Wer an der Playa de Palma der Hauptstadt Mallorcas Urlaub macht, sucht Sonne, Sangria - und neue Freunde. Johannes Kittel fotografiert zur Erinnerung Elena aus Mannheim mit einem neuen Sony-Fotohandy. Die Strandschöne hat er auf dem Hinflug mit seinem Freund Georg Schwarzkopf, 19, kennen gelernt. Per Bluetooth-Funk beamt die blonde Elena noch ein Bild auf Georgs Handy - die Verbindung ist geschlossen.
Vor dem Berlinale-Palast am Potsdamer Platz rangeln Dutzende Fans und Autogrammjäger um die besten Plätze. An diesem Abend feiert der neue "Star Wars"-Film seine Deutschland-Premiere. Mitten im Gewühl reckt Jana Buchmann ihr Nokia-Handy quer in die Höhe. Über das Sucherbild im Display zielt sie auf Natalie Portman, eine der Hauptdarstellerinnen des Science-Fiction-Films. Zwischen Camcordern und Einwegkameras schießt sie an diesem Abend 110 Bilder.
Mobiltelefone mit Kamera
sind schon jetzt fast Standard. Nur noch Billigmodelle und Varianten für Geschäftsleute haben keinen digitalen Fotoapparat integriert. Ob bei der Beerdigung von Papst Johannes Paul II., beim Rockkonzert oder im Beach-Club - als Zugabe im Handy hat beinahe jeder stets eine Kamera dabei. Und nicht nur das: Per Multimedia-Nachricht (MMS) lassen sich die Bilder direkt vom Handy weltweit versenden, als E-Mail oder auf die Mobiltelefone von Freunden und Verwandten.
Waren die Überall-Fotos anfangs noch klein und verwaschen, so machen sie jetzt denen von richtigen Digitalkameras Konkurrenz: In den nächsten Monaten kommen immer mehr Telefone mit zwei Megapixel Bildauflösung in den Handel, selbst ein Drei-Megapixel-Gerät soll zu Weihnachten zu haben sein. Fotolicht oder Blitz ermöglichen endlich auch ansehnliche Aufnahmen im Dunkeln oder in Räumen. Das Fachmagazin "connect" bescheinigt etwa dem zweifachen Auflösungsmillionär Sharp V902 (siehe Seite 85) "originalgetreue Farben und Schärfe bis ins Detail". Als einziges lieferbares Telefon derzeit hat das Sharp sogar einen optischen, zweifachen Zoom integriert. Das für ein Handy äußerst groß geratene Zwei-Megapixel-Modell Nokia 90 erinnert an einen kleinen Camcorder. Videoaufnahmen beherrscht es besser als andere Multimediahandys. Für eine gute Fotoqualität soll hier ein Objektiv der deutschen Traditionsfirma Carl Zeiss bürgen.
Vom Telefon aufs Papier
Schnappschüsse aus dem Handy kann man als Abzug beim Labor bestellen oder auf einem Fotodrucker ausdrucken. Letzteres kann teuer werden
Die Mobilfunk-Netzbetreiber und Firmen wie dm-Digifoto.de bieten Online-Druckdienste an. Dort lassen sich Fotoabzüge per MMS oder E-Mail ab 11 Cent bestellen - zuzüglich der MMS-Gebühren. Besitzt das Handy eine Speicherkarte, kann man diese auch im Drogeriemarkt oder Fotoladen abgeben. Wer jederzeit unterwegs Bilder zu Papier bringen will, braucht einen mobilen Fotodrucker. Das Gerät sollte einen Akku besitzen und die Bilder ohne Umweg über einen Computer direkt vom Handy empfangen und ausdrucken können. Das leistet etwa der Tintenstrahl-Fotodrucker HP Photosmart 375 für 229 Euro (optionaler Akku für 66 Euro). Das Gerät hat Steckplätze für alle wichtigen Speicherkarten und beherrscht den Bluetooth-Funk, mit dem viele Handys Daten übertragen. Ein Print im Format 10 x 15 cm kostet etwa 29 Cent. Ebenfalls gut geeignet ist der Thermotransfer-Drucker Photo Easy 255 von Sagem (279 Euro). Er schmilzt die Farben auf spezielles Fotopapier, was besonders brillante Abzüge produziert. Die Kosten pro 10 x 15-Print liegen bei 41 Cent. Steckplätze für Speicherkarten sind ebenso drin wie Infrarot. Ein Bluetooth-Adapter kostet 40 Euro Aufpreis, ein Akku wird allerdings nicht angeboten.
Schnäppchen sind diese Handys allerdings nicht. Die gute Fotoausstattung muss der Kunde mitbezahlen. So kostet das UMTS-Modell Sharp V902 selbst bei Abschluss eines Vertrags noch deutlich mehr als 200 Euro. Und das für diesen Monat angekündigte Nokia N90 liegt mit einem Preis von rund 700 Euro (ohne Vertragsabschluss) in derselben Preisklasse. Die Integration von Kameratechnik und Handy in einem kompakten Gehäuse kostet eben weit mehr als die Summe aus dem Preis für zwei technisch vergleichbare Einzelgeräte. Dafür spart man Platz in den Taschen.
Die meisten Fotohandys haben aber auch in diesem Jahr noch nicht mehr als ein Megapixel. Für gelegentliche Abzüge im 10x15-Format genügt das in der Regel. Preisgünstige Modelle, aber auch die schicke Designflunder Razr von Motorola, verfügen sogar nur über eine so genannte VGA-Kamera mit einer mageren Bildauflösung von knapp 0,3 Megapixel. Das ist eigentlich nicht mehr akzeptabel.
Wer gern mit seinem Telefon fotografieren möchte, sollte sich beim Kauf aber nicht allein von Pixelzahlen und dem Design leiten lassen. Verbraucherforen im Internet wie ciao.com oder guenstiger.de oder Kundenbewertungen bei Online-Shops wie amazon.de liefern einen Eindruck von den Praxisqualitäten und Macken eines Handys.
Gefangen im Handy
sind die eigenen Schnappschüsse ärgerlicherweise bei vielen besonders hoch subventionierten, also für den Käufer scheinbar preiswerten Modellen. Dort gibt es nur einen Weg, die Bilder aus der Kamera zu holen: per gebührenpflichtiger MMS an die heimische E-Mail-Adresse. Das gefällt den Netzbetreibern, ist aber teuer: Zweimal so viel wie eine normale SMS-Textbotschaft kosten die Multimedia-Nachrichten.
Auf den PC sollten die Bilder aber immer wandern: Erst dort lassen sie sich ohne weitere Kosten per E-Mail versenden, mit Bildbearbeitungsprogrammen weiter verschönern, ins Internet stellen oder ausdrucken.
Ideal für die Bildübertragung an den PC sind Handys mit Bluetooth-Funk oder Infrarot-Anschluss. Damit lassen sich Fotos drahtlos an den Rechner, direkt an moderne Drucker oder an spezielle Fotokioske in Fachgeschäften übertragen (siehe Kasten Seite 85). Bei Handys mit Kartenschacht entnimmt man einfach die Speicherkarte, wenn sie voller Bilder ist. Über einen Kartenleser am Rechner schiebt man die Fotos dann auf die Festplatte. Eine weitere Variante der Bildübertragung: ein Datenkabel, das Handy und PC verbindet. Wird es nicht mitgeliefert, sollte es zumindest als Zubehör zu haben sein. Mindestens eine dieser Verbindungsoptionen sollte das Handy beherrschen, wenn man damit Fotos machen will.
Millionenfach stets bereite Kameras - die Einflüsse dieses Trends auf den Alltag werden bereits sichtbar. So sind auf der unabhängigen Nachrichtenseite Indymedia.org Fotos von mutmaßlich gewalttätigen Polizisten zu sehen, die während Demonstrationen ihre Dienstnummer nicht preisgeben wollten. Ein Autofahrer in der fränkischen Schweiz fotografierte mit seinem Handy ein ausgerissenes Stachelschwein und präsentierte das Bild stolz der Polizei. Tagebuchschreiber im Internet reichern ihre Einträge immer häufiger mit unterwegs geschossenen Bildern an.
Die Unauffälligkeit von Handys und deren weite Verbreitung bergen aber auch die Gefahr des Missbrauchs. Das kann noch recht harmlos sein: "Meine Großeltern kapieren nicht, dass sie fotografiert werden, wenn ich auf dem Handy tippe", erzählt Filmfan Jana Buchmann. Nur so komme sie zu ungestellten Schnappschüssen von Oma und Opa.
Das kann aber auch richtig übel sein. Die Kinderschutzorganisation Zartbitter berichtete kürzlich von Schülern, die Mitschüler unter der Toilettentür hindurch heimlich knipsen. Die Fotos tauchten danach auf einschlägigen Spannerwebsites auf.
Ganz leicht kann jeder Fotohandybesitzer zum Paparazzo werden. Wie rücksichtsvoll er sich verhält, ist wohl allein eine Frage des Charakters.
Der Siegeszug der Fotohandys scheint jedenfalls unaufhaltsam. Schon im vergangenen Jahr wurden weltweit mit 257 Millionen Stück fast viermal so viele Knipstelefone wie reine Digitalkameras verkauft. Und in vier Jahren sollen mit Handys 227 Milliarden Fotos gemacht werden - mehr als mit Digitalkameras und Camcordern mit Fotofunktion zusammen.