Musik-Flatrate Musik liegt in der Luft

Von Arndt Ohler
Die Plattenfirmen hoffen, nach jahrelanger Flaute eine Goldader gefunden zu haben: Abomodelle, die an Abspielgeräte gekoppelt sind, sollen die Umsätze beleben - und das massenhafte Kopieren eindämmen.

Das Autoradio geht an, schon erscheinen die Listen mit den Lieblingshits auf dem Bildschirm im Armaturenbrett. Angekommen auf dem Parkplatz setzt der Fahrer beim Aussteigen einfach die Kopfhörer seines Handys auf, nach einem Knopfdruck spielt der Song aus dem Auto nahezu nahtlos weiter: Eine digitale Musikwolke aus Millionen Titeln, die den Menschen ständig umgibt. Dabei lassen sich die Lieder nicht nur im Auto oder über einen Musikspieler anhören, sondern über nahezu jedes internetfähige Gerät. Diese Zukunftsmusik könnte bald Wirklichkeit werden. Derzeit arbeiten führende Musikkonzerne wie Universal Music Group und Sony BMG an neuen Abomodellen, die Nutzern unbegrenzten Zugriff auf mehrere Millionen Songs bieten werden.

Der einfache Zugang sowie die ständige Verfügbarkeit der Musik sollen aus dem Nischengeschäft mit digitaler Musik endlich einen Massenmarkt machen. Im vergangenen Jahr kauften laut dem Marktforschungsunternehmen Jupiter Research lediglich knapp acht Prozent der Internetnutzer in Westeuropa Musik über das Internet. Greifen die neuen Modelle, könnte der Talfahrt der Musikindustrie ein Ende bereitet werden. Vor allem der Rückgang der CD-Verkäufe sowie die hohe Zahl illegal getauschter Musik schwächen die Industrie. "Gegen das Potenzial dieser neuen Dienste nimmt sich das existierende digitale Musikgeschäft zwergenhaft aus", sagte Rob Wells, beim Branchenführer Universal für das digitale Musikgeschäft außerhalb der USA verantwortlich. "Dies ist definitiv der Wendepunkt", fügt Rob Lewis, Chef von Omnifone, hinzu.

Unbegrenzter Zugriff

Mit LG Electronics plant das britische Unternehmen, Mitte 2007 ein Handy herauszubringen, bei dem Kunden nach Abschluss eines speziellen Handyvertrags unbegrenzten Zugriff auf Millionen Lieder erhalten. Bei Omnifones aktuellem Angebot namens Music Station haben Kunden die gleiche Auswahl, zahlen jedoch wöchentlich 1,99 Pfund. Das von Universal und Sony BMG entwickelte Modell heißt "Total Music". Dabei kaufen die Nutzer die Lizenz zum unbegrenzten Musikhören direkt mit den Geräten wie etwa Handys ein - sie ist im Gerätepreis enthalten. Regelmäßige Abogebühren entfallen.

Die enormen Hoffnungen der Musikindustrie gründen sich dabei unter anderem auf die hohe Verbreitung von Handys. So werden dieses Jahr weltweit über eine Milliarde Mobiltelefone verkauft werden. Ist davon nur ein Bruchteil mit Musikabos ausgestattet, spült dies Hunderte Millionen in die Kassen der Musikkonzerne. Sie erhalten von Handyherstellern beziehungsweise von Anbietern wie Omnifone einen festen Betrag je Kunde. So wird der Handyhersteller Nokia etwa 80 $ je Kunde weiterreichen.

Bewegten sich die Musikunternehmen in der Vergangenheit eher zögerlich bei neuen Geschäftsmodellen, scheinen die neuen Abos die Fantasie der Manager anzuregen: Autos, Häuser, Internet- und Kabel-TV-Anschlüsse, Web-Fernsehdienste - in alles sollen die Abos integriert werden. Dadurch, dass bei diesen Modellen die Musik scheinbar kostenfrei ist, erwarten die Musikmanager, zumindest einen Teil der Nutzer von illegalen Online-Tauschbörsen zu zahlenden Kunden zu machen.

Das Beispiel Omnifone stützt den Optimismus der Musikunternehmen. Laut Analysten lagen die Einnahmen durch Music Station neun Wochen nach dem Start in Großbritannien bereits über dem Umsatz, den Partner Vodafone mit seinem eigenen Musikangebot bei Vodafone Live erzielte. Richtig ins Rollen kommen dürfte das Geschäft wohl im Herbst. Dann will der weltgrößte Handyhersteller Nokia mit seinem Angebot "Comes with Music" starten. Einen weiteren gewaltigen Schub könnte der Einstieg von Apple bringen. Der US-Computerhersteller verhandelt mit den Musikkonzernen über ein ähnliches Konzept wie "Comes with music".

FTD

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