Das Unternehmen Neuralink forscht an Gehirn-Computerchips für gelähmte Menschen. Dafür führt es auch Experimente mit Tieren durch. Aufgrund von vorschnellen, fehlerhaften und fahrlässigen Vorgehen sollen allerdings deutlich mehr Tiere getötet worden sein, als notwendig gewesen wäre. Auch hätten nicht so viele Tiere leiden müssen. US-Bundesbehörden haben daher Untersuchungen gegen Neuralink wegen möglicher Verstöße gegen den Tierschutz eingeleitet, wie Reuters berichtet. Die Nachrichtenagentur hat nach eigenen Angaben Unternehmensunterlagen einsehen können und mit aktuellen sowie ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesprochen.
Demnach hat es vermehrt Beschwerden mehrerer aktueller sowie ehemaliger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegeben. Sie geben an, dass Firmenchef Elon Musk sie unter Druck setzen würde, um bei der Forschung schneller voranzukommen. Das soll zu unzureichenden Vorbereitungen sowie fehlerhaften Vorgehen geführt haben. So hätten etwa Experimente wiederholt müssen, was eine erhöhte Anzahl getöteter Tiere zur Folge gehabt habe.
Dies bedeutet nicht zwingend, dass Neuralink gegen Vorschriften verstoßen hat. In den USA ist nicht vorgeschrieben, wie viele Tiere und wie sie für Forschungszwecke eingesetzt werden dürfen. Die Forschungsfirma hatte zudem alle Untersuchungen des Generalinspektorats des Landwirtschaftsministeriums der Vereinigten Staaten (USDA) bestanden.
Seit 2018 etwa 1500 Tiere bei Experimente von Neuralink getötet
Im Jahr 2021 wurden demnach beispielsweise 25 von 60 Schafen Geräte in einer falschen Größe in den Kopf implantiert. Bei zwei anderen Operationen sollen Geräte versehentlich in den falschen Wirbel von zwei Schafen implantiert worden seien, wie zwei Quellen und Dokumente, die Reuters eingesehen haben will, nahelegen würden. Der Betriebsveterinär wies die Forscher daraufhin dazu an, eines der beiden Schafe umgehend zu töten, um es von seinem Leiden zu erlösen.
Zwar vermerkt Neuralink die Anzahl der getöteten Tiere nicht, laut Schätzungen wurden seit 2018 aber etwa 1500 Tiere bei Experimenten getötet. Darunter fielen mehr als 280 Schafe, Schweine und Affen, wie aus Unterlagen sowie mit der Angelegenheit vertrauten Quellen hervorgeht. Eine Bitte um Stellungnahme ließen Musk und andere Führungskräfte von Neuralink unbeantwortet.
Die ersten Beschwerden gegen Neuralink wegen seines Umgangs mit Tieren hatte es gegeben, als das Unternehmen angefangen hatte, mit der University of California in Davis zu kooperieren. Eine Tierschutzorganisation reichte Beschwerde bei der USDA ein, in der sie den Vorwurf äußerte, dass bei gemeinsamen Forschungen von Neuralink und der University of California zwei Mal der falsche chirurgische Klebstoff verwendet worden sei, woraufhin zwei Affen gelitten hätten und schließlich gestorben seien.
Bei weiteren Affen seien andere Komplikationen durch die Implantate aufgetreten. Daraufhin räumte man ein, dass man auf den Rat des tierärztlichen Personals der Universität sechs Affen wegen Gesundheitsproblemen, die durch die Versuche ausgelöst wurden, getötet hat. Die Rede war hier von einer "Komplikation" bei der Verwendung eines "von der FDA zugelassenen Produkts". Ein Sprecher der Universität teilte auf Nachfrage von Reuters mit, dass bei den Forschungen alle Gesetze und Vorschriften eingehalten worden seien.
Führungskräfte von Neuralink haben öffentlich mitgeteilt, dass das Unternehmen nur dann Tierversuche durchführe, wenn andere Forschungsmöglichkeiten ausgeschöpft seien. Auch Musk selbst machte eine derartige Äußerung noch während einer Präsentation Ende November. Man setze Tierversuche nur als letztes Mittel ein, nachdem man andere Methoden ausprobiert hätte, hieß es.
Elon Musk steht unter Zeitdruck
Neuralink hängt mit dem Zeitplan allerdings hinterher; das im Jahr 2016 gegründete Unternehmen hat schon mehrmals die Fristen für die behördliche Genehmigung zum Start klinischer Versuche am Menschen versäumt, wie Unternehmensunterlagen und Interviews zeigen. Musk, der ebenso Tesla- und SpaceX-Chef ist, hatte etwa schon 2019 angekündigt, im Folgejahr erste Tests an Menschen vornehmen zu können. Vor einigen Jahren hatte der Tech-Milliardär zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesagt, dass er ein "Marktversagen" bei Neuralink auslösen würde, wenn seine Angestellten nicht mehr Fortschritte machten.
Auch andere Unternehmen arbeiten an der Entwicklung von Hirn-Computer-Schnittstellen. Synchron, ebenfalls im Jahr 2016 gegründet, besitzt bereits seit 2021 die Erlaubnis der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA zu Versuchen an Menschen. Der Neuralink-Konkurrent hat ein Gerät entwickelt, mit dem gelähmte Menschen allein durch ihre Gedanken Texte schreiben können. Für seine Experimente hat das Unternehmen laut Studien über das Implantat lediglich etwa 80 Schafe getötet.
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In sechs Monaten will Neuralinka nun auch sein Implantat in das Gehirn eines Menschen einsetzen, wie Musk vergangene Woche bekannt gab. Nach dessen Worten soll dieses eine direkte Kommunikation mit Computern durch Gedanken möglich machen. Neuralink entwickelt derzeit auch Implantate, die in das Rückenmark oder die Augen eingesetzt werden sollen, um die Mobilität oder das Sehvermögen wiederherzustellen.
Die Ermittlungen gegen Neuralink wurden bereits vor einigen Monaten eingeleitet, es wurde aber erst jetzt bekannt. Ob die Beschuldigungen tatsächlich Bestand haben, soll die zuständige Behörde USDA prüfen.
Quellen: Reuters, mit Material der AFP