Ich hab's immer eilig. Hier wartet ein Termin im Job, da möchte die Familie Zeit mit dem Möchtegern-Oberhaupt der Sippe verbringen. Umso ärgerlicher ist es dann, wenn ich gezwungen bin, für eine eigentlich belanglose Angelegenheit mehr Zeit aufzuwenden, als mir eigentlich lieb ist. Zwei Beispiele aus dem Alltag belegen aufs Vortrefflichste, wie vor allem der Einsatz technischer Spielereien dafür sorgt, dass ein früher noch ganz simpler Vorgang auf einmal unnötig in die Länge gezogen wird - wie Kaugummi.
Beispiel 1: Greife ich zum Telefon, so lande ich immer häufiger in einer automatischen und zu allem Unglück auch noch interaktiven Warteschleife. Nehmen wir doch einmal meinen Wachschutz. Unsere Alarmanlage im Haus wird manchmal schon aktiviert, sobald eine Tür zu doll ins Schloss fällt oder wenn die spielenden Kinder kreischend Tonlagen erreichen, für die menschliche Kehlen eigentlich nicht gemacht sind. Dann müssen wir rasch beim Wachschutz anrufen, damit die nicht gleich einen Wagen losschicken. Früher war das kein Thema. Anrufen, Namen und Passwort nennen - und Tschüss. Heute entspinnt sich - überspitzt formuliert - der folgende Dialog.
"Guten Tag, hier ist Ihr Wachschutz."
(Pause, in der noch immer die Sirene heult, meine Frau hektisch auf dem Tastenfeld der Anlage herumhämmert und der Hund lautstark ins Heulen einfällt)
"Wir heißen Sie herzlich willkommen. Ist das nicht ein schöner Tag heute?"
(Pause, die Kinder heulen, der Hund heult, meine Frau hämmert weiter)
"Möchten Sie gern einen Überfall melden, so drücken Sie die 1. Benötigen Sie eine Auskunft zu unserem neuen Tarif Mondschein 1QBeta12, dann drücken Sie die 2. Möchten Sie einfach nur eine freundliche Stimme hören, um über Ihre Probleme zu reden, dann drücken Sie die 3."
(Pause, der Krach im Haus nimmt plötzlich ab, die Alarmanlage ist stumm. Wäre ein Einbrecher im Haus, wären wir sicherlich schon längst alle tot.)
"Trifft nichts von alledem zu oder haben Sie sich verwählt, dann probieren Sie es doch bitte einmal unter den folgenden fünfzehn Telefonnummern noch einmal. Moment, wir zählen sie Ihnen einzeln auf…"
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Mein dreckiger Schreibtisch
Müssen eigentlich alle Kreativen kleine Dreckferkel sein, was die Ordnung auf ihrem Schreibtisch anbelangt? Fast scheint es so! Carsten Scheibe sammelt die "schlimmsten" Tatsachenfotos aus der ganzen Welt. Staunen, Erschrecken, Mitmachen: DreckigerSchreibtisch.de
Mein Problem ist, dass unsere ganzen Telefone im Haus das mit dem Tastendrücken irgendwie nicht so richtig kapieren. In der Folge muss ich immer passiv abwarten, bis die Stimme auf dem Ansageband alles erzählt hat, was sie zu erzählen hat, damit ich zu einem normalen Menschen durchgestellt werde. Den hatte ich früher sofort an der Strippe: Warum wurde das nur geändert?
Beispiel 2: Wir kaufen unsere Getränke inzwischen ausschließlich bei ALDI, LIDL & Konsorten. Da sind Mineralwasser, Apfelschorle und Cola einfach am billigsten. Die leeren Plastikflaschen werfen wir immer in eine große Pappkiste aus dem Büro. Da die Kinder morgens immer zwei Flaschen mit in die Schule bekommen und wir auch im Büro viel trinken, haben wir eine Kiste meist schon nach einer Woche voll. Nicht immer schaffe ich das dann auch, die Flaschen gleich wegzubringen. In der Regel mache ich mich erst dann dann auf den Weg, sobald ich drei Kisten beisammen habe. Kisten wohlgemerkt, die bis zur Hüfte reichen.
Eine Maschine, teuer wie fünf Jahresgehälter
Früher hat die Kassiererin kurz gestöhnt, ist von der Kasse aufgestanden und hat die Flaschen innerhalb von fünf Minuten sortiert, abgerechnet und ausbezahlt. Heute steht in den Filialen eine riesige Maschine, die in der Anschaffung sicherlich so teuer war wie das Jahresgehalt von mindestens fünf Verkäuferinnen. Sie nimmt ab sofort die leeren Flaschen entgegen. Aber nur dann, wenn sie nicht geknautscht sind, ihr Etikett noch tragen und mit dem Boden voran in die Maschine gestopft werden. Laser tasten dann die Hülle ab, während Rollen die Flasche rotieren lassen. Ist alles in Ordnung, wandert die Flasche weiter und wird Platz sparend zusammengepresst.
Apropos alles in Ordnung. Der Automat spuckt viele Flaschen wieder aus, die er eigentlich nehmen sollte. Er schlägt Alarm, wenn ich ihm die Flaschen zu schnell anreiche. Und er meldet, dass sein Behälter voll ist, sobald ich gerade mit der Hälfte durch bin. Dann muss ich erst eine Kassenfrau anlocken, die den Behälter tauschen kann. Während dieser Aktionen steht mir der Angstschweiß bereits auf dem Rücken, denn hinter mir warten schon fünf grimmige Omis, die nur eine einzelne Flasche abgeben möchten und sich murmelnd darüber wundern, dass ein einzelner Mensch nur so viel trinken kann. Am Ende lande ich dann meist bei 185 Flaschen - und muss dank meines Bons für meinen nachfolgenden Einkauf nix mehr bezahlen. Nur: Die Flaschenstopferei kostet mich jedes Mal mindestens eine halbe Stunde, wenn nicht länger. Die Zeit für eine so stumpfsinnige Tätigkeit möchte ich eigentlich nicht aufwenden. Muss ich aber.
Und ich bin mir sicher, dass ich noch viele Beispiele aus dem Alltag vergessen habe, die meine These stützen. Da ich Ihre Zeit als Leser aber nicht über Gebühr strapazieren möchte, breche ich erst einmal ab und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.
Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania