Scheibes Kolumne Totale Mail-Verlotterung

Eine flott geschriebene E-Mail ist etwas Feines. Ratzfatz, ist sie runtergerotzt und abgeschickt. Dabei bemerkt stern.de-Autor Scheibe immer wieder, dass sich seriöse Mail-Kontakte schnell abnutzen und hemmungslos der verlotterten Schnellschreiberei frönen.

Die Kommunikation per E-Mail ist eigentlich eine unglaublich tolle Sache. Frisch eingegangene Nachrichten lassen sich ignorieren, löschen und vor allen Dingen erst dann lesen und beantworten, wenn es einem selbst am allerbesten in den Kram passt. Kein Wunder also, dass die E-Mail nicht nur den geschriebenen Brief und das Fax ablöst, sondern auch dem guten alten Telefongespräch ordentlich Konkurrenz macht. Der einzige Nachteil, den ich bei der E-Mailerei sehe, ist ein zügiger Verfall aller Schreibsitten.

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Mein dreckiger Schreibtisch Müssen eigentlich alle Kreativen kleine Dreckferkel sein, was die Ordnung auf ihrem Schreibtisch anbelangt? Fast scheint es so! Carsten Scheibe sammelt die "schlimmsten" Tatsachenfotos aus der ganzen Welt. Staunen, Erschrecken, Mitmachen: DreckigerSchreibtisch.de

Ein Beispiel: Ein Leser, ein neuer Kunde oder gar ein Redaktionskollege schreibt mir eine allererste Mail. Die beginnt in der Regel mit "Sehr geehrter Herr Scheibe", bringt dann klar gegliedert und sehr ausführlich den Grund des Schreibens vor, um dann in einer Grußformel zu enden. Am Ende der Mail stehen dann auch alle wichtigen Kontaktdaten inklusive Adresse und Telefonnummer. Hier erinnert die Mail an einen klassischen Brief.

Die Verlotterung beginnt

Ich bin ein lockerer Typ und das merkt man im Mail-Verkehr mit mir schon recht bald. Schnell ist man beim Du, was vielleicht ein Fehler ist, weil die Du-Anrede schnell die Phase 1 der E-Mail-Verlotterung einläutet. Dann werden die Mails nämlich an "Hallo Carsten" adressiert, sind plötzlich merklich knapper formuliert und lassen am Ende auch noch die Signatur und vor allen Dingen die Telefonnummer vermissen. Muss ich dann doch einmal jemanden anrufen, krame ich mich bis in die ganz alten Mails durch, um die Nummer zu finden.

Aber es kommt noch schlimmer. In den nächsten Mails wird die Anrede dann bereits auf ein kumpelhaftes "Tach, Scheibe" reduziert, als Absender kommt nur noch ein "Paul" zum Einsatz und dazwischen stehen einige Sätze voller Tippfehler, die spürbar hektisch aufgesetzt und dann ohne sich anschließenden Korrekturdurchlauf an mich verschickt wurden. Ist das entwürdigend? Ja, das ist es. Wenigstens einen Korrekturdurchlauf muss man als Mail-Partner doch seinem Gegenüber wert sein.

Es kommt noch schlimmer

Auch diese Phase hält nicht lange vor, denn es geht noch krasser. Irgendwann verliere ich auch noch das Recht auf eine wie auch immer geartete Anrede. Auch die Groß- und Kleinschreibung wird aufgegeben, um in der Kommunikation mit mir weiter Zeit sparen zu können. Dann heißt es da plötzlich nur noch: "morgen kriegste die software. peter."

Bekommt man erst einmal zwei, drei Dutzend Mails von diesem nichtssagenden Shorty-Kaliber, geht der Überblick schnell verloren. Zumal sich dann bald die Mails einstellen, die eine Mail von mir einfach nur noch mit einem Smiley, einem "OK" oder einem "klaro" beantworten. Es macht nicht viel Sinn, mit "ok" auf eine Mail mit vier konkreten Fragen zu antworten. Soll das denn nun heißen, dass die Antwort auf alle Fragen "Ja" heißt? Oder bedeutet das nur, dass die Mail angekommen ist und die Beantwortung noch etwas dauern kann?

"WDWWRMDA"

Mir ist das egal. Ich glaube, ich gebe meine E-Mail-Liebe bald auf und antworte auf alle Mails nur noch mit "WDWWRMDA". Das Kürzel heißt nämlich: "Wenn du was willst, ruf mich doch an."

Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania

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