Ukraine-Krise "Putin kann man nicht einfach wegcybern" – Warum ein Hacker die Anonymous-Angriffe für gefährlich hält

Anonymous hackt Russland
Das internationale Hacker-Kollektiv Anonymous hat sich offen gegen Russland gestellt und legt reihenweise Webseiten und Dienstleistungen in Russland lahm.
© Jakub Porzycki / Picture Alliance
Gemeinsam kämpft das Hacker-Kollektiv Anonymous gegen Russland. Im Netz feiern die Hacker Erfolge wie unerreichbare Webseiten der Regierung, gestörte Radio-Sender und übernommene TV-Programme. Doch ungefährlich ist der digitale Partisanenkampf offenbar nicht, warnt ein Experte.

Die Erfolge der internationalen Hacker-Gemeinschaft, die als "Anonymous" agiert, sind – für sich betrachtet – durchaus beeindruckend. In den letzten Tagen gelang den Hackern nach eigener Aussage die Übernahme russischer TV-Sender, die Störung militärischer Funkfrequenzen, die Übernahme zahlloser Webseiten der Regierung und sogar die Abschaltung russischer Spionage-Satelliten. Und das wohl auch auf Bitten der ukrainischen Regierung, deren Digital-Minister Mychajlo Fedorow auf Twitter die Bildung einer digitalen "IT-Armee" verkündete. Der IT-Sicherheitsexperte Manuel Atug warnt in einem Gast-Beitrag bei Business Insider: "Ich kann nicht empfehlen, Anonymous eben schnell mal nachzueifern."

Nach Meinung von Atug, könne man Putin "nicht einfach mal eben so wegcybern". Man solle seiner Ansicht nach nicht glauben, dass die Störung von digitaler Infrastruktur dazu führen könne, dass sich die russische Armee aus der Ukraine zurückziehe oder aufgeben werde. "Das ist totaler Quatsch. Der Cyberwar ist sekundär", heißt es. In einem Krieg wie diesem, so Atug, gehe es um Menschenleben und er kenne "keine Kalaschnikow und keine Bombe, die durch ein bisschen Rumgeklicke plötzlich nicht mehr funktioniert."

Hacker begeben sich und andere in Gefahr

Außerdem, so der Experte, der seit 20 Jahren Mitglied im Chaos-Computer-Club ist und sich täglich mit der IT-Sicherheit von kritischer Infrastruktur beschäftigt, werfe Hacking unter dem Deckmantel der Anonymität drei weitere große Probleme auf.

Erstens: Da es sich bei Anonymous nicht um eine organisierte Gruppierung handelt, könne seiner Ansicht nach jeder behaupten, Teil der Gruppe zu sein. Das eröffne staatlichen Geheimdiensten die Möglichkeit, sich in die Rolle unabhängiger Anonymous-Hacker zu begeben und Angriffe auf kritische Infrastruktur eines Landes wie den Hack einer Privatperson aussehen zu lassen.

Die Menschen in den von Krieg und Gewalt betroffenen Gebieten in der Ukraine brauchen unsere Hilfe. Die Stiftung stern arbeitet mit Partnerorganisationen vor Ort zusammen, die von uns geprüft wurden. Wir leiten Ihre Spende ohne Abzug weiter. Über diesen Link kommen Sie direkt zu unserem Spendenformular.
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Zweitens: Unkoordinierte Hacks würden im schlechtesten Fall die falschen Menschen treffen, in erster Linie also die russische Zivilbevölkerung. Wenn dort aber kein Wasser mehr laufe, kein Strom mehr ankomme oder der Bankautomat kein Geld mehr ausgebe, wäre das nach Meinung von Atug "Randale, Zerstörung und Aggressivität", kein ethischer Kampf gegen das Böse.

Drittens: Wer unvorsichtig handelt, gefährdet sich unter Umständen selbst. Denn als Teilnehmer an einem Krieg, was der Überfall Russlands auf die Ukraine ohne Zweifel ist, lande man "im Extremfall vielleicht sogar auf einer russischen Geheimdienstliste von Personen, die das Land im Krieg angegriffen haben." Die Rache Russlands, auch an Einzelpersonen, schließt Atug nicht aus.

Es gibt Wege, im Internet hilfreich zu sein

Wer sich in der digitalen Welt nützlich machen wolle, könne auch helfen, ohne sich in Gefahr zu begeben, schreibt Atug. Beispiel soziale Medien: Auch ohne große IT-Kenntnisse könne man Bilder, Videos und Aussagen überprüfen, um Falschmeldungen zu enttarnen und anderen Nutzern bei der korrekten Einordnung zu helfen. 

Sollte man IT-affin sein, sprich in der Lage sein, kritische Infrastruktur auf Schwachstellen abzuklopfen, solle man das auf ukrainischer Seite tun und gefundene Schwachstellen dem ukrainischen Computer Emergency Response Team (CERT) melden. So helfe man, ohne Schaden anzurichten.

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Auch der russischen Bevölkerung könne man helfen: Wer sogenannte Proxy-Systeme bauen könne, um den Menschen in Russland trotz staatlicher Zensur einen Zugang zu Informationen der westlichen Welt zu ermöglichen, helfe dabei, die russische Propagandamaschinerie zu schwächen.

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