In Europa und den USA ist es eher ein Thema für Nerds: Weil Apple und auch Google bei ihren Smartphone-Systemen manche Funktionen der Geräte einschränken oder ganz verhindern, knacken findige Hacker immer wieder die Systeme, um die Barrieren abzuschalten. Im ultrarestriktiven System Nordkoreas kommt das aber einem revolutionären Akt gleich. Und erlaubt einen Blick in die sonst gut verheimlichte Freiheit im Rest der Welt.
Denn das Smartphone hat sich längst auch im isoliertesten Land der Welt als Alltagsgegenstand verbreitet. Das geht aus einem aktuellen Bericht der Menschenrechtsorganisation Lumen hervor. Anders als hierzulande beschränken sich die Restriktionen im Betriebssystem aber nicht darauf, wie beim iPhone nur zugelassene Apps installieren zu dürfen oder die Belegung der Hardware-Knöpfe festzulegen. Stattdessen lässt Staatsoberhaupt Kim Jong-un nur solche Geräte zu, bei denen sein Regime die exakte Kontrolle darüber behält, was auf ihnen geschieht.
So geschlossen wie das Land an sich
Während sich Smartphones in westlichen Ländern nur in höchst seltenen Fällen weigern, eine App zu installieren oder eine Media-Datei anzuzeigen, ist es beim nordkoreanischen System die absolute Norm: Nichts, was nicht staatlich genehmigt ist, kann auf dem Bildschirm auftauchen.
Dazu setzt das Regime laut des Berichts auf zwei Systeme. Zum einen greifen auch die Smartphones wie die Computer im Land nur auf das interne Netz des Landes zu. Die schier unendlichen Weiten des World Wide Web bleiben unerreichbar. Zum anderen werden auch die Inhalte auf dem Gerät selbst streng überwacht. Mit einem Signatur-System wird sichergestellt, dass nur solche Bilder, Videos oder Apps angezeigt werden, die vom Staat abgesegnet wurden. Alles andere wird nicht nur nicht gezeigt - sondern nach dem Öffnungsversuch auch automatisch vom Gerät entfernt. Zusätzlich speichert das Gerät regelmässig nicht löschbare Screenshots, um den staatlichen Stellen bei einer Prüfung Beweismaterial für einen Missbrauch des Geräts zu sichern.
Mit den extremen Maßnahmen will das Regime ein Problem in den Griff bekommen, das das Land schon lange plagte: Die ungewünschte Beeinflussung der Bevölkerung durch die Außenwelt. Mit USB-Sticks schmuggelten Aktivisten etwa immer wieder westliche Medien nach Nordkorea, die dann von der Bevölkerung begeistert aufgesogen wurden. Zwar mag eine Serie wie "Friends" - angeblich in Nordkorea enorm beliebt - hierzulande kaum als politische Propaganda wahrgenommen werden. Im bitterarmen und knallhart regulierten Alltag Nordkoreas wirken die Abenteuer der freien New Yorker Mittzwanziger aber wie ein Blick in eine andere, extrem freie und wohlhabende Welt - und sind dem Regime entsprechend ein Dorn im Auge.

Blick in die Freiheit
Der Zugang zu diesen Medien ist manchen Einwohnern allerdings ein hohes Risiko Wert. Den Menschenrechtlern gelang es, mit zwei Nordkoreanern zu sprechen, die ihre und die Smartphones ihrer Bekannten gezielt hacken, um die Restriktionen zu umgehen. Mittels eines sogenannten "Roots" gelang es ihnen, sowohl die Inhaltebeschränkung als auch die Screenshot-Funktion zu deaktivieren. Sogar die Installation verbotener Apps wie Spielen war ihnen dadurch möglich, berichteten die unabhängig voneinander agierenden Smartphone-Hacker. Während beide die Geräte unentgeltlich knackten, berichteten beide auch von anderen, die ihre Dienste gegen Geld anböten.
Die Motivation sei ähnlich der von anderen Hackern rund um den Globus, erklärte Sokeel Park von der Aktivisten-Gruppe Liberty in North Korea gegenüber "Wired". Er hatte ebenfalls mit einem der für die Studie befragten Hacker gesprochen. "Es gibt da nicht diese eine, superrationale Intention hinter seinem Handeln", glaubt er. Wie andere Hacker würde er einfach gerne mit Technik herumspielen und Befriedigung daraus ziehen, die Begrenzungen überlisten zu können.
Die Behörden reagieren
Noch sei es vermutlich eher eine kleine Gruppe von Personen, die ihre Smartphones manipulieren, glauben die Menschenrechtler von Lumen. Dafür sprächen alleine, dass die nötigen technischen Kenntnisse wenig verbreitet sind. Trotzdem scheint die Bewegung groß genug zu sein, dass auch das Kim-Regime schon darauf reagiert hat. In einem neuen Gesetz hatte man 2020 explizit verboten, die Software von Smartphones zu manipulieren um die Sicherheits-Funktionen zu deaktivieren.
"Die Existenz dieser sehr spezifischen Formulierung zeigt, dass es in einem Ausmaß passiert, das die Behörden darauf aufmerksam werden lässt," glaubt Lumen. "Und das sie möglicherweise auch besorgt."
Quellen: Lumen-Bericht, Wired