Dass Globalisierung auch globale Aufgaben an die Politik stellt, ist für Michael Dunlop eine Binsenweisheit. "Viele unserer gegenwärtigen Probleme, ob Klimaänderung, Terrorismus oder im wirtschaftlichen Bereich machen nicht an Ländergrenzen halt", sagt der Mitbegründer des "E-Parlaments". Zusammen mit seinem Kollegen William Ury, Politikstratege mit Harvard-Erfahrung, hat Dunlop im Cyberspace ein virtuelles Rathaus für die ganze Welt geschaffen. Vor wenigen Tagen fand in dem elektronischen Parlament (www.e-parl.net) der Pilotversuch einer weltweiten Webcast-Debatte statt.
Ein Webcast ist ein Online-Vortrag, der entweder als Live-Stream oder als Download-Archiv zur Verfügung gestellt wird. Im elektronischen Parlament von Dunlop und Ury wurde daraus eine virtuelle Konferenz. Von Abgeordneten aus Ghana, Brasilien, Japan, Großbritannien, den USA und dem Europaparlament bis hin zu Journalisten nahmen zahlreiche Diskutanten an der Online-Debatte teil. Das virtuelle Treffen ersparte ihnen die Anreise und viel Zeit. "Es funktioniert wie ein Google für Politik", sagt William Ury. Alle registrierten Nutzer können sich gegenseitig finden und so ganz einfach Kontakt herstellen.
Zum E-Parlament
Informationen und Webcast-Archive unter www.e-parl.net
Digitaler Diskurs
Am 14. September luden Dunlop und Ury die politische Akteure zum digitalen Diskurs im E-Parlament ein. Mit Headset, Webcams und vernetzten Computern ausgerüstet, diskutierte die Gruppe von Parlamentarien aus zehn Ländern das Thema "Waffen im Weltraum". Zunächst hielten der US-Botschafter Henry Cooper und Air Force-Mitarbeiter Everett Dolman Vorträge im Washingtoner Kongressgebäude. Diese wurden live im Internet übertragen. Wie in einem ganz normalen Parlament gab es Kommentare und Zwischenrufe - das Webcast-System macht es möglich. Auch Videostreaming ist dabei in Zeiten steigender Bandbreiten kein Problem mehr - "die Experimentierphase läuft trotzdem noch", sagt Ury.
Das international besetzte E-Parlament soll sich nach dem Willen seiner Entwickler zum "globalen Forum der Demokraten" entwickeln. Der Diskurs über das Internet soll "neue und internationale Politikansätze" hervorbringen - das starre Korsett einer UN-Vollversammlung gibt es dabei nicht. "Eigentlich globale Probleme werden heute in 130 Ländern immer noch auf 130 verschiedene Arten angegangen", so Michael Dunlop. Eine Online-Debatte zwischen Abgeordneten aus aller Welt könnte ihre Zusammenarbeit verbessern - das E-Parlament soll die Institution dafür werden. Mit Kontaktdatenbanken für Politiker, E-Mail-Verkehr, Chats und nun auch Webcast-Debatten.
Weltumspannende Kommunikation
Die Mitgliedschaft im virtuellen Weltrathaus steht nach Angaben der Betreiber allen der ca. 25.000 Parlamentarier weltweit offen. Angemeldet hat sich bis jetzt jedoch nur ein geringer Prozentsatz. "Unser Portal soll direkte Gespräche und Debatten zwischen Abgeordneten nicht ersetzen sondern ergänzen", sagt William Ury. Multilaterale Probleme mit Hilfe des Internets lösen? Für Dunlop und Ury ist das mehr als eine Vision.
Erste Achtungserfolge kann das E-Parlament bereits vorweisen. So einigten sich die Mitglieder 2003 auf einen gemeinsamen Vorschlag zum Energiesparen: Jedes Elektrogerät solle im Standby-Modus nur noch ein Watt Leistung aufnehmen. Die Abgeordnete Ingvild Vaggen brachte diesen Vorschlag als Gesetzesentwurf im norwegischen Parlament ein. Damit fand er seinen Weg aus dem Web in die Wirklichkeit. Dort jedoch wurde er von der Mehrheit der norwegischen Delegierten abgelehnt.