Seit Steve Jobs vor über 10 Jahren das erste iPhone zeigte, haben sich Smartphones mächtig weiterentwickelt. Die große Konkurrenz zwischen den Herstellern bescherte den Kunden einen ständigen Strom neuer, noch besserer Features. 2011 kam mit Siri der erste sprachgesteuerte Assistent dazu, damals eine bahnbrechende Innovation, die sämtliche Konkurrenten in Zugzwang brachte. Jetzt will Samsung beim Galaxy S8 noch einmal eine ähnliche Revolution schaffen.
Gelingen soll das mit dem digitalen Assistenten Bixby. Der hat den Anspruch das grundlegendste Problem moderner Smartphone-Betriebssysteme wie Android und iOS zu lösen, erklärte Samsungs Entwicklungs-Chef InJong Rhee in einer Presse-Mitteilung: Sie seien mittlerweile durch die immer weiter wachsende Anzahl an Features schlicht zu kompliziert geworden. Die digitalen Assistenten Google Now und Siri ändern daran seiner Meinung nach nichts. Sie sind im Wesentlichen eine zusätzliche Eingabemethode zum Touchscreen. Bixby will mehr sein.
Bixby hat einen eigenen Button
Dazu setzt Samsung schon bei der Hardware an: Während Siri und Google Now nur in einem festgelegten, eigenen Interface funktionieren, ist Bixby auf dem Galaxy S8 jederzeit über einen dedizierten Button an der Seite aufrufbar. Einmal eingeschaltet, soll Samsungs Assistent dann sofort erkennen, was der Nutzer gerade tut und mit den gerade aktiven Inhalten interagieren können. Google Now bietet seit knapp zwei Jahren eine ähnliche Kontexterkennung und zeigt etwa Aktionen zum Inhalt eines geöffneten Chat-Verlaufs an. Bixby soll aber noch weitergehen.
Samsung verspricht, dass Bixby sämtliche mit Touch steuerbaren Aktionen auch per Sprache übernehmen kann, es soll ein nahtloses Hin- und Herwechseln zwischen Touch- und Sprachsteuerung möglich sein. Ganz so, wie es dem Nutzer gerade besser passt. Die Aussetzer, die bei der Konkurrenz viel zu oft dafür sorgen, dass man von vorne beginnen muss, sollen der Vergangenheit angehören. Das hört sich zunächst gut an. Dass es wirklich umsetzbar ist, muss Samsung aber erst einmal beweisen. In einem ersten Test funktionierte Bixby zwar ordentlich, eine Revolution war aber noch nicht zu bemerken.

Anspruch und Wirklichkeit
Zum Start des S8 kann man erst einmal nur ausgewählte Apps über Bixby steuern. Bis alle darüber laufen, dürfte es aber noch eine Weile dauern: Samsung kündigt die allgemeine Freigabe für Apps von Drittanbietern ohne festen Termin für "später" an. Bis dahin müssen sich Nutzer mit Apps herumplagen, die einfach gar nicht auf Bixby reagieren. Wie das mit der Beschwerde über die inkonsistente Sprachsteuerung bei der Konkurrenz zusammenpassen soll, weiß nur Samsung. Am Anfang bleibt den Galaxy-S8-Besitzern wohl nur: ausprobieren.
Ganz nebenbei will Samsung übrigens eine der nervigsten Macken von sprachgesteuerter Software in den Griff bekommen haben: Festgelegte Befehlsphrasen sollen bei Bixby nicht nötig sein, man soll mit ihm ganz normal sprechen können. Fehlen Informationen, fragt Bixby nach Samsungs Angaben einfach nach. Klingt gut, macht aber skeptisch. Ein ähnliches Verhalten hatten andere Hersteller auch schon versprochen, vollständig überzeugen konnte bisher keiner der Versuche.
Noch scheitert es ohnehin an der Sprachbarriere. Bisher ist Bixby nur auf Englisch und Koreanisch angekündigt. Die Nutzer hierzulande könnten durchaus noch eine Weile warten müssen: Bis Amazons Alexa offiziell in Deutschland in den Handel ging, dauerte es noch einmal zweieinhalb Jahre, die öffentliche Testphase dauerte alleine ein halbes Jahr. Und Siri ist selbst nach mehr als fünf Jahren noch alles andere als perfekt.
Stellt sich Google quer?
Auf ein ganz grundlegendes Problem von Bixby weist Analyst Richard Windsor gegenüber "Forbes" hin: Weil Samsung immer noch auf Android als Betriebssystem setzt, kann man Bixby nicht ganz so tief im System verankern, wie es idealerweise der Fall wäre. Zudem haben Google und Samsung in Verträgen vereinbart, sich gegenseitig in bestimmten Bereichen keine Konkurrenz zu machen. Seiner Einschätzung nach hat Samsung deswegen auch auf einen Bixby-Button gesetzt - während Googles Assistant weiter den prominenteren Platz auf dem, nun virtuellen, Homebutton behält. Den Button also, den viele Android-Nutzer seit Jahren routiniert für die Sprachsuche nutzen.
Sollte Bixby Samsungs vollmundigen Versprechen im Alltag halten, wäre der Assistent der Konkurrenz Meilen voraus. Das Know-How dafür hat Samsung: Hinter Bixby stecken einige Siri-Erfinder, deren zweites Unternehmen Viv die Koreaner letztes Jahr aufgekauft haben. Als Hemmschuh könnte sich aber der Mangel an Datenmaterial erweisen: Google sammelt jeden Tag Millionen von Sprachsuchen und anderen, miteinander verknüpften Kundendaten. Apple verknüpft die Daten zwar weniger, kann aber immer noch auf eine Unmenge von anonymisierten Sprachbefehlen zurückgreifen, um aus ihnen zu lernen. Diese Basis muss sich Samsung erst einmal aufbauen.
Das Galaxy S8 ist nur der Anfang
Bixbys erster Auftritt im Galaxy S8 dürfte genau dazu dienen, den Sprachassistenten alltagstauglich zu machen. In Zukunft haben die Koreaner nämlich noch deutlich größere Pläne für ihren digitalen Butler: Vom Fernseher über den Kühlschrank bis zur Klima-Anlage will Samsung sämtliche Produkte mit Bixby ausstatten - "ein Interface für das Leben", wie Rhee es nennt. Jedenfalls solange das Leben aus Samsung-Produkten besteht.