3.1 gemeint sein konnte? Alle hatten genau die gleiche Windows-Version. Da konnte man problemlos Fehler ausdiskutieren, den Inhalt von INI-Dateien miteinander vergleichen und gemeinsam den Programmmanager ins Tal des Todes wünschen.«

95, 98, ME, XP, NT oder 2000 - häh?

»Du hast Recht«, stimmte Cookie zu. »Heute haben die Leute Windows 95 oder 98, fluchen über ME oder erfreuen sich bereits an Windows XP. Zwischendrin kriechen einige Angsthasen umher, die lieber auf Nummer Sicher gegangen sind und Windows NT oder 2000 benutzen.«

Ich mischte mich ein und gab zu bedenken, dass selbst Windows 3.1 doch schon blühender Fortschritt war. Cookie lenkte gleich ein: »Ich weiß noch, wie ich mir unter DOS selbst die einzelnen Befehle beigebracht habe. Mit dem MS-DOSe-Cartoon von Tiki Küstenmacher. Ich löschte völlig ahnungslos wichtige Systemverzeichnisse, räumte aus Versehen die Command.com beiseite und formatierte aus Jux und Dollerei die ganze Festplatte. Wie ernst diese Aktionen waren, sah man ja nie sofort. Ich hatte damals so etwas wie einen Mentor, der hieß Stefan. Den rief ich dann immer an und beichtete ihm, dass ich meine Festplatte wieder einmal aufgeräumt hatte. Der kam dann zu jeder Tages- und Nachtzeit immer mit einem Notarztkoffer voller Disketten und richtete mein System wieder ein. Das dauerte immer Stunden. Nach dieser Zeit konnte ich meine DOS-Befehle aber im Schlaf herunterbeten.«

Keiner blickt mehr durch

»Und?«, brummte Robert. »Heute kannste alle DOS-Befehle völlig vergessen. Heute gibt es auch keine Freunde mehr, die dir bei jedem Problem helfen. Weil es dank der vielen Windows-Versionen so viele Probleme gibt, dass keiner mehr durchblickt.«

Beten, dass das System hält

»Muss ja auch keiner mehr«, meinte Jörgi. »Die Leute kaufen sich heute den fertig mit Windows und MS Office bestückten PC, stellen ihn zu Hause auf und beten jeden Morgen, dass ihnen das System nicht um die Ohren fliegt. Weil sie gar nicht mehr dazu in der Lage wären, es neu aufzuspielen.«

Damals, am Wannsee...

Robbe resümierte: »Ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, da hatte ich überhaupt gar keinen Computer. Keinen XT, keinen Commodore, keinen Amiga, ja nicht einmal eine Konsole oder einen Taschenrechner für die Schule. Nix. Nada. Ich hatte endlos Zeit, um mit den Mädels um die Häuser zu ziehen oder am Wannsee im Gras zu liegen. Heute hocke ich doch ganze Wochenenden an der Kiste, nur um herauszufinden, wie ich eine kopiergeschützte CD kopieren kann. Ist doch Irrsinn.«

Jörgi meinte: »Ja, aber heute müsstest du dich in der Zeit um die Kinder kümmern, die Reparaturen im Haus erledigen oder einkaufen gehen...« »Dann doch lieber am PC frickeln«, lachte Robbe und hielt sich den Bauch, der schon lange nicht mehr mit einem Sixpack verglichen wurde.

Der Moderator soll den Mund halten

Ich erinnerte mich auch: »Mein einziges High-Tech-Gerät war damals ein Walkman. Ich konnte schon als Jugendlicher keine Sekunde ohne Musik sein. Das Problem war damals nur , das die Anschlussbuchse für den Kopfhörer immer nach ein paar Wochen einen Wackelkontakt bekam. Ich hatte insgesamt bestimmt zwanzig dieser mobilen Kassettenplayer.« Cookie mischte sich ein: »Ja, und damals gab es nur Schallplatten und Kassetten. Unsere Songs nahmen wir uns immer im Radio auf Kassette auf. Und hofften darauf, dass der blöde Moderator nicht wieder in die letzten fünf Sekunden vom Song hineinquatschte. Und heute? MP3, MiniDisk, CD, DVD – wer blickt da noch durch?«

Telefone in Osttransitklogrün

Jörgi hob theatralisch die Arme: »Und denkt einmal an die Zeit ohne Handys. Über ein Jahr lang habe ich bei meinen Eltern gebettelt, bevor ich mit 17 Jahren endlich einen eigenen Anschluss in meinem Zimmer bekommen habe. Da gab es dann diese altmodischen Telefone von der Telekom mit runder Zahlenwählscheibe und in Farben wie Osttransitklogrün und Mandarinenorange.« Robbe kicherte: »Und der Hörer war so dick und schwer, dass man damit Einbrecher erschlagen konnte.«

Jörgi sackte zusammen: »Heute habe ich ein Handy dabei, damit mich meine Frau auf dem Sportplatz anrufen und nach Hause zitieren kann. Früher bin ich nachts um zwei besoffen nach Hause gewankt und hab ihr vorgelogen, dass mich die Kumpels nicht haben ziehen lassen.«

Wir saßen weiter zusammen, schwiegen und hingen unseren Gedanken nach. Bis Robbe meinte: »Aber einen DVD-Player, den hole ich mir nächste Woche doch noch...«

Carsten Scheibe

PRODUKTE & TIPPS