Streit um Internetzensur Wie wäre China ohne Google?

Zurzeit hat Google nur die zensierte chinesische Version seiner Suchmaschine abgeschaltet. Sollte sich der US-Konzern komplett aus China zurückziehen, könnte das die Isolation der Nutzer verschärfen. Denn Google tut mehr als nur suchen.

Keine Routenplaner mehr auf dem Handy, kein kostenloses Musikportal mehr und der mögliche Wegfall eines Mobilfunkanbieters - ein Leben ohne Google würde die chinesischen Internetnutzer noch weiter in die Isolation treiben. Und auch chinesische Unternehmen müssten nach dem drohenden Rückzug des Konzerns ironischerweise mit Einbußen rechnen.

Der US-Internetriese Google leitet seit Montagabend Besucher seiner chinesischen Seite Google.cn auf die unzensierte Seite Google.com.hk in der Sonderverwaltungsregion Hongkong um. Für die 384 Millionen Internet-Nutzer im chinesischen Kernland ändert sich zunächst wenig: Wegen der Regierungszensur können auch über die Hongkonger Google-Seite bestimmte Inhalte nicht geöffnet werden. Das Google-Vertriebsteam soll zunächst weiter in China arbeiten. Doch was passiert, wenn sich die Amerikaner komplett aus China zurückziehen?

"Wenn Google geht, verlieren beide Seiten, nicht nur Google", erklärte der Leiter des Pekinger Forschungsinstituts Analysys International, Edward Yu. Grund dafür ist, dass viele kleine und mittelständische Anbieter auf den Google-Werbeserver AdWords, seinen E-Mail-Dienst Gmail und andere Leistungen zurückgreifen. Diese könnten bei einer Abschaltung der Suchseite google.cn, die über einen Marktanteil von 35 Prozent verfügt, ebenfalls unterbrochen sein. Als einziger profitieren würde hingegen vermutlich der Rivale und Marktführer Baiku, der auf einen Ausbau seines Marktanteils von 60 Prozent hoffen könnte.

Millionen Handykunden drohen indes ihren Zugang zum chinesischsprachigen mobilen Google-Map-Service zu verlieren: China Mobile, der mit 527 Millionen Verträgen größte Mobilfunkanbieter der Welt, nutzt Google für seine Suchfunktion und den Routenplaner. Unsicher wäre auch die Zukunft des beliebten Gratis-Musikportals Top100.cn, auf das Nutzer nur über Google.cn zugreifen können und das nach Ansicht von Experten maßgeblich zum Kampf gegen Musikpiraterie beiträgt. Auch ob Google sein eigenes Handyunternehmen weiterführen würde, ist fraglich.

Google drohen kaum Verluste

Dennoch drohen dem US-Konzern im Fall des Weggangs kaum Verluste. Der Großteil der Einnahmen von Google in China, die im vergangenen Jahr auf 300 Millionen Dollar geschätzt wurden, stammt von exportorientierten Unternehmen, die ihre Werbung auch nach einer Schließung von Google.cn auf ausländischen Seiten der Suchmaschine belassen würden. "Wir gehen davon aus, dass der Großteil der Einnahmen weiter fließen und die Werbung auf Google.com statt auf Google.cn gelistet würde", sagte Yu.

Auch auf die Entwicklungsfreude der chinesischen Konkurrenten könnte sich ein Wegfall von Google nach Ansicht des Experten negativ auswirken. Ohne den entsprechenden Wettbewerbsdruck würden einheimische Suchmaschinen wie Baidu vermutlich nicht mehr besonders intensiv in Forschung und Entwicklung investieren. "Das ist definitiv schlecht für chinesische Firmen, die eines Tages einmal ins Ausland gehen wollen", erklärte Yu.

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AP/san

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