Am 20. April verloren die blauen Haken bei Twitter jedwede Bedeutung. An diesem Stichtag ließ Twitter-Eigner Elon Musk alle alten Profilkennzeichnungen entfernen und stellte den Betrieb damit vollständig auf "Twitter Blue" um, sein Abo-Modell für den Kurznachrichtendienst. Wer künftig keine 9,52 Euro im Monat (oder 99,96 Euro jährlich) berappt, kommt nicht länger in den Genuss einer herausstechenden Profilmarkierung.
Ursprünglich hatte der blaue Haken aber einen tieferen Sinn: Twitter vergab das Symbol dann an Profile, wenn die Konten beispielsweise Prominenten oder Personen des öffentlichen Lebens gehörten, die sich in einem händischen Prüfungsverfahren als tatsächliche Eigentümer eines Kontos ausweisen konnten. Damit konnte Twitter sicherstellen, dass sich der Missbrauch großer und bekannter Namen in Grenzen hielt und Nutzer wussten, woran sie sind.
Mit der Umstellung auf "Twitter Blue" ist das vorbei, denn mehr als eine Monatsgebühr und eine Telefonnummer braucht es nicht mehr, um einen Haken zu bekommen. Schon kurz nach Erscheinen dieses Abos, von dem sich Elon Musk offenbar einen Ausgleich für entgangene Werbeeinnahmen verspricht, häufte sich der Missbrauch der Markierung für vermeintlich offizielle Konten, oft traf es Firmen.
Twitter verscherbelt seine blauen Haken für 8 Dollar – nun überfluten "verifizierte" Fake-Accounts die Plattform

Zwar hat Twitter für bekannte Marken und bestimmte Profile, beispielsweise Nintendo oder den Papst, gesonderte Markierungen, das Gros der Abzeichen macht aber auch jetzt noch der blaue Haken aus. Nur hat der eine erstaunliche Funktionsumkehr durchlebt.
Erkaufte Twitter-Reichweite ist verlockend
Da Twitter Abonnenten "Priorität bei den Rankings in Konversationen und in der Suche" verspricht, zahlen vor allem jene Nutzer, die ein erhöhtes Interesse daran haben, mehr Sichtbarkeit für ihre Botschaften zu erlangen. Darunter rechte Blogger, Kryptogeld-Prediger und Menschen wie Donald Trump Junior.
Doch damit sich "Twitter Blue" nicht nur in bestimmten Lagern ausbreitet, hat sich Twitter-Chef und -Eigner Elon Musk eine Werbekampagne ausgedacht. Schon kurz nach Abschaffung der alten Profilmarkierungen war festzustellen, dass nicht wenige Promis, die kurzzeitig keinen Haken mehr hatten, plötzlich wieder aus der Masse herausstachen. Das lag daran, dass Musk offenbar Konten mit besonders hoher Reichweite ein Abo "spendiert" hatte, schrieb er selbst.
Das Problem: Viele wollten das nicht, da sich der Beschreibungstext der Haken geändert hatte. Klickt man darauf, steht dort schon seit einiger Zeit: "Dieses Konto ist verifiziert, weil es Twitter Blue abonniert hat und seine Telefonnummer verifiziert hat." Eine Aussage, die so oft nicht stimmt, da viele bekannte Gesichter explizit ausgeschlossen hatten, das Abo jemals abzuschließen. Die, die nun unfreiwillig Werbung für "Twitter Blue" machen, schreiben daher oft, dass sie den Haken ungefragt und ohne Absprache erhalten haben – beispielsweise Stephen King oder Rapper Ice T.
Elon Musk nutzt Profile Verstorbener als Werbetafel
Besonders perfide ist daher die Taktik von Musk, auch Profile als Abonnenten von "Twitter Blue" zu markieren, die sich nicht (mehr) wehren können. Über das Wochenenden erhielten so zahlreiche Tote den neuen blauen Haken, zum Beispiel Michael Jackson, Chadwick Boseman, Kirstie Alley, Pelé oder Kobe Bryant. Besonders makaber – sofern man überhaupt von Abstufungen sprechen will – wirkt die Markierung des ermordeten saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi als zahlender Abonnent, der "seine Telefonnummer verifiziert hat".
Auch vollkommen inaktive Profile, beispielsweise das von "Game of Thrones"-Schauspielerin Emilia Clarke, die seit dem 30. April 2013 nichts mehr auf Twitter geschrieben hat, sind angeblich Abonnenten von "Twitter Blue".
Diejenigen, die ebenfalls von einem ungefragten Haken gesegnet worden sind, aber noch reagieren können, haben einen relativ simplen Trick rausgefunden: Sobald man seinen Namen oder das Profilbild ändert, verschwindet das blaue Symbol offenbar für einen gewissen Zeitraum, damit Twitter die Chance hat, die Änderungen auf Betrug zu prüfen.