In den USA ist die Technologie chinesischer Netzwerk-Hersteller schon seit Jahren aus den Mobilfunknetzen verbannt. Und auch in Europa war man beim Ausbau der Netze eigentlich skeptisch. Jetzt hat Innenministerin Nancy Faeser den Willen bekräftigt, die Netze ausführlich zu prüfen. Grund ist die Angst vor Spionage-Möglichkeiten.
"Wir müssen unsere Kommunikationsnetze schützen", sagte die Innenministerin gegenüber der "Bild am Sonntag". "Deshalb prüfen wir alle schon im 5G-Netz verbauten chinesischen Komponenten jetzt sehr genau", versprach sie. Dabei gehe es der Ministerin zufolge vor allem darum, Gefahren frühzeitig erkennen und ausschließen zu können. Man wolle "Risiken erkennen, Gefahren abwehren, Abhängigkeiten vermeiden. Das gilt vor allem für unsere kritische Infrastruktur", erklärte sie.
Hoher Anteil an chinesischen Bauteilen
Die Debatte um eine mögliche Gefahr durch chinesische Bauteile im 5G-Netz hatte im März wieder an Fahrt gewonnen, nachdem sie jahrelang kaum eine Rolle gespielt hatte. Hatten die europäischen Staaten zunächst gezögert, beim wichtigen 5G-Netz auf Technik aus China zu setzen, hatte diese Skepsis in der Praxis offenbar wenig geändert. Einer Studie zufolge haben alleine Bauteile des Herstellers Huawei im deutschen 5G-Netz einen Anteil von 59 Prozent. Selbst in der chinesischen Hauptstadt Bejing liegt der Anteil an Huawei-Technik demnach niedriger als in Berlin.
In den USA sind Huawei und der Konkurrent ZTE bereits seit 2020 aus den Netzen ausgesperrt. Erst Ende 2021 wurde der Anlass dafür bekannt: Bereits 2012 hatten Huawei-Techniker im Auftrag der chinesischen Regierung in Australien eine Hintertür in das dortige Mobilfunknetz eingebaut. Huawei hatte eine Beteiligung immer abgestritten.
Im Vorfeld des 5G-Ausbaus hatte das Unternehmen sich bemüht, Bedenken zu zerstreuen. In einem eigenen Labor in der Heimat Shenzhen konnten die europäischen Netzbetreiber die Software ausführlich testen, chinesische Mitarbeiter hätten keinen Zugang zu diesem Teil des Firmengeländes versicherte das Unternehmen dem stern bei einem Besuch vor Ort (hier erfahren Sie mehr). Kurz danach belegte die USA den Mobilfunkhersteller mit einer Wirtschaftssperre.
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Tiefe Eingriffmöglichkeiten
Die Gefahr eines Fremdzugriffes auf das Mobilfunknetz ist nicht zu unterschätzen. Sollte ein Staat tatsächlich die Möglichkeit haben, auch nur auf Teile des Mobilfunknetzes zurückzugreifen, würde das nicht nur Spionage-Möglichkeiten bringen. Auch das Potenzial in Sabotage-Akten gezielt das Netz abschalten zu können, wäre in der heutigen vernetzten Welt eine Katastrophe. Im Falle von 5G kommt die Gefahr von Industriespionage hinzu: Die Technologie erlaubt es Firmen erstmals, private Mobilfunknetz in ihren Geländen aufzuspannen, um so Wlan-Netz zu ersetzen. Diese Netze sind allerdings nicht Teil der Regierungs-Prüfung.
Dass die chinesischen Firmen dabei anders als europäische Anbieter wie Nokia oder Ericsson besonders im Fokus stehen, liegt vor allem an deren starker Nähe zur Regierung. Huawei wurde von einem ehemaligen Militärtechniker gegründet. Obwohl das Unternehmen betont, seinen Mitarbeitern zu gehören, wird die Unabhängigkeit vom chinesischen Staat von westlichen Regierungen bezweifelt.
Keine konkreten Vorwürfe
Faeser betonte indes, die Untersuchung richte sich nicht gegen einzelne Hersteller. Harte Folgen will sie allerdings nicht ausschließen. "Wenn wir Gefährdungen erkennen, dann werden wir Komponenten verbieten", erklärte sie in dem Interview.
Wie das genau ablaufen soll, dürfte spannend werden. Der Ausbau des 5G-Netzes gilt als großer Erfolg, er lief sogar schneller ab, als die Zeitpläne der Netzbetreiber das ursprünglich geplant hatten (hier erfahren Sie mehr). Sollte man nun über 50 Prozent der Bauteile austauschen müssen, könnte das diesen Erfolg zunichte machen. Ein Rückfall auf LTE würde die Gefahr indes kaum senken: Auch im Vorgängernetz liegt der Anteil von Huawei-Technik bei deutlich über 50 Prozent.
Quellen: BAMS, Reuters