Stellen Sie sich vor, sie kaufen ein Videospiel für 60 Euro - und dürfen es dann nicht einmal spielen. Stattdessen wird eine Software auf den Rechner geschleust, die Ihren Computer scannt. Dieses absurde Szenario ist für Fans der Shooter-Reihe "Battlefield" mit dem neuesten Ableger gerade Realität geworden. Seit vergangener Woche sind die Internetforen des Herstellers Electronic Arts (EA) voll mit Beschwerden, viele Käufer können das Spiel gar nicht erst auf dem PC installieren. Schuld daran ist die Plattform Origin, die Spiele des Herstellers verwaltet. Konsolenspieler sind davon nicht betroffen.
Wer dagegen auf dem Computer zocken will, muss online sein – eingefleischte Gamer kennen diese Art von Kopierschutz bereits von anderen Herstellern. In der Vergangenheit sorgten die Schutzmechanismen für viel Frust bei Videospielern, weil sie häufig aufgrund technischer Mängel das Spielerlebnis einschränkten. Doch sind die strengen Kontrollen überhaupt nötig?
Rechnerbremse Kopierschutz
Aus Sicht der Hersteller ist ein Kopierschutz nur logisch: Spiele kosten in der Entwicklung bis zu 100 Millionen Dollar, zudem generieren die Multiplayer-Server laufende Kosten. Um genügend Exemplare zu verkaufen, muss das Spiel deshalb möglichst aufwendig gesichert werden – so die Logik der meisten Spielehersteller. Dass es für die Nutzer häufig Probleme gibt, ist den Firmen bewusst. So sorgt der früher populäre Kopierschutz Starforce bis heute für Probleme. Er reduziert die Systemleistung und überschreibt ungefragt bestimmte Windowstreiber. Trotzdem wurde Starforce jahrelang von vielen Herstellern verwendet, obwohl viele Spiele bereits nach kurzer Zeit geknackt wurden. So auch "Battlefield 3": Die Cracker-Gruppe "Razor1911" schaffte es nach wenigen Tagen, den umstrittenen Kopierschutz auszuhebeln.
Ehrliche Käufer müssen sich dagegen immer noch mit technischen Problemen herumärgern. Dabei war "Battlefield 3" eines der meist erwarteten Spiele des Jahres, allein am ersten Wochenende verkaufte sich das Spiel mehr als fünf Millionen Mal. Doch die jahrelange Vorfreude vieler Fans wandelte sich am heimischen Computer in Enttäuschung: Obwohl das Spiel hervorragende Kritiken bekommt, hat das Spiel beim größten Online-Warenhaus Amazon mehr als 3000 negative Bewertungen – und nur 300 gute. Dabei steht häufig nicht das Spiel im Vordergrund, sondern die Spielplattform Origin mitsamt dem Lizenzvertrag.
Erlaubnis zum Schnüffeln
Die Online-Ausgabe des Spielemagazins "Gamestar" ließ den Vertrag von einem Anwalt überprüfen, der "umfangreiche Verstöße gegen Verbraucher- und Datenschutzrechte" feststellte. Demnach erlaubt der Kunde dem Hersteller Electronic Arts Zugriff auf den Computer. Damit soll überprüft werden, ob möglicherweise illegale EA-Produkte auf dem PC installiert sind. Das Image des zweitgrößten Spieleherstellers weltweit ist seitdem am Boden. Der Kommentar eines EA-Pressesprechers klingt in den Ohren vieler Fans wie blanker Hohn: "In den vergangenen Tagen sind einige Unklarheiten bezüglich der Lizenzvereinbarungen und Datenerhebungen unserer Origin-Plattform aufgetreten. Wir bedauern die Verunsicherung, die dadurch entstanden ist."
Zwar hat EA mittlerweile auf die Kritik reagiert und einige zweifelhafte Passagen aus dem Lizenzvertrag entfernt, an der Software hat sich aber bislang nichts geändert. Vorwürfe der Spionage werden kategorisch zurückgewiesen: "Weder nutzen noch installieren wir Spyware auf den PCs unserer Nutzer." Die Software erfasse nur Informationen, die nötig seien, um das Kaufen, Herunterladen, Zugreifen und Spielen von Games und Spielinhalten zu ermöglichen – so der Hersteller.
In Internetforen tauchten in den vergangenen Tagen zahlreiche Screenshots auf, die das Programm beim Scannen von privaten Dateien zeigten. Greg Schaefer, Technikchef für EA-Online-Dienste, erklärt auf Druck der Öffentlichkeit gegenüber Spiegel Online: "Die Origin-Software scannt beim Start nicht selbst die Festplatte." In Wirklichkeit scanne das Betriebssystem Windows den Rechner, das Ergebnis wird lediglich an die EA-Software gesendet. Schaefer beteuert: "Die Origin-Software sieht nicht, welche Verzeichnisse Windows durchgeht. Wir haben diese Information nicht, wir übermitteln diese Information nicht."
Auch andere Spielehersteller betroffen
Auch wenn sich die anfänglichen Spionagevorwürfe nicht bestätigen, ist das Ansehen von EA dahin. Doch nicht nur Electronic Arts hat sich den Zorn der Gamer zugezogen. Im vergangenen Jahr sorgte der Spielehersteller Ubisoft, der umsatzstarke Spieleserien wie "Die Siedler" oder "Assassins Creed" vermarktet, für Entrüstung. Um sich gegen die zunehmenden PC-Raubkopien zu wehren, führte der Hersteller den Ubisoft-Launcher ein. Um die Games starten und spielen zu können, musste der Computer permanent mit dem Ubisoft-Server verbunden sein. Allerdings stürzte dieser Server häufig ab, sodass die Spiele plötzlich beendet und die Spielstände nicht gespeichert wurden. Zocken wann immer man Lust hat – mit Spielen von Ubisoft war das nicht so einfach.
Erst nach ein paar Wochen reichte der Hersteller für die meisten Spiele ein Update nach, das den Onlinezwang beendete. Für den im August veröffentlichten Renntitel "Driver: San Franciso" sollte die permanente Onlineverbindung wiederbelebt werden, doch die Beschwerden der Fans waren so zahlreich, dass Ubisoft mit einer entschärften Version des Kopierschutzes reagierte. Jetzt wird nur noch beim Start des Spiels überprüft, ob das Spiel echt ist – ähnlich handhabt es auch der Spielehersteller Blizzard mit seinem Strategie-Hit "Starcraft II".
Gebrauchthandel verboten
Doch die aufwändigen Schutzmechanismen sollen nicht nur Raubkopierer fernhalten, sondern auch den Wiederverkauf verhindern: So konnte die im Jahr 2008 extrem beliebte Simulation "Spore" aufgrund des Kopierschutzes nur dreimal installiert werden. Wer mehr Installationen wollte, musste sich an eine Hotline wenden und um eine erneute Freischaltung bitten. "Das hält keine Raubkopierer ab, sondern nur ehrliche Kunden", meinte ein erzürnter Kunde auf Amazon.com. Zu Recht: Wer sich das Spiel seinerzeit aus illegalen Quellen besorgte, konnte das Spiel nicht nur Tage vor der offiziellen Veröffentlichung spielen, sondern ganz ohne den nervigen Kopierschutz. Erst nach tagelangen Beschwerden beugte sich der Publisher und entfernte die Installationsbeschränkung. Trotzdem scheint der Hersteller daraus nichts gelernt zu haben: Spore stammt, wie auch "Battlefield 3", von Electronic Arts.