Eigentlich geht es in einem aktuellen Bericht der "BBC" darum, dass Twitter aufgrund akuten Personalmangels nicht länger im Stande sei, auf der Plattform für Ordnung zu sorgen. Trollen und Personen mit bösen Absichten sei demnach aktuell Tür und Tor geöffnet. Die "Financial Times" berichtet, dass die Situation inzwischen auch die EU beschäftige, die von Musk fordern soll, wieder mehr Mitarbeitende für die Moderation der Inhalte einzustellen. Zunächst wollte der Milliardär die Probleme mit künstlicher Intelligenz und Freiwilligen angehen, was den Behörden aber offenbar nicht reicht.
Im Bericht der "BBC", der gleich mehrere aktuelle und ehemalige Mitarbeitende von Twitter ihr Herz ausgeschüttet haben, steckt allerdings mehr – es ist ein Blick hinter die Kulissen eines Konzerns, der auch nach fast einem halben Jahr seit der Übernahme eines neuen Eigentümers immer noch nicht zur Ruhe gekommen ist. Im Gegenteil.
Elon Musk geht mit Personenschutz zur Toilette
Zwischen Elon Musk und den verbliebenen Twitter-Mitarbeitern herrscht demnach eine Atmosphäre des Misstrauens. Das gehe inzwischen so weit, dass Musk sich nur noch mit zwei Bodyguards durch die Büros bewege, die den Milliardär sogar bis zur Toilette begleiten sollen. Beobachter beschreiben die Personenschützer als "kräftig" und "groß". Hollywood-Material.
Maßnahmen für die Sicherheit von hochrangigen Führungskräften sind keineswegs ungewöhnlich. Alleine der Facebook-Mutterkonzern Meta gibt dafür aktuell 14 Millionen US-Dollar jährlich aus, wie ein Dokument bei der US-Börsenaufsicht SEC zeigt. Normalerweise werden diese Maßnahmen aber erst dann nötig, wenn sich besagte Manager nicht im eigenen Büro aufhalten.
Doch bei Twitter ist es anders, wie ein Entwickler, der mit der "BBC" gesprochen hat, verriet. Zu keinem Zeitpunkt habe Musk den Mitarbeitenden bei Twitter über den Weg getraut – und das zeige sich nicht nur durch die Sicherheitsmaßnahmen, sondern auch die tägliche Arbeit dort, heißt es. So bringe Musk oft Ingenieure und Entwickler seiner anderen Unternehmen – also Tesla oder Spacex – mit, wenn es um die Bewertung von Programmierarbeit gehe, die von Twitter-Angestellten verrichtet wurde. Den Insider belaste das, denn der Code sei komplex und man brauche eigentlich "Monate", um ihn zu verstehen.
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Das Arbeitsumfeld zerfällt derweil offenbar in einem atemberaubenden Tempo. Schon als Musk bei Twitter an Bord kam, war schnell klar, dass er Geld braucht – und zwar viel. Das hängt auch mit dem hohen Kaufpreis und enormen Zinsen für Kredite zusammen, die Twitter belasten.
Die Maßnahmen, die Musk ergriff, um die Kasse zu füllen, sind teilweise bekannt. Mehr als zwei Drittel aller Angestellten mussten inzwischen gehen, Rechnungen bleiben teilweise unbezahlt, Mieten stehen aus, Büroräume wurden geräumt. Die Zentralen in San Francisco und New York scheint sich Musk noch erhalten zu wollen, doch besonders schön ist es dort nicht mehr.
Musk verscherbelt wirklich alles – auch Pflanzen
Mitte Januar ließ Musk große Teile der Ausstattung verkaufen, darunter Möbel, Kaffeemaschinen, Firmenlogos, technische Ausstattung und beinahe die komplette Kantine (Elon Musk räumt Twitter-Zentrale leer). Der Insider sagte der "BBC", dass Musk sogar versucht habe, die Zimmerpflanzen gewinnbringend an Mitarbeiter zu veräußern. "Wenn man es von außen betrachtet, sieht die Fassade gut aus, aber ich erlebe, dass nichts funktioniert. Alle Wasserleitungen sind kaputt, alle Wasserhähne, einfach alles. Für jemanden, der drinnen ist, ist es wie ein Gebäude, in dem alle Teile brennen", schildert er die Situation.
Berichte über die desolate Situation in den verbliebenen Arbeitsräumen sind ebenfalls nicht neu (Es müffelt bei Twitter). Doch ganz offenbar entwickelt es sich zum Dauerzustand. Nachdem Musk Wartungs- und Reinigungspersonal vor die Tür gesetzt hat, fand man anscheinend bis heute keine alternative Lösung. Seit Mitte Januar soll die New Yorker Zentrale des Unternehmens unter einer handfesten Kakerlaken-Plage leiden, berichtete "Business Insider". Musks Lösung? Twitter plant laut "Bloomberg" große Teile der Räume an andere Unternehmen zu vermieten.
Die Entscheidungen der vergangenen Monate könnten Musk schon bald einholen, denn Twitter und ihm drohen zahllose Klagen von Gläubigern und ehemaligen Mitarbeitern, die bis heute auf ihr Geld warten – und das weltweit. In Deutschland türmen sich ebenfalls Kündigungsschutzklagen. Hinzu kommen Behörden aus aller Welt, die sich über die mangelnde Moderation Sorgen machen.
Umso erstaunlicher ist es, dass Musk laut "Financial Times" davon ausgeht, bereits im kommenden Quartal schwarze Zahlen zu schreiben. Denn viele seiner Einsparungen basieren auf dem Nicht-Zahlen von Rechnungen – das betrifft auch die Serverkosten bei Amazon. Während Musk nach außen stolz verkündet, 40 Prozent der Kosten in diesem Segment gespart zu haben, soll er in Wirklichkeit Amazon schlicht kein Geld mehr überwiesen haben – was sich laut "The Information" ebenfalls in Zukunft rächen könnte. Gepaart mit dem enormen Rückgang der Werbekunden bleibt es somit fraglich, wie Musk die Kurve noch kriegen will, ohne mit dem gesamten Unternehmen zu entgleisen.